9 - „das war nur ein Sturz."

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Trigger warning:
Mentioning of suicide at the end

Myra POV

An sich war das gemeinsame Essen nicht schlecht verlaufen; ich hatte nicht viel gegessen und das Fußball Thema war auch schnell vergessen, zumindest vorerst. Aber das hatte mir gereicht. Adrien schlug nach dem Essen vor, dass Aiden und ich doch in sein Zimmer gehen könnten, für das Projekt. Irgendwie schien Aiden - seinem Gesichtsausdruck nach - überhaupt nicht angetan davon zu sein. Aber konnte ich ihm das verübeln? Auf keinen Fall. Ich verstand weshalb er nicht mir alleine sein wollte, denn auch sonst war das niemandes Ziel. Wer würde mit mir schon alleine sein wollen? Wer war ich denn schon? Nur eine nervige Schülerin die in dem Jahrgang seiner Brüder war und öfter aussah als wäre sie einem Wrestling Unfall entkommen. Es war fast schon bemitleidenswert, wie wenig ich von mir selbst dachte. Aber irgendwie schürte sich auch niemand darum es besser zu machen.

„Das ist nicht nötig. Ich muss leider sowieso bald zuhause sein, meine Eltern wollten noch wohin und jemand muss ja auf den kleinen aufpassen.", versuchte ich schnell mir eine Ausrede zusammen zu reimen und fing an unsicher zu lächeln. Derweil klopfte mein Herz schneller, denn mit jeder Lüge fühlte ich mich nur noch schlechter. Aber ich wollte nicht länger als nötig seine Zeit verschwenden, er hatte bereits viel zu viel Zeit mit mir verbringen müssen, da musste ich es ja nicht noch schlimmer machen, oder?

„Aber dann warst du ja nur zum Essen hier.", merkte Adrian an und sofort fühlte ich mich noch schlechter. Er hatte Recht. Ich machte mich auf dem Stuhl etwas kleiner, lies einen kleinen Seufzer heraus und schaute auf meine dünnen, geröteten Finger. „Tut mir-", fing ich an, doch Eliza kam mir zuvor. „Nichts da. Du bleibst noch mindestens eine Stunde und dann fahre ich dich gerne nachhause. Vielleicht Freunde ich mich ja mit deinen Eltern an.", schlug sie vor und die anderen fingen zu lachen. Mir wurde schlecht. Vielleicht dachten sie dann noch schlechter von mir als so oder so schon? Vielleicht würde dann wirklich nicht mehr mit mir sprechen. Er würde mit Mrs. Pomley sprechen und dann würde er einen neuen Projekt Partner bekommen und ich würde ganz alleine durchfallen. Ich ballte meine Hände - die sich unter dem Tisch befanden - zu Fäusten, bohrte meine Fingernägel in die Handinnenflächen und seufzte leise.

„Dann lass uns hochgehen.", Aiden stand auf, nahm seinen und meinen Teller und räumte ihn weg, dann schaute er mich abwartend an, da ich noch immer auf dem Stuhl saß, als hätte man mich an ihm festgeklebt. Als er mich aber weiterhin anschaute, stand ich schnell auf, etwas zu schnell. Kurz hielt ich mich an der Tischkante fest bevor ich ihm folgen konnte. Gemeinsam gingen wir die Stufen hinauf, mit jedem Schritt fühlten sich meine Knie aber schwerer an. Es tat weh die Stufen hinauf zu laufen. Ich pausierte, hielt inne für einen Moment. Meine Hand verkrampfte beinahe schon um das Treppengeländer. Mit einem Mal viel mir das Atmen wieder so schwer, aber es war nicht die Panik die in mir empor kroch, es war die fehlende Kraft mich zu bewegen. Und bevor ich wirklich reagieren konnte, spürte ich schon den Fall. Und den stechenden Schmerz der mich durchfuhr bei jeder Treppenstufe auf der ich aufkam. Als ich zuletzt den Boden unter mir spürte, sah ich nur noch verschwommen. Kein klarer Gedanke flog durch meinen Kopf, ich spürte nur noch den Schmerz in meinem Körper, bis sich alles verabschiedete und ich nur noch in schwärze blickte.

***

„Wir hätten ins Krankenhaus fahren sollen!"
„Ach, das Krankenhaus kriegt nichts hin was ich nicht auch hinbekomme. Ich war schließlich Krankenschwester."
„Mama, du warst zwei Tage im Krankenhaus und hast dann gekündigt."
„Ach Quatsch. Die PECH Methode klappt immer. Pause, Eis, Compression, Hochlagern. Schau, sie bewegt sich."

Ein Stimmenwirrwarr war schwer zu überhören, jemand schien sich zu streiten. Nicht so ganz konnte sie die Stimmen zuordnen, aber ich hatte schnell mitbekommen das ich nicht zuhause war. Ich versuchte keinen Ton von mir zu geben, als ich den Schmerz in meinem Kopf und Rücken spürte, sowie die Kälte an diesen Regionen. Langsam öffnete ich meine Augen, schaute direkt in die braunen Augen von Aiden. Er war es auch der Eis an meinen Kopf hielt. Er fing an ganz sanft zu lächeln. „Du bist endlich wach. Ich hab mir solche Sorgen gemacht. Du bist einfach aus dem nichts umgekippt und ich hab dich nicht mehr gepackt bekommen. Das tut mir leid. Gott, ich dachte du wärst tot. Aber Mama meinte das wird schon, du wärst noch am Atmen. Sie hat dich direkt hierher gebracht und mich dazu verdonnert dir Eis in dem Tuch gewickelt an den Kopf zu halten.", erklärte Aiden in nur einem Atemzug und kurz musste ich auch lächeln. Aber sprechen war mir..zu viel. Ich konnte und wollte nicht. Aber als ich seine Worte verarbeitet hatte, weiteten sich meine Augen und der Schmerz war wieder nebensächlich. „W-Wie spät ist es?", meine Stimme war kratzig, es tat weh zu sprechen.
„Kurz nach fünf.", antwortete Adrien, der den Raum betrat, genauer gesagt das Wohnzimmer. Schnell versuchte ich mich aufzusetzen, jedoch drückte Eliza mich zurück auf die Couch. „Du gehst erstmal nirgendwo hin. Sag mal, kann ich deine Eltern bitte anrufen? Ich sag Bescheid das du heute hier schläfst, dann können wir dich im Notfall schnell ins Krankenhaus bringen falls es schlimmer wird.", ich schüttelte daraufhin nur den Kopf. „Ich möchte nachhause.", gelogen. Ich wollte niemals wieder zurück. Aber ich möchte den kleinen nicht so lange alleine lassen. Ich würde es nicht verkraften ihn mit blauen Flecken zu sehen.

Anstatt zu antworten schickte Eliza ihre Kinder und ihren Mann, der mir bisher nicht aufgefallen war, aus dem Wohnzimmer und setzte sich an das Fußende der Couch. „Hör mal. Ich habe mir deinen Rücken angesehen. Du hast Wunden dort. Blaue Flecken, Kratzer, krustige Wunden. Myra, sind deine Eltern gewalttätig?", sie fragte es ganz vorsichtig und doch begann mein gesamter Körper zu zittern. Ich hatte nie gewollt das jemand etwas falsch denken konnte, deswegen schüttelte ich schnell den Kopf. „Das war nur ein Streit..mit- uh.", mir fiel keine Antwort ein, Niemand hatte bisher meinen Rücken gesehen. Ich musste mich noch nie erklären, es hatte noch nie jemanden interessiert.
„Ich sage nichts, wenn du das nicht möchtest. Ich fühle mich nur nicht gut dabei dich dorthin zu bringen, Myra. Darf ich bitte bei dir zuhause anrufen und vorschlagen das du hier schläfst? Oder hast du Sorge um etwas?", um meinen Bruder. Ich schüttelte erneut den Kopf. „Bitte bring mich einfach nachhause. Es ist alles gut. Es war nur ein einfacher Streit. Nichts weiter.", merkte ich an und erhielt ein seufzen als Antwort. Doch sie nickte resigniert. Ich wollte niemanden verärgern, aber ich wollte für ihn nachhause. Damit er etwas hatte was ihm Glück brachte. Damit er weniger leiden musste. „Außerde, das war nur ein Sturz. Ich sterbe schon nicht.", auch wenn der Schmerz grauenvoll war. Dabei stellte sich mir die Frage, welcher Schmerz war schlimmer? In meinem Herzen oder mein Kopf und Rücken zusammen. Es schmerzte alles und ich wünschte mir nichts sehnlicher als das es endlich aufhörte. Ich verhielt mich als würde ich mehr Aufmerksamkeit generieren wollen, dabei war das letzte was ich wollte mehr Aufmerksamkeit. Egal, von wem. Ich wollte nicht das Aiden mich ansah, noch weniger wollte ich das die Zwillinge mich ansahen. Die letzten beiden mochten mich sowieso nicht. Ich war nur ein Außenseiter in ihren Augen. Nicht ‚cool' genug. Verständlich. Ich war auch nicht cool. Aber das wollte ich auch gar nicht sein, alles was ich wollte war Ruhe.

( TW )

Ruhe und Frieden.

Aber nichts dergleichen bekam ich.

Ich hatte weder meine Ruhe noch meinen Frieden als Eliza mich nachhause gebracht hatte und ich ins Haus kam. Bevor mein Vater auf mich zu kam, hatte ich schon angefangen zu weinen. Dieser Tag war einfach zu viel gewesen.

Ich wusste nicht wie lange ich noch stark bleiben konnte, bis der Drang alles zu beenden zu groß werden würde.

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12.02.23

In 2 Monaten und einer Woche hab ich meine erste Abi Klausur??

Mystic Myra - Are you ready to find out the truth?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt