Kapitel 10

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„Und wenn dein blasierter Bodyguard jetzt wirklich zur Porta Nigra wollte?"

Sie waren auf dem Weg zur Uni-Bibliothek, wo Kira nach Büchern für ihre Hausarbeit schauen wollte. Nach einer Vorlesung hatte sie sich an der großen Kastanie mit Joella getroffen, die nach einigem Trödeln kapiert hatte, dass sie wohl besser daran tat, endlich mit der Analyse der Venus von Botticelli anzufangen, statt es noch länger vor sich herzuschieben, - vor allem nachdem die Abgabe im Kurs 'Italienische Frührenaissance' schon in ein paar Tagen war.

Unter dem grauen Himmel trieben blauschwarze, dicke Wolken, die einen baldigen Regenschauer verhießen. Kira mümmelte sich fröstelnd in ihren Hoodie. Sie vermisste die Wärme Italiens.

„So ein Unsinn!", rief Kira. „Als ob Albiel den Weg dorthin nicht selbst finden würde!" Lustlos sah sie ein paar braungrünen Platanenblättern zu, die vom Wind aufgewirbelt wurden.

Nachdem sie ihre Räder am Fahrradständer abgestellt hatten, liefen sie über den schmalen, geschlängelten Fußweg des Universitätsgeländes an dem kleinen Teich vorbei, auf dem zwei Stockenten in gemächlicher Eintracht schwammen, und schlugen dann die Richtung zur Bibliothek ein.

„Aber du hast die Karte mit der Porta Nigra doch in Simeon Romanos Büro gesehen!", insistierte Joella. „Vielleicht gibt es ja eine Verbindung!"

„Eine Verbindung wozu? Spiel hier jetzt nicht den Superdetektiv, Joella, das führt doch zu nichts."

Aber Joella war nicht mehr zu bremsen. „Angenommen, es gäbe eine Verbindung zwischen den Lichthütern und der Porta ... oder eben von Simeon Romano zur Porta ..."

Kira lachte trocken auf. „Außer dass der alte Mann für alte Gebäude schwärmt, lässt sich da gar nichts verbinden, Joella. Albiel hat sich den Weg zur Porta erklären lassen, einfach so, zum Schein, das war nur ein Ablenkungsmanöver, mit dem er Radfahrer und Spaziergänger anschmieren wollte! Jeder in Trier will zur Porta. Sie ist nun mal das Wahrzeichen der Stadt."

„Aber die Karte in Simeons Arbeitszimmer ... sie könnte doch ein Hinweis sein. Wer hat die Karte nochmal unterzeichnet?"

„L.V."

„Aha ... Hm, vielleicht haben Simeon und dieser L.V. nach etwas gesucht. Und L.V. hat es nicht gefunden und hat es Simeon mit der Karte mitgeteilt. Die Karte war alt, also muss das vor vielen Jahren gewesen sein. Es könnte sogar sein, dass sie beide nach dem Phönix gesucht haben. Nur hat L.V. es irgendwann aufgegeben, weil er nicht mehr daran geglaubt hat, fündig zu werden. Er dachte aber, dass Simeon noch Chancen hätte." Sie konnte sich kaum bremsen in ihrem Redefluss. „Dann gibt es noch eine Möglichkeit!", rief sie. „Vielleicht wusste L.V. in der Vergangenheit ja schon, dass du eines Tages unter Simeons Schreibtisch herumkrabbeln würdest und hat sie deshalb absichtlich dort abgelegt? Die Porta Nigra auf der Karte muss etwas bedeuten, womöglich sogar für dich im Speziellen! Vielleicht ist dort eine Bombe platziert, die du rechtzeitig entschärfen musst? Oder du hast Gene in dir, die dich befähigen, die Porta weiß zu machen? Ich meine, alles ist möglich ..."

Kira platzte laut lachend heraus. „Wow, Joella! Deine Fantasie ist überwältigend, aber sie vergaloppiert sich gerade im dichtesten Brombeergestrüpp! Denn es ist eben nicht alles möglich! Nur in deiner konfusen, in alle Richtungen ausufernden, fantasygeprägten Vorstellung! Außerdem ist es unlogisch, was du da erzählst. Denn wenn L.V. ein Zeitenwandler wäre, hätte er die Karte gleich an mich adressiert und nicht den Umweg über Simeons Arbeitszimmer genommen."

„Dann meinst du, diese Karte hat nichts zu bedeuten?"

„Genau. Sie ist einfach ein Relikt aus alten Zeiten, das Simeon aus gefühlsduseligen Gründen aufgehoben hat. Auch wenn die Nachricht darauf seltsam war, das gebe ich zu.

Im Schatten des PhönixWo Geschichten leben. Entdecke jetzt