Kapitel 5

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Kira war bleich geworden.
„Was?", sagte sie langsam. „Ich weiß nicht, ob ich das so gut finde ... ich meine ... kann nicht jemand anderes diese Verantwortung übernehmen? Warum gerade ich? Ich kenne mich mit Vögeln nun wirklich nicht aus." Sie spürte das dringliche Bedürfnis, diesem verrückten, alten Mann mit seinen absurden Behauptungen eins mit der Kelle überzuziehen.

Simeon musterte sie mit zusammengekniffenen Augen.

„Ist doch wahr!", redete sie schnell weiter. „Es gibt Bessere für diese Aufgabe! Sie könnten einen Adler abrichtenden Robin-Hood-Ornithologen anheuern, einen Förster, einen Kanarienvogelbesitzer, was weiß ich ... Vögel sind nicht mein Ding. Sie können meinetwegen draußen im Wald auf Ästen sitzen und singen, da stört es mich nicht. Aber NIE würde ich einen anfassen oder in meine unmittelbare Nähe lassen!" Sie zog kläglich die Schultern hoch. "Ich hatte bis jetzt noch nicht mal einen W­­ellensittich!"

Simeon schnaubte. „Der Phönix braucht keinen Ornithologen, er braucht jemanden, der an ihn glaubt! Du musst keine Expertin in Vogelkunde sein, um eine Bindung zu ihm aufzubauen. Es geht doch einzig und allein darum, ihm zu helfen!"

Kiras Unruhe wuchs. Der Sachverwalter schien das Ganze ziemlich ernst zu nehmen.

„So ein Band zwischen Vogel und Mensch stelle ich mir ja ganz hübsch vor ...", ächzte sie. „Aber ich kann das nicht ... Ehrlich gesagt mache ich um Tiere immer einen möglichst großen Bogen. Vor Kühen und Pferden habe ich eine Heidenangst, bei Hunden gehe ich auf die andere Straßenseite und wenn mir kleineres Getier wie Ratten, Mäuse oder womöglich sogar Spinnen über den Weg laufen, kriege ich unweigerlich einen Kreischanfall."

„Es ist ein Vogel, Kira, einfach nur ein V-o-g-e-l!" Simeon tat ihre Argumente mit einer wirschen Bewegung ab. Er hatte ganz offensichtlich kein Verständnis für ihre Beweggründe. Warum konnte sie ihn nicht davon überzeugen, dass sie absolut ungeeignet für diese Aktion war? Sie sah sich wirklich nicht in der Rolle, einen Feuervogel zu retten. Das musste er doch verstehen!

„Einen Vogel einzufangen, stelle ich mir äußerst schwierig vor", sagte sie und wählte ihre Worte mit bedacht, als sie fortsetzte: „Vögel sind keine Schmusetiere. Sie haben Ungeziefer in ihrem Federkleid, Krallen, mit denen sie einen verletzen können, einen Schnabel, mit dem sie nach dir hacken, ... ich meine, ... das kann richtig wehtun!" Ihre Stimme war immer eindringlicher und höher geworden.

Bei ihren Ausführungen war eine von Simeons Augenbrauen immer weiter nach oben gerutscht. Er schien perplex und einen Moment dachte sie, sie hätte ihn überzeugt. Doch dann schüttelte er den Kopf: „Nun ja, du hast nun mal das Ei gefunden, daran lässt sich nicht rütteln. In dem Moment, in dem der Phönix geschlüpft ist und dich gesehen hat, hat eine Prägung stattgefunden. Du wurdest für den Phönix zum Schlüsselreiz und er wird dir folgen, wohin immer du gehst. Kennst du Konrad Lorenz?"

Bevor Kira verneinen konnte, fuhr er schon fort. "Er war ein Verhaltensforscher, der mit Gänsen gearbeitet und festgestellt hat, dass es bei ihnen einen angeborenen Auslösemechanismus gibt. Denn sieht das Gänsebaby in seinem Leben als Erstes einen Mensch und nicht die Mutter, ist er auf ihn geprägt. In meinem Leben habe ich dies bei Phönixen schon ein paar Mal erlebt. Die Phönixväter waren unsere besten Lichthüter. Was alle anderen in jahrelanger Ausbildung lernen müssen, flog den Phönixvätern sozusagen zu. Zugegebenermaßen gab es ein Phönixmädchen als Hüterin noch nie. Wir werden sehen, ob du dich würdig erweist. Bei einem kannst du dir aber sicher sein: der Feuervogel ist friedliebend. Er wird dir nicht gefährlich werden."

Trotzig hielt sie seinem Blick stand. „Es gibt auch Hundehalter, die darauf schwören, dass ihr Hund brav ist und dann wird man doch von ihm angefallen ..." Mit verschränkten Armen saß sie ihm gegenüber.

Im Schatten des PhönixWo Geschichten leben. Entdecke jetzt