Papageienprinzen

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Als ich mit dem Wasser heimkam, traf mich Raeds verärgerter Blick.

„Was hat denn beim Wasserholen so lange gedauert?", fragte er dann auch gleich, als wir alle gemeinsam beim Frühstück saßen.

Pah. Ich verzog das Gesicht, während ich mir einen Löffel Hirsebrei in den Mund schob. An seinen zerzausten Haaren erkannte ich ganz genau, dass er erst kurz zuvor aus dem Bett gekrabbelt sein musste; der Abdruck seines Kissens prangte noch auf seiner Wange.

Da Mutter mit am Tisch saß, schluckte ich meinen Groll hinunter, um keinen Streit anzufangen. „Ich habe Basima getroffen", antwortete ich nur. Raed verdrehte die Augen. Er hielt sie für ein Klatschweib. Mutters Gesicht erhellte sich, trotz der Schmerzen, die sie auch heute wieder hatte. „Wie geht es ihr?", erkundigte sie sich auch gleich bei mir.

„Sie ist aufgeregt wegen des Geburtstags der Prinzen." Von ihren Sorgen und davon, dass es keinen Pfeffer zu kaufen gab, erzählte ich lieber nichts.

Halim schmatzte wie ein Kamel und fragte noch mit Brei im Mund: „Was hat sie denn mit dem Geburtstag der Prinzen zu tun?" Oh beim Horn der Ziege, konnte er nicht einfach weiter seinen Brei futtern? Gern hätte ich ihm unter dem Tisch getreten, aber ich selbst hatte Basima am Brunnen ja die gleiche Frage gestellt.

„Ach, ihr kennt sie doch, wenn es um die Prinzen geht", antworte ich ausweichend und Raed sprang zum Glück sofort auf den Karren auf, denn er stürzte sich nun direkt auf sein Lieblingsthema: die Zwillingssöhne des Sultans. Er hielt von Ihnen so viel wie von zwei Edelpapageien: prachtvoll anzusehen, aber zu nichts zu gebrauchen und quatschen nur nach, was sie von ihrem Vater und am Hofe gehört hatten.

Raed war der Einzige, den ich kannte, der nicht zwischen den Prinzen unterschied. Die meisten mochten zumindest einen der beiden. Nun, in dem Punkt hielt ich es ähnlich wie Raed: die Prinzen waren mir beide einerlei.

„Prinz Qamar hat ein gutes Herz", sagte dann auch prompt meine Mutter. „Aber vor Prinz Yurab sollte man sich in Acht nehmen."

Halim nickte. „Hoffen wir, dass Qamar der Nachfolger des Padischah Munsif wird", pflichtete er bei und schob sich einen weiteren Löffel in den Mund.

Mutter verschluckte sich und hustete. Hastig klopfte ich ihr auf den Rücken. „Red nicht so von unserem Padischah! Das bringt Unglück!", wies sie Halim zurecht, als sie wieder Luft bekam.

Halim nickte betreten, doch Raed polterte: „Ach, die wissen doch gar nicht, was Unglück bedeutet in Ihrem Palast so weiß wie Zucker und so golden wie ein Papageinkäfig!"

Mutter warf ihm einen tadelnden Blick zu. Ihre Züge waren blass. Das Essen hatte sie angestrengt, dabei war ihre Schüssel noch halb voll. „Euer Vater hat stets von ganzen Herzen und mit vollem Eifer dem Sultan gedient und das solltet ihr auch tun." Sie stützte sich am Tisch ab und erhob sich mühsam.

Raed sah unter den Tisch zu seinen nackten Füßen. Bis letztes Jahr hatte er es jedes Jahr vergeblich versucht, sich im Sultanspalast als Palastwache zu bewerben, wurde aber stets abgelehnt. Sie bevorzugten für die Stellen im Palast Bewerber aus reichen Familien und die einfachen Tätigkeiten wurden von dunkelhäutigen Sklaven aus den Ländern jenseits der großen Wüste erledigt. „Reich müsste man sein", sagte Raed daher oft, meist wenn er dachte, dass niemand ihn hörte. Er meinte sogar, die Sklaven hätten es besser als wir, denn wenn sie ihre Arbeit gut machten, stiegen sie im Ansehen ihres Herren und konnten es zu etwas bringen. Wir aber würden ewig im Dreck leben.

Mich ärgerten seine Reden. Ich hielt die Hütte sauber, wir litten nur selten Hunger und wir waren frei zu gehen, wohin wir wollten und uns der Tag führte. Ein Leben hinter dicken Palastmauern wäre nichts für mich.

Ich führte Mutter in ihr Zimmer und sammelte anschließend die Wäsche ein. Gegen einen Besuch im Waschhaus konnte Raed nichts einwenden, und ich konnte es kaum erwarten, rauszukommen und mich bei den Markthändlern wegen des Pfeffers umzuhören.

Der Wunschfisch - Eine Geschichte aus 1001 NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt