Der dritte Bruder

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Kapitel 13 - Der dritte Bruder


Alistair


Devon seufzte, als Henry eingeschlafen war.

     »Nathan sollte wirklich den Kopf aus seinem Arsch kriegen«, meinte er und ich warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu.
      »Du kannst ihn nicht zwingen.«
     »Aber ich kann es versuchen«, knurrte er. »Diese Selbstbeherrschung bringt mich noch um.« Diesmal war ich es, der seufzte. Tatsächlich war Selbstbeherrschung noch nie Devons Stärke gewesen, in keiner Lebenslage. Obwohl ich wusste, dass er in der Bibliothek war, spürte ich Nathans inneren Zwiespalt und seine Unsicherheit, was eine sehr ungewohnte Empfindung aus seiner Richtung war.
     »Er badet sich in Selbstmitleid«, beschwerte Devon sich und zeigte demonstrativ auf den ruhig atmenden Henry. »Was soll er denn sagen? Würdest du ihm erlauben, sich zu verkriechen und uns aus dem Weg zu gehen?« Mein Finger strich über seine Stirn und ich dachte darüber nach. Der Tag war ganz und gar nicht so gelaufen, wie wir es sorgfältig geplant hatten. Es war schwer für uns gewesen, vorherzusagen, wie Henry auf das, was wir zu sagen hatten, reagieren würde, aber es hatte durchaus die Möglichkeit bestanden, dass er uns mit Ablehnung oder Angst begegnen würde. Auf der anderen Seite war er unser Gefährte, das Puzzlestück, das unser Puzzle vervollständigte. Seine Magie hatte unsere als das erkannt, was wir füreinander waren. Ein unterirdischer Teil von ihm, hatte von Anfang an gewusst, was und wer wir waren. Vielleicht war das ein Grund, warum es ihm gelungen war, verhältnismäßig ruhig auf unsere Enthüllungen zu reagieren?
     »Was sollen wir wegen Aldwyn unternehmen?«, wechselte ich das Thema. Ich spürte die Wut von Devon auf mich überschwappen.
     »Dieses widerliche Arschloch. Wenn wir nicht in der Nähe gewesen wären ....« Ich nickte.
     »Ich verabscheue Gewalt«, sprach ich laut aus, obwohl mein Bruder besser wusste als jeder andere, wie sehr das der Wahrheit entsprach. Während meines langen Lebens hatte ich mehr Jahre des Krieges als des Friedens erlebt und hatte in zu vielen Schlachten gekämpft. Gewalt gegen unsere eigene Art widerstrebte mir mit jeder Faser meines Körpers. Aber ich war einer der Alphas dieses Rudels und wir würden alles Notwendige tun, um unsere Leute zu schützen.
     »Ich weiß«, murmelte Devon. »Und wir haben sie vermieden. Wir sind ans andere Ende des Landes gezogen, verdammt. Ich weiß nicht was für ein Problem er hat, aber es wird sich nicht mit Reden beilegen lassen. Er hat uns auf unserem Territorium angegriffen, Al! Das ist eine offene Kriegserklärung.«
     »Die wenigsten von uns haben jemals wirklich gekämpft«, antwortete ich und dachte an unsere Freunde, die sich überall im Staat niedergelassen hatten, teilweise mit ihren Familien. »Ich möchte sie nicht unnötig in Gefahr bringen.«
     »Was ist die Alternative?«, wollte er wissen. »Wieder davonlaufen?«
     »Sind unser Stolz und unsere Leben hier wirklich weniger Wert als das Leben anderer Wölfe?« Devon schnaubte.
     »Kein Grund, in die Philosophie abzudriften. Was ist mit Henry? Wir können ihn nicht einfach einpacken und ihn zwingen, das Land zu verlassen.« Als hätte er seinen Namen gehört, räkelte er sich in dem Moment auf meinem Schoß und grunzte leise. Seine Augen zuckten.
     »Er hat viel zu verarbeiten. Du hast recht, wir können ihn nicht einfach entwurzeln, nicht so. Trotzdem sollten wir keinen Krieg beginnen, der Leben zerstört.«
     »Lass uns die anderen fragen, lass sie uns herrufen. Wir haben noch mindestens zehn Jahre hier, bevor wir weiterziehen müssen, sie haben sich hier auch niedergelassen. Lass sie uns fragen, was sie wollen.« Das mochte nicht der klassische Weg eines Alphas sein, aber der Vorschlag gefiel mir. Wenn wir dem Rudel sagen würden, dass wir umziehen würden, würden sie es tun. Wenn wir ihnen sagen würden, sie müssten kämpfen, würden sie es tun. Doch genau wie die allgemeine Weltgemeinschaft, hatten wir im Laufe der Zeit erkannt, dass Demokraten manchmal weiterkamen als Monarchen und Faschisten.
     »Das finde ich gut«, nickte ich und blickte meinen Bruder dankbar an. Wir mochten nicht immer auf den ersten Blick zueinander passen, aber wir ergänzten uns perfekt.
     »Und bis wir einen Plan haben, wird Henry nicht aus den Augen gelassen«, knurrte er. Ich seufzte.
     »Sie können unmöglich wissen, wer er ist. Ich denke nicht, dass er in Gefahr ist.«
     »Tut mir leid, aber ich werde kein Risiko eingehen, nicht bei ihm.« Ich zuckte mit den Schultern.
     »Okay, aber wir dürfen ihn nicht erdrücken. Für ihn ist das alles neu, es ist einfach Vorsicht geboten bei ihm.«
     »Er ist aber auch nicht aus Zucker, Al. Zumindest nicht im buchstäblichen Sinne. Er wird sich an uns gewöhnen.« Er lächelte und ich spürte, wie sich seine Stimmung veränderte. Ich lachte leise.
     »Na komm, ich bring ihn mal ins Bett, damit er sich gescheit ausschlafen kann.« Sanft schob er Henrys Füße von seinem Schoß und erhob sich. Er musste wirklich sehr tief schlafen, denn er wurde nicht wach, als Devon die Arme unter ihn schob und ihn hochhob.
     »Lass ihn schlafen«, mahnte ich und bekam nur ein verschmitztes Grinsen als Antwort.
     »Ja ja.«

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