6. Die kurze Fahrt mit unterdrücktem Hustenreiz

1.5K 283 83
                                    

Mit rasendem Herzen schiebe ich meinen Einkaufswagen so schnell es geht den Gang entlang, um dem Taxifahrer zu entkommen.

Mein Verhalten ist bestimmt total lächerlich, ich kann sogar Eves Stimme in meinem Kopf hören, wie sie genervt mit der Zunge schnalzt und meint: „Jetzt krieg dich mal wieder ein, Adam."

Abrupt stoppe ich willkürlich vor einer Produktwerbung, greife eine der Schachteln und tue so, als wäre ich total vertieft in eine Packungsbeschreibung.

Die WC-Tabs reinigen mit der 3-Phasen-Kraft selbsttätig; schnell und zuverlässig – auch an für WC-Bürsten unzugänglichen Stellen.

Was zur Hölle tue ich hier eigentlich?

Ich bin ein erwachsener Mann, der gerade durchgeschwitzt und mit sandigen Füßen in seinen klammen Socken in einem Supermarkt vor einem Taxifahrer wegläuft, der sich wahrscheinlich ohnehin nicht an ihn erinnern kann.

Und wenn doch? Umso besser! Dann könnte mich vielleicht zurück zu meinem Motel fahren. Wenn er den Weg gestern Abend dorthin gefunden hat, wird er heute wohl auch schaffen. Und glücklicherweise habe ich mir den Weg auch gemerkt und sogar noch die zerknitterte Karte aus dem Motel in der Hosentasche.

Fest entschlossen straffe ich also meine Schultern, hole tief Luft und drehe mich um.

Er ist weg.

Ich drehe den Kopf nach rechts und nach links, doch es besteht kein Zweifel. Ich stehe allein in dem Gang mit Tierfutter und Putzmitteln und komme mir unsagbar dumm vor.

•••

Zehn Minuten später habe ich zumindest Dinge in meinem Einkaufswagen, mit denen ich in den kommenden Tagen auch ohne Kochmöglichkeiten auskomme.

Etwas Brot und Käse, ein wenig Joghurt, ein paar Äpfel und diverser Knabberkram werden vorerst ausreichen.

Jetzt stehe ich wieder in der prallen Sonne auf dem Parkplatz des Supermarktes und sehe mich suchend um.

Kein Taxi ist in Sicht.

Mist! Genau jetzt hätte ich das wirklich gut gebrauchen können.

Seufzend ziehe ich mein Handy hervor, gebe Taxi in Prairie View in der Suchmaschine ein und erhalte sogleich mehrere Vorschläge mit Telefonnummern.

Nun ja, die Wahrscheinlichkeit, genau das Unternehmen dieses einen Taxifahrers zu erwischen, ist schon sehr gering.

Kurzerhand wähle ich irgendeine der Nummern aus und werde bereits nach dem ersten Klingeln von einer freundlichen Stimme begrüßt. „Channelview Fair Taxi, wie können wir Ihnen helfen?"

„Ja ... äh ... hi", stottere ich überrascht los. „Mein Name ist Adam Carpenter und ich benötige ein Taxi vom ... äh ... Walmart in Hempstead zum Summit Inn Motel."

Die Frau am anderen Ende gibt ein ungläubiges Geräusch von sich und ich verbeiße mir das „Ja, ich weiß auch, dass das mit dem Auto keine zehn Minuten sind, aber sind Sie schon mal in der sengenden Hitze in unbequemen Sneakers durch die Prärie spaziert? Noch dazu mit einem Joghurt im Einkaufsbeutel?", das mir auf der Zunge liegt. Stattdessen füge ich ein „Ich zahle auch die Anfahrt, wenn es nötig ist" hinzu.

„Wir haben einen Wagen in der Nähe, Sie haben Glück, Mister", antwortet die Stimme am anderen Ende und ich atme erleichtert auf. „Der Kollege ist in etwa fünf Minuten bei Ihnen."

„Haben Sie vielen Dank." Ich schiebe das Handy zurück in meine Hosentasche und blinzle gegen die Sonne.

Ich muss nachher dringend ein Einkaufszentrum oder etwas ähnliches finden, denn ich habe das Gefühl, dass der Großteil des Inhalts meines Koffers komplett ungeeignet für das texanische Klima ist.

Mit je einer Einkaufstüte an der rechten und der linken Hand mache ich mich auf den Weg zur Einfahrt des Parkplatzes, um auf das Taxi zu warten, welches auch prompt um die Ecke gebogen kommt, als ich die Einfahrt erreiche.

Hektisch will ich mit den Armen winken, werde jedoch durch meine Einkaufstüten behindert und stelle diese neben meinen sandigen Sneakers auf dem Boden ab, um jetzt wild zu wedeln.

Natürlich kippt eine der blöden Tüten um und selbstverständlich ist es die, in der ich die Äpfel verstaut habe. Also rollt das Obst auf dem Beton herum, ich hechte hinterher und sammle die Früchte wieder auf, als das Taxi mit einem Quietschen neben mir zum Stehen kommt.

Ein schlanker Mann mit dunkelbraunen Haaren und einer Zigarette im Mundwinkel steigt aus und ich schnappe entsetzt nach Luft.

Erst als er den Kopf hebt, erkenne ich, dass es nicht derselbe Taxifahrer von gestern Abend ist, der vorhin noch mit Jeffrey Maisdosen im Supermarkt aufgesammelt hat, und ich atme erleichtert aus.

„Sie haben das Taxi bestellt?" Der Mann, der locker zwanzig Jahre älter ist als der Maisdosenaufsammler und nicht annähernd so fröhlich wirkt, kommt auf mich zu, sein Blick auf die Einkaufstüten und die Äpfel in meinen Händen gerichtet.

„Ja, hi", begrüße ich ihn mit einem unbeholfenen Lächeln. „Ich weiß, das Motel ist nicht sehr weit weg, aber zu Fuß die Einkäufe durch die Steppe zu tragen, wäre doch etwas mühselig gewesen."

Der Typ rollt mit den Augen und bedeutet mir einzusteigen.

Eilig schnappe ich meine Einkäufe und klettere mit meinen Tüten auf die Rücksitzbank, während er bereits das Gaspedal durchtritt und davonbraust.

Anders als der gestrige Fahrer scheint er den Weg genau zu kennen, hält es aber nicht für notwendig, seine Zigarette aus Höflichkeit gegenüber seinem Fahrgast auszumachen. Stattdessen bläst er den Rauch lässig an den vergilbten Himmel des Taxis und ich unterdrücke einen Hustenreiz, der sich unweigerlich in meiner Kehle entwickelt.

Glücklicherweise dauert die Fahrt bei seinem Tempo nur knappe fünf Minuten und kurz vor Erreichen des Motels schnippt er die Kippe einfach aus dem nur zu einem Schlitz geöffneten Fenster.

Verdattert blicke ich dem qualmenden Stummel hinterher und frage mich, ob ich in den Nachrichten schon mal von Präriebränden in Texas gehört habe.

Das Taxi hält vor dem Motel und der Fahrer trommelt ungeduldig auf seinem Lenkrad herum.

Ich klaube ein paar Scheine zusammen und reiche ihm den Betrag, den das Taxameter anzeigt, nach vorn. Heute fällt mein Trinkgeld deutlich spärlicher aus und ich verlasse mit einem Husten das Fahrzeug.

Als ich die Tür hinter mir zuschlage, fährt der Mann bereits wieder los, seine Reifen wirbeln dabei so viel Staub auf, dass ich instinktiv die Augen zusammenkneife und heftig huste.

Eine weitere Erkenntnis: Die Wahl eines Taxiunternehmens in dieser Gegend scheint Vertrauenssache zu sein. Und Channelview Fair Taxi genießt mein Vertrauen nun nicht mehr.

Vielleicht sollte ich in Erwägung ziehen, mir einen Mietwagen zu besorgen.

Richtungswechsel | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt