Kapitel 1

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Heute war es so weit. Heute war der Tag seiner Krönung. Leucetius war heute 25 Jahre alt geworden und mit seinem Geburtstag geht die Erbfolge des Königs an ihn weiter. König Narvik gab Heute seinen Thron an seinen ältesten und einzigen Sohn ab. Dieser war schon sein gesamtes Leben auf diesen Moment vorbereitet worden. Vornehmes Verhalten, die richtige Ausdrucksweise, Kriegsführung und die Regierungsweise. All diese Dinge konnte er im Schlaf rückwärts aufsagen ohne auch nur einen Fehler zu begehen. Doch niemand hat ihn auf die mentale und emotionale Belastung vorbereitet, die schon 20 Jahre auf ihn gewartet hat. 20 Jahre in Ruhm, Ehre und Wohlstand, sicher vor dem Tod. Nun müsste er selber um sein eigenes Überleben kämpfen.

„Leucetius Narvik White, erhebt Euch und nehmt die Ehre für das Volk zu dienen an. Handelt immer im Namen und Wille des Volkes, bleibt stets bei klarem Verstand und führt unser Königreich zum Sieg.", sprach der Gottesgeweihte.
„Erhebt euch und lasst mich die Thronfolge von dem alten König Narvik", der Geweihte nahm nun die prunkvolle, goldene Krone von dem grauhaarigen, faltigen Mann, dessen Amtszeit Spuren auf seinem Gesicht hinterlassen haben, und führte sie rüber zu dem jungen, neuen König,"auf den neuen König Leucetius übertragen." Er setzte die Krone langsam auf den Kopf des braunhaarigen, stämmigen, jungen Mannes und trat zur Seite. Leucetius spürte regelrecht wie die Macht und Kraft in seine Adern strömte und das Land mit neuem, frischen Wind füllte. Er stand vor seinem neuen Thron und sah auf das Volk herab, das sich in dem Thronsaal versammelt hat. Das Volk starrte ihm hoffnungsvoll und ermutigend entgegen, während sich auf seinem Gesicht ein Lächeln ausbreitete. Wenn auch die Furcht, Fehler zu begehen, ihm Sorgen bereitete. Aber sein Vater, der ehrwürdige König, würde ihm Beistand leisten und, wenn er ihn um Rat fragte, dann würde er ihn sicherlich beraten. Leucetius grüne Augen leuchteten nur so und er konnte es kaum erwarten, das Leben als König zu genießen.
Sein roter Mantel, den er zur Krönung umgelegt hatte, hing von seinen Schultern und reichte bis zum Boden, auf dem er neben dem neuen König lag. Die schwere Krone drückte an seinem Kopf und Leucetius fragte sich, wie sein Vater es aushalten konnte, die Krone jeden Tag auf dem Kopf zu tragen und dabei noch so stolz und selbstbewusst aufzublicken.
„Werdet Ihr das Volk beschützen?", ertönte erneut die zerbrechliche Stimme des Geweihten.
„Ja, das werde ich.", sagte Leucetius brav wie er es von seinem Magister gelernt hatte.
„Werdet Ihr den Frieden bewahren und die Traditionen weiterleben lassen?", wieder fragte der Geweihte die Fragen, die er jedem König in seinem Leben als Gottesdiener gestellt hatte.
Die Tradition von Chess. Es war eine Art Waffenstillstand zwischen dem Whitestonehall und dem Blackstonecrypt Königreich. Die großen Drei haben diese Tradition vor einigen Jahren ausgehandelt und dem König somit das Leben mit lauter Gefahren gefüllt. 15 besondere Assasine werden ausgebildet, um den eigenen König zu schützen und den gegnerischen zu töten. Besser bekannt sind sie unter den Namen „Figuren von Chess". Die Gefährlichste ist jedoch die Figur der Dame. Sie beherrscht jegliche Kampfkünste und Strategien, die jeden König erzittern ließen. Das war auch der Grund, weshalb sie immer in der Nähe des Königs bleiben sollte. Sie war seine Leibgarde.
Doch für diese Traditionen hatte der neue König keine Gedanken übrig.
„Ja, das werde ich.", antwortete er wieder.
„So darf ich euch, Volk von Whitestonehall, den neuen König und rechtmäßigen Erben des Throns vor den Sechs Göttern offenbaren. Leucetius Narvik White!", rief er nun mit euphorischer Stimme als zuvor dem Volk entgegen. Dieses erwiderte. Drei Mal riefen sie seinen Namen und akzeptierten den Anfang eines neuen Zeitalters.

Sie legte den Pfeil an und spannte seine Sehne. Die Metallene Silberspitze des Pfeils glänzte kurz auf, obwohl es hier oben auf den verzierten Balken des weißen Thronsaals sehr dunkel war, sodass sie sich mit ihrer schwarzen Rüstung gut verstecken konnte. Sie verschwand in der Dunkelheit, verschmolz zu einem Teil von ihr. Sie hob den Bogen und schaute über den Pfeil. Ein perfekter Schuss, trotz des überfüllten Thronsaals. Sie nahm einen tiefen, beruhigenden Atemzug, bereit ihren Pfeil fliegen zu lassen. Aber plötzlich drehte sich ihr Ziel, das sie anvisiert hatte, um. Der junge Mann, der soeben zum König gekrönt wurde, sah ihr direkte in ihre Augen. Er zwinkerte ein paar Mal, bevor sein Gesichtsausdruck sich änderte. Er sah verwirrt aus, als suche er nach etwas. Sie nahm an, er könnte sie nicht sehen, aber trotzdem sah er sie so spezifisch an. Seine Augen suchten nach etwas. Nach dem, was er dort vermutete. Ihr Herzschlag beschleunigte sich und sie befürchtete man könnte ihn hören. Doch der Applaus des Volkes sollte für viel Lärm und Ablenkung sorgen. Sie berichtigte ihre Bogenhaltung und zielte genauer auf ihn. Auf den König, der sie anstarrte. Sie war bereit, den Pfeil durch sein Herz zu bohren. Sie ließ den Pfeil fliegen. Befreit von dem Druck der auf ihr lastet. Nun, da sie den König getötet hatte, konnte er sie nicht mehr bedrohen. Er konnte nicht mehr seinen Köter von gehirngewaschenem Psycho Soldaten auf sie los hetzen und ihre Angst wachsen lassen. Das wäre nun vorbei. 

Leucetius Vater klatschte ebenfalls, als der Geweihte Lanzel ihn zum König erklärte. Seine Mundwinkel waren wie festgefroren. Er konnte nicht mehr aufhören, zu grinsen. Endlich war dieser langweilige Unterricht von Magister Aldrin vorbei und das neue Leben als König würde beginnen. Narvik lächelte und nickte ihm aufmunternd zu. Dann ging er langsam auf ihn zu und stellte sich vor ihn. Er legte seine Arme auf die Schultern seines Sohnes und öffnete seinen Mund, um etwas zu sagen. Leucetius verspürte einen Ruck. Sein Vater schien sich mehr auf ihm abzustützen. Plötzlich riss er seine Augen auf und stockte. Sein Mund blieb geöffnet, doch flossen nun keine Wörter, sondern Blut  aus seinem Mund. Das Volk zog die Luft scharf ein und einige schrille Schreie kamen aus den Kehlen aufgeregter Frauen. Narviks Blick wich nach unten. Leucetius folgte seinem Blick und blieb an einer metallenen Spitze hängen, die sich durch das weiße Baumwollhemd gebohrt hatte. Das weiße Baumwollhemd war nun aber nicht mehr weiß, sondern Blutrot.

Chess The Mad King Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt