Wo der Pfeffer wächst

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"Tajra!" Der helle Ruf zeriss erneut die morgendliche Stille.

Ich drehte mich um und sah Basima, die mit erröteten Wangen und kleinen flinken Trippelschritten zum Brunnen geeilt kam. Sie hatte sogar ihr Kleid ein Stück nach oben gerafft, damit sie schneller vorankam "Kind, es ist furchtbar!", rief sie aufgeregt. Ich hatte das Gefühl, die offenbar schlechten Neuigkeiten, wollten gleich aus ihr heraussprudeln, wie das Wasser aus dem alten Brunnen auf dem Marktplatz, bei dem das frische Trinkwasser aus den aufgerissenen Mäulern langgezogener Fischköpfe sprudelte, doch Basima japste nur noch kläglich und öffnete ihren Mund wie ein Goldfisch auf dem Trockenen um nach Luft zu schnappen, als sie mich schließlich erreichte.

Ich legte ihr die Hand auf die Schulter und atmete tief ein und aus, wie als könnte ich sie damit unterstützen, wieder zu Atem zu kommen.

Basima war eher rundlich gebaut und strahlte stets eine gewisse Ruhe und Gemütlichkeit aus, sie arbeitete zwar hart und stand an Markttagen den ganzen Tag an ihrem Marktstand, wo sie Kräuter und Gewürze und daraus hergestellten Tee und Salben verkaufte, aber rennen hatte ich sie vorher noch nie gesehen und ich wette, es war schon Jahre her, dass sie so schnell gelaufen war.

Ich sah Basima, die wie eine liebe Tante für mich war, mitfühlend an, da ich sah, wie aufgebracht sie war, musste etwas Schreckliches passiert sein.

"Geht es wieder?", fragte ich vorsichtig. Basima, die mit nach vorn gebeugtem Oberkörper, da gestanden hatte, erhob sich nun leicht und ein spitzbübisches Lächeln huschte über ihr rundliches Gesicht. "Kindchen, so alt bin ich nun auch wieder nicht!", behauptetet sie und wurde anschließend gleich wieder ernst. "Aber es ist furchtbar! Die Prinzen haben Geburtstag!", fing sie nun wieder an zu klagen.

Ich war total perplex. Die Prinzen hatte doch jedes Jahr Geburtstag und damit hatten weder Basima noch wir bisher je etwas zu tun gehabt. "Sag bloß, sie haben dich eingeladen", witzelte ich deshalb und piekte sie mit meinem Finger leicht in die Seite, auch wenn es nur Spaß war, da ich wusste, dass hinter Basimas Aufgregung etwas anderes stecken musste.

"Ach Kind, lass den Quatsch! Was soll ich altes Weib, denn da? Wenn dann hätten sie schon dich einladen müssen!", spielte sie den Ball nun zu mir zurück und knuffte mich ebenfalls am Arm.

"Aber es ist wirklich furchtbar! Die Händler aus den Oasen bringen keinen Pfeffer mehr mit!"

Ah, da steckte die Spitze des Dolches.

"Warum liefern sie keinen mehr?", fragte ich, weil ich noch nicht ganz in der Lage war, eins und eins zusammen zu zählen.

"Na wegen den Prinzen, Kindchen! Zur Vorbereitung der großen Festlichkeiten bringen sie nur noch Datteln, Granatäpfel, Früchte und Oliven und das bergeweise! Aber keiner liefert mehr Pfeffer! Was soll ich nur an meinem Stand verkaufen? Ich kann doch keine Heilsalbe aus Granatäpfeln und Oliven herstellen!?" Basima riss die Arme nach oben als erwartete sie von oben göttliche Hilfe.

"Warum eigentlich nicht?", murmelte ich schulterzuckend und merkte gar nicht, dass ich es laut gesagt hatte.

Basima sah mich entrüstet an.

"Olivenöl ist auf jeden Fall gut für Haut und Haare, und Granatapfel soll sogar gegen Falten helfen. Ich habe das auf dem großen Basar in Theharat gesehen! Die Frauen dort waren alle verrückt danach", erzählte ich ihr und erinnerte mich noch lebhaft daran, wie ich damals mit Raed, Halim und meinem Vater den großen Basar besucht hatte. Die ganzen Farben, Düfte und die vielen Menschen...ich hatte alles noch genau in Erinnerung.

"Wirklich?" Basima sah mich an und ich sah wie ihre grünen Augen blitzten.

"Na, wenn ich es dir doch sage, Tantchen! Geh und Versuch dein Glück! Ich habe noch keine Falten und Geld habe ich auch nicht viel, wenn ich beides hätte, würde ich dir auch was abkaufen", lachte ich und zwinkerte ihr aufmunternd zu.

Dann wurde ich ernst. "Aber was wird mit Mutter?", fragte ich leise.

"Ah, ich sage es ja! Ein Unglück!", seufzte Basima und sah dabei genauso unglücklich aus, wie ich mich fühlte.

Basima stellte nun schon seit Jahren aus Pfeffer und Golddisteln Salben her, die prima bei Muskelbeschwerden halfen und Mutter wenigstens etwas Linderung beschafften. Ich war seit Vaters Tod ihre beste Kundin.

"Wann sind denn diese Festlichkeiten?", fragte ich sie und sah sie hoffnungsvoll an, vielleicht war ja in wenigen Tagen alles wieder beim Alten.

"In 11 Tagen", antwortete Basima.

"11 Tage ohne Salbe...", das würde schwierig werden für meine Mutter.

"Wo könnte denn noch Pfeffer wachsen?", fragte ich und sah mein liebes Tantchen hoffnungsvoll an.

Doch Basima schüttelte betrübt den Kopf. "Ach Kind, hier ist es überall zu trocken, Golddisteln kannst du finden, aber Pfeffer wächst nur auf feuchtem, humusreichen Boden, also wenn hier Pfeffer wächst, dann höchstens in den Gärten des Sultans. Deswegen brauchen Sie im Palast wahrscheinlich auch keinen zusätzlichen von außerhalb."

In den Gärten des Sultans?

Na toll, ich würde wirklich gern dahin gehen, wo der Pfeffer wächst, aber in die Gärten des Sultans? Da hätte der Pfeffer genauso gut am anderen Ende der Welt wachsen können, denn die Gärten des Sultans waren für ein einfaches Mädchen wie mich unerreichbar.


Der Wunschfisch - Eine Geschichte aus 1001 NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt