♡ Chapter One ♡

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Ich räume gerade meine Schulbücher, die ich nicht über das Wochenende zum Lernen brauche, in meinen Spind, als meine beste Freundin Chiara auf mich zugelaufen kommt.

"Hey Sophia! Ich wollte dich fragen, ob du heute Nachmittag schon etwas vorhast. Pedri hat heute Training und vielleicht..."

Bevor sie weitersprechen kann, hebe ich die Hand und schneide ihr das Wort ab. "Wie oft habe ich schon mit dir über dieses Thema gesprochen?" Ich hebe eine Augenbraue und blicke meine Freundin vorwurfsvoll an.

"Jaja, ich weiß, aber ich dachte, du könntest doch wenigstens heute mal mitkommen?" Sie gibt nicht auf.

Ich schnaube genervt. "Du weißt genau, was ich davon halte und außerdem wollte ich heute Nachmittag für die Lateinschularbeit lernen."

"Deine Noten werden eine 1 Minus vertragen, wenn du mal nicht für die Dinge lernst, die du doch sowieso schon kannst."
"Du widersprichst dir gerade selbst."
"Mensch, du weißt schon, was ich meine! Also begleitest du mich bitte?"

Sie schiebt die Unterlippe vor und setzt ihren besten Dackelblick auf, den sie auf Lager hat. Man möge doch meinen, nach den unzähligen Versuchen, die sie schon gestartet hat, um mich dazu zu bringen, sie auf den Fußballplatz zu begleiten, wäre ich schon abgehärtet.

Doch heute bin ich psychisch nicht gerade in bester Verfassung und das weiß Chiara genau. Das ist auch der Grund, warum sie heute noch einmal probiert hat, mich zu überzeugen. Ansonsten hätte sie doch schon längst aufgegeben, denn wenn sie etwas nicht ist, dann ist es willensstark.
Was man von mir auch nicht gerade behaupten kann, als ich schließlich seufzend zustimme.

"Juchu! Du wirst sehen, das wird sicher lustig!" Sie schultert ihren Rucksack, bereit, das Schulhaus zu verlassen und ins Wochenende zu starten.

"Nimm es mir bitte nicht übel, aber ich weiß nicht, was daran lustig sein soll, ein paar Jungs dabei zuzusehen, wie sie wie verrückt hinter einem Ball herlaufen."

Chiara verdreht nur die Augen, legt mir einen Arm um die Schultern und führt mich aus dem Gebäude.

♡♡♡

Ich kann selbst nicht ganz glauben, warum ich mir das angetan habe, als wir schließlich vor dem Camp Nou stehen. Ich habe keinen blassen Schimmer von Fußball, selbst Chiara hatte den nicht, bevor sie vor einem halben Jahr mit Pedri zusammengekommen ist.
Doch seitdem hat sie immer wieder versucht, mich dazu zu überreden, mit ihr zu einem Spiel oder zum Training zu kommen.

Bis jetzt konnte ich mich jedes Mal davor drücken, doch heute habe ich psychisch einfach nicht die Kraft, mich ihr zu widersetzen. Ich sollte es ihr ja übelnehmen, dass sie meinen schlechten Tag ausgenutzt hat, aber man kann meiner besten Freundin nur selten böse sein und wenn, dann nur für höchstens zwei Stunden.

Mein einziges Problem sind meine Eltern, die mir enormen Druck aufgrund meiner Noten machen und sie sind auch der Grund, warum ich im Moment die ganze Zeit schlecht gelaunt bin. Ich bin gut in der Schule, wirklich, aber meinem Vater offensichtlich nicht gut genug.
Mum konnte sich noch nie wirklich gut durchsetzen, weshalb er sie mitzieht.

Am Montag steht eine Lateinschularbeit an, für die ich eigentlich hätte von heute Nachmittag bis Sonntagabend durchlernen müssen, doch stattdessen stehe ich jetzt vor einem Fußballstadion und weiß nicht recht, was ich hier soll.

Es ist kurz nach sechzehn Uhr und Chiara reicht dem Mann am Eingang eine Karte, der uns mit einem prüfenden Blick darauf in das Stadion winkt. Wäre ich ein Fußballfan, hätte es durchaus Vorteile, wenn die beste Freundin mit dem wertvollsten Spieler des FC Barcelona zusammen ist.

Und nein, ich habe mich nicht erkundigt oder gegoogelt, aber Chiara spricht seit einem halben Jahr von nichts anderem mehr und so merke ich mir das auch irgendwann.

Auch jetzt ist sie total aufgeregt, was aber hauptsächlich daran liegt, dass sie mir alles auf einmal zeigen und erzählen will. Während wir am Rand des Platzes warten, bis die Jungs endlich kommen, redet Chiara in einer Tour.
Ich gebe mir wirklich Mühe, ihr zuzuhören, doch nach einer Weile klinke ich mich aus und meine Gedanken schweifen zu Latein.

Was, wenn ich es nicht schaffe? Kann ich meine Eltern noch mehr enttäuschen? Ich weiß einfach nicht, was ich noch machen soll. Egal, wie lange ich lerne, ob ich bis spät in die Nacht über meinen Büchern hocke, ich werde nie gut genug für meine Eltern sein. Wenn ich mal eine Zwei schreibe, bekomme ich nur zu hören, dass ich so nicht weiterkommen werde und dass es beim nächsten Mal einfach Hundert Prozent sein müssen.

Und so sehr ich auch versuche, mich davon abzuschotten, mir zu sagen, dass Noten nicht alles sind, es funktioniert einfach nicht. Mein Gehirn schreit mir immer zu, ich muss noch mehr geben, noch mehr und noch mehr, bis nichts mehr geht und ich alles erreicht habe.

Aber will ich das überhaupt? Und was dann? Was, wenn ich alles erreicht habe, wenn ich überall Hundert Prozent habe? Wird der Druck meiner Eltern aufhören? Wird der Druck, den ich mir selbst mache, aufhören? Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden: Lernen und lernen, bis ich nicht mehr erreichen kann.

Und doch sitze ich jetzt hier, mitten in einem Fußballstadion, anstatt an meinem Schreibtisch über meinen Lateinbüchern. Wie konnte ich mich nur von Chiara überreden lassen?

Diese erzählt mir noch immer pausenlos von Toren, Trophäen und Super Cups. Und ich kann mit der Hälfte der Begriffe nicht einmal etwas anfangen.

Mir brummt der Kopf und plötzlich wird mir total schlecht. Ich entschuldige mich schnell bei Chiara und stürme zur nächstbesten Tür, in der Hoffnung, dass sich dahinter eine Toilette verbirgt. Mir ist unfassbar heiß und ich bekomme kaum mit, was um mich herum geschieht. Ich öffne bloß eine Tür nach der nächsten, bis ich endlich zu einer Umkleide mit Toiletten komme.

Ich stürze in eine Kabine und schaffe es gerade noch, den Schlüssel herumzudrehen, bevor ich mich in die Kloschüssel übergebe. Danach sinke ich auf den Boden und lehne meinen Kopf erschöpft gegen die Wand.
Es ist unglaublich heiß heute und ich habe wie immer viel zu wenig getrunken, vielleicht ist das der Grund für meine Übelkeit.

Ich spüle mir am Waschbecken den Mund aus und befeuchte meine Arme mit kaltem Wasser. Als sich mein Herzschlag beruhigt hat und das Brummen in meinem Kopf abgeklungen ist, schließe ich die Tür auf. Ich stehe mitten in einer Umkleidekabine und habe keine Ahnung, wie ich hier wieder hinausfinden soll.

Plötzlich räuspert sich hinter mir jemand.

Pablo Gavi - Forever yoursWo Geschichten leben. Entdecke jetzt