1. Mai 1998 (Teil 3)

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There is something at work in my soul, which I do not understand. - Mary Shelley

1. Mai 1998

Ich fische meinen Zauberstab aus dem Schrotthaufen in der Ecke, stecke ihn in die hintere Hosentasche meiner Jeans und folge meiner Mutter aus dem Zimmer. Wir steigen hintereinander die schmale Treppe hinunter und gehen an der Sprüchewand, auf die sie so stolz ist, vorbei. Ein breites Blechschild mit der verschnörkelten Aufschrift 'Du bist dort zuhause, wo sich dein Herz daheim fühlt' dominiert die Wand. Unwillkürlich muss ich an Nurmengard und Gellerts gebieterische zweifarbige Augen denken.

Ich schüttle den Kopf wie um den Gedanken zu vertreiben und konzentriere mich nur auf das Geräusch der schweren Schritte meines Vaters in der Küche.

„Hab uns Pizza in den Ofen gestellt, Elenora!", poltert seine Stimme, dicht gefolgt von dem lauten Klappern von Geschirr. „Holst du die Kleine runter?"

„Wir kommen!", ruft meine Mutter heiser zurück.

Vor der Küchentür beugt sie sich zu mir runter. „Versuch zu lächeln, Grey", flüstert sie. „Dein Vater mag es nicht zeigen, aber er macht sich unglaubliche Sorgen um dich."

Ich nicke stumm. Ein Gefühl des Schwindels droht, mich zu übermannen und ich stütze mich an der sandfarbenen Wand ab. Dieses Versprechen werde ich nicht einhalten können, denn das Lächeln ist mir im letzten Jahr fremder denn je geworden.

Mit einem letzten Blick zu mir öffnet die junge Frau die Tür. Wie alle anderen Räume im Haus ist die Küche klein, aber gemütlich eingerichtet. Vor meinen Augen dreht sich alles und die hellgrünen Wände vermengen sich mit den in schlichtem weiß gehaltenen Möbeln. Tagsüber ist der Raum wegen der bodentiefen Fenster von hellem Tageslicht durchflutet, doch nun vertreibt bloß das gelbliche Licht einer Lampe, die über dem Tisch in der Mitte des Raumes hängt, die willkommene Finsternis der Nacht.

Mein Vater steht im blau-weiß karierten Hemd vor der schmalen Spüle und seine braunen Haare bauschen sich noch widerspenstiger auf als üblich. Als wir reinkommen, wendet er sich schnell von dem schmutzigen Geschirr ab und grinst in meine Richtung. „Ah, Grey, meine Liebe, hattest du heute einen schönen Tag?"

Ich schließe die Augen, atme tief durch und setze mich auf einen der drei gepolsterten Hochstuhl am runden Küchentisch.

Als ich nicht auf ihn reagiere, fährt mein Vater mit der Handfläche über sein unrasiertes Kinn und schaut unsicher zu meiner Mutter. „Ich meine... geht es dir schon besser, Grey?"

„Wir müssen von hier verschwinden", murmle ich.

„Grey!", sagt Mutter mahnend.

„Wovon sprichst du, Grey?", fragt mein Vater und runzelt die Stirn.

„Die Zaubererwelt ist in... einer Krise", erkläre ich und blicke hinab auf meine hageren Finger. „Morgen früh muss ich zurück in Hogwarts sein und—"

„Du gehst niemals in diese Schule zurück", entgegnet mein Vater. „Sieh doch, was sie mit dir angestellt haben!"

Meine Mutter geht um den runden Küchentisch herum und legt einen Arm um die Schultern ihres Mannes. „Hör ihr zu, Olliver."

Ich atme tief durch und versuche meine Gedanken zu ordnen. „Ich weiß nicht, was Gellert plant, aber sollte er meine Identität verraten haben, werden die Todesser — das sind Verbrecher — hinter mir her sein. Deswegen müssen wir von hier weg und zu... Verbündeten... um zu sehen, ob sie uns aufnehmen."

Es herrscht Schweigen. Meine Mutter hält meinen Vater umklammert und tauscht einen verwirrten Blick mit ihm aus.

„Es sind Verbrecher hinter dir her?", wiederholt er mit matter Stimme. „Und das sagst du uns jetzt?"

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 20, 2023 ⏰

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Gellerts VictoriaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt