Kapitel 20

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Der Gang war schmal und hoch, an den Wänden waren etwa auf Mannshöhe schummrige Notleuchten angebracht, die alles in zwielichtiges Licht tauchten. Sie liefen hinter Lian her, der mit erstaunlicher Sicherheit in dem unterirdischen Gangsystem hier und dort abbog, Türen öffnete und auf ein nur ihm bekanntes Ziel zusteuerte.

„Ziemlich dunkel und feucht hier unten!", bemerkte Joella.

„Du musst hier ja auch nicht unbedingt übernachten", kam es unwirsch von vorne.

Stumm liefen sie die schummrigen Gänge entlang.

„Hast du eigentlich deine gute Laune im Auto vergessen?", fragte Kira schließlich und legte so viel Missbilligung wie möglich in ihre Stimme.

„Ihr kommt hier schon wieder raus, keine Angst", entgegnete Lian, ohne sich umzudrehen.

Sie liefen hintereinander her, zuvorderst Lian, dann Kira und Joella. Kira fragte sich, wo der Phönix jetzt wohl war. Ob er mittlerweile in Sicherheit war? Was, wenn die Krähendrohne von vornhin ihn entdeckt hatte? Würde er es schaffen, sich gegen eine einzelne zur Wehr zu setzen? Oder war es vielleicht nur eine normale Krähe gewesen und Lian hatte sie hinters Licht geführt? War ihm das zuzutrauen? Sie machte sich schon selbst ganz verrückt mit ihrem nagenden Zweifel.

Der Gang wurde höher und etwas breiter, war jedoch genauso finster und nasskalt wie der vorhergehende. Weiter hinten wurde die Dunkelheit durch einen schwachen Dämmerschein unterbrochen. Kira hatte schon die zaghafte Hoffnung, es sei ein Ausgang, doch dann stellte sich heraus, dass der schwache Schein von einem Lichtschacht herrührte, den die Römer wohlweislich in den unterirdischen Bedienungsgang eingebaut hatten. Begierig sog sie die frische, kühle Abendluft ein und richtete den Blick nach oben, wo am dämmernden Abendhimmel ein einzelner Stern zu ihnen herunterschien. Ihr Unbehagen, hier unten im Labyrinth der gemauerten Gänge festzustecken, wurde beinahe übermächtig.

„Wo willst du eigentlich hin?", fragte sie ihn vorsichtig. Seine dürftige Gesprächsbereitschaft ging ihr auf den Geist. Wenn Joella nicht dabei gewesen wäre, hätte sie wahrscheinlich schon die Fassung verloren. Sie spürte, dass hier etwas gehörig aus dem Ruder lief. Je weiter sie liefen, desto mehr wuchs ihr Misstrauen.

„Wir sind bald da", war seine einsilbige Antwort.

Nach einer geraumen Weile blieb er stehen und machte sich wieder an der Ziegelwand zu schaffen. Eine zweite verborgene Tür mit Code? Wie viele gab es denn noch davon?

„Sag mal, wieso kennst du dich hier so gut aus?", fragte sie Lian schließlich, als er eine weitere Tür öffnete.

Es war, als hätte Lian schon mit dieser Frage gerechnet. „Ferienjob", brummte er. „Putzjob. Immer abends, wenn die Besucher weg sind."

Als würden die Besucher der Therme bei ihrer Besichtigung so weit laufen! Er machte ihr eindeutig etwas vor. „Was es hier zu putzen gibt, ist mir nicht ersichtlich. Die Wände sicher nicht ...", wendete sie ein. Sollte er ihr Misstrauen ruhig merken! Sie wollte, dass er darauf reagierte. Doch Lian zuckte nur mit den Schultern und entgegnete nichts.

„Ich würde gerne das Tageslicht demnächst wieder sehen!", ließ sich da Joella von hinten vernehmen. Ihre Stimme hallte in dem leeren Gang und Kira fühlte sich auf einmal unangenehm an das Wort 'Grabesstille' erinnert.

„Du kannst dich besser orientieren als ich. Versuch, dir den Weg zu merken!", flüsterte sie ihr zu. „Nur für alle Fälle."

Es ging immer weiter, manchmal kreuzten sich Wege, doch Lian bog ohne zu zögern mal rechts, mal links ab. Er schien sich hier unten sehr gut auszukennen. Die Frage war nur, ob dies ein gutes oder schlechtes Zeichen war.

Im Schatten des PhönixWo Geschichten leben. Entdecke jetzt