Kapitel 6 - Der Höchste Preis

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Als er das hörte, zogen sich Peters Lippen auseinander und die verloren geglaubte Euphorie erfüllte ihn. Er hatte schon die größten Abenteuer erlebt!

„Nichts, was ich nicht schaffen kann!", posaunte er selbstsicher und zog seinen Dolch aus der Scheide an seinem Gürtel. Die Klinge mit der Gold-kupfernen Schneide schien im Licht der unzähligen Feen zu leuchten, die gespannt lauschten.

Hah, er war Peter Pan! Wenn es darum ging einen Stern vom Himmel zu schneiden und ihn dann zu fangen, wer könnte das besser als ER?!

„Ich werde einen Stern stehlen und alles wird wie früher!"

„Dein Dolch wird dir nichts nutzen, Sterblicher", seufzte die Königin und deutete dabei auf das Spielzeug in seinen Händen, „Keine Waffe dieser Welt, so edel das Metall auch sein mag, vermag die Dinge zu zertrennen, die fern der Realität liegen. Nur eine endlose Klinge, eine Feenklinge, kann die zeitlosen Geflechte zerschneiden, die sich fern der Realität befinden."

Tink umschwirrte ihn, ihr leises Klingeln lag in seinen Ohren, als sie sich auf der Schulter niederließ. Er spürte ihr Gewicht kaum, das lediglich reichte, um eines der Blätter rascheln zu lassen.

„Nur diese Klinge wird dir helfen können, deinen Wunsch in Erfüllung gehen zu lassen. Doch eine solche Klinge hat ihren Preis."

„Eine Feenklinge ...", murmelte Peter. Er würde einen Stern fangen, alles rückgängig machen und dann konnte er seinen Verlorenen Jungen von alldem berichten. Er konnte wieder der Held von Neverland sein! Ein Funkeln trat in seine Augen und seine Lippen verzogen sich zu einem breiten Grinsen, welches kleine Grübchen in seine Wangen pflanzte.

„Was muss ich dafür tun?"

„Die Klinge eines Toten muss mit dem Sand der Zeit geschliffen und im Staub einer Fee gebadet werden", summte die Stimme der Königin. „Doch die Zeit muss freiwillig gegeben werden." Da schwebte Titania näher heran und Peter spürte, die Schwere eines bedeutsamen Moments. Peter kannte dieses Gefühl sehr gut. Wenn sich die Luft elektrisch auflud, sich seine feinen Nackenhärchen aufstellten und seine Fingerspitzen kribbelten. Es lud ihn ein, danach zu greifen... ein neues Abenteuer, das seine Nasenspitze kitzelte.


„Zehn Jahre deines Lebens, Peter Pan. Das ist der Preis", verkündete Titania. Im Saal war es nun vollkommen still. Kein Klimpern, kein Klingeln, kein Murmeln oder Flüstern und selbst die Musik war verstummt.

Peters Augenbrauen flippten höher, dem Haaransatz entgegen. Ein Handel mit den Fae war oft nicht so leicht, wie es den Anschein hatte. Aber er war Peter Pan!

Lebensjahre? Hrmpf, davon konnte er so viele hergeben, wie die Fee es wollte. Neverland war zeitlos, er lebte so viele hunderte Jahre – was scherten ihn zehn mehr?

'Oh, diese Schlauheit von mir!', dachte Peter und stemmte die Hände in die Hüften.

„Einverstanden", meinte Peter und grinste selbstsicher. Er fühlte das Zupfen von Tink an einer seiner Haarsträhnen. Ihre feine Stimme, gewoben aus Glas und Sonnenlicht, überschlug sich nahezu in dem Klingeln. Doch Peter hob die Hand und schob die kleine leuchtende Fee von seinem Gesicht fort.

Die Königin der Feen hob die Hand und Peter tat es ihr gleich. Nicht mehr als ein Finger war es, den er ihr reichen konnte. Kaum als die zarten Finger der Sommerherrin seine Kuppe berührten, riss es ihn in die Tiefe. Er verlor den Halt, sein Körper wurde mit einem Mal schwer wie Blei und die Welt um ihn herum drehte sich. Peter japste, es schien ihm die Luft aus den Lungen zu pressen und er fiel vornüber auf den glatten Boden des Saals. Stöhnend landete er auf dem Bauch und presste die Augen zusammen. Sein ganzer Körper brannte wie flüssiges Feuer. Alle Geräusche schwanden, wurden dumpf und in seinen Ohren dröhnte ein Rauschen, lauter als das Donnern der Neverfalls. Als ihn eine endlose Schwärze umfing, fühlte Peter sich, als hätte man ihm etwas Wertvollerem als seinem Leben beraubt... auch wenn er sich die Leere noch nicht erklären konnte.

Wenn Sterne FallenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt