ⅠⅠⅠ ⁓ Pest oder Cholera

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»Hör zu, du Göre. Es wäre besser, wenn du von nun an dein zügelloses Mundwerk im Zaum hältst. Du hast großes Glück, dass unser Herr ein besonnener und ehrenhafter Mann ist. Hättest du solche Dinge zum König gesagt, würdest du längst bei den Ratten im Kerker schmoren und niemals wieder das Tageslicht erblicken.« 

Der Kerl im hellgrünen Gewand und mit dem wilden Bart funkelt mich mit seinen braunen Augen ärgerlich an. Zugegeben, er ist ein ziemlich guter Schauspieler. Wenn er das ernst meinen würde, könnte man beinahe Angst vor ihm bekommen. Zumal er ziemlich muskulös ist. Aber er wird gleich erfahren, dass ich mindestens genauso wütend gucken kann und ich muss dazu nicht einmal schauspielern.

»Über das ›Mann‹ lässt sich in diesem Fall streiten. Und ehrenhaft? Da sprechen wir wohl von verschiedenen Menschen. Denn jemand mit auch nur ein bisschen Ehre hätte nie im Leben solche Bilder von mir an andere weitergeleitet.«

Alexanders kühler Blick verwandelt sich in Eis, als er die Bedeutung meiner Worte erfasst. Er richtet sich auf und reckt herausfordernd das Kinn. Mir entgeht nicht, dass sich seine Hände zu Fäusten ballen. »Nimm dich in Acht, schöne Maid. Du redest ununterbrochen wirres Zeug. Meine Geduld ist nicht unerschöpflich, und mit deinen Worten begibst du dich auf gefährliches Terrain. Ein Mann, der meine Ehrenhaftigkeit in Frage stellt, hätte schon längst mein Schwert in den Rippen stecken.«

Ich schüttle langsam den Kopf, denn ich kann nicht fassen, dass er nach wie vor unbeirrt sein Theater durchzieht. Er spricht sogar auf eine Art und Weise, dass man ihm beinahe abkauft, aus einer anderen Zeit zu stammen.

Und warum zum Kuckuck hat er mich ›schöne Maid‹ genannt? Was will er damit bezwecken? Verfolgt er jetzt die neue Taktik, mich wieder um den Finger wickeln zu wollen? Um mich dann am Ende umso vernichtender zu treffen?

Da wird er auf Granit beißen. Oder auf Platin. Je nachdem, was härter ist.

»Joris, hol die Pferde! Es wird Zeit, dass wir diesen Ort verlassen. Wir sollten wenigstens noch ein paar Meilen zwischen uns und den Hexenwald bringen, bevor die Nacht hereinbricht«, wendet sich Alex an den Dunkelblonden in Olivgrün.

Unglaublich, was der Kerl für einen Befehlston drauf hat. Und verflixt, es funktioniert auch noch!

Während dieser Joris sich leicht verneigt und dann einfach fraglos gehorcht, tritt der Hellgrüne an Alexander heran. »Und was machen wir mit ihr?« Mit einer Kopfbewegung deutet er in meine Richtung. Der Tonfall, mit dem er das »ihr« ausspuckt, gefällt mir gar nicht. Er klingt, als würde er von einem widerlichen Insekt sprechen.

»Ich heiße Katharina. Das sollte dein Chef eigentlich wissen«, zische ich ihn an.

Alexander zieht die Augenbrauen zusammen. Ein paar seiner dunklen Strähnen fallen ihm ins Gesicht und mit einer nachlässigen Handbewegung streicht er sie zurück. Heute Morgen waren seine Haare noch viel kürzer. Ob er wohl eine Perücke trägt?

»Willst du mit uns kommen, Katharina? Bis ins nächste Dorf? Ich denke, dir ist klar, dass du die Nacht nicht allein in diesem Wald verbringen solltest.« Seine dämlichen, strahlenden Sommerhimmelaugen sind erwartungsvoll auf mich gerichtet. Am Rande bemerke ich, wie der Hellgrüne bei diesem Vorschlag gequält die Augen verdreht. Es scheint ihm nicht zu passen, dass Alex mir dieses Angebot macht.

Wenn ich mir allerdings die furchteinflößenden, dunklen Bäume ansehe, die die Lichtung umgeben, ist es tatsächlich kein besonders verlockender Gedanke, hier allein zurückzubleiben. Sie sehen auf einmal aus wie riesige schwarze Männer, die jeden Moment über mich herfallen wollen.

»Eigentlich würde ich am liebsten wieder zu den anderen in die Juhe zurück. Was ist mit dir, du musst doch auch dorthin? Die suchen uns bestimmt schon. Hast du kein Handy dabei? Meins ist im Rucksack auf dem Bollerwagen.«

Im Spiegel zu dirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt