Einst herrschten fünf große Drachenclans im Reich der Drachen. Jeder herrschte über einen Bereich und es herrschte Frieden zwischen den Königshäusern. Das Land erblühte und das Volk war zufrieden. Doch dieser Friede wurde gestört. Ein dunkler Magier sprach einen unaussprechlichen Fluch aus, um diesen zu zerstören.
An dem Tag, an dem die Erstgeborenen das fünfundzwanzigste Lebensjahr erfüllen und den Thron besteigen, soll die Dynastie fallen und Krankheit und Verderben diese heimsuchen.
Der Magier durchbrach damit eine jahrhundertelange Tradition, denn die Erstgeborenen sollten an ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag die Krone erben und ihre Eltern ablösen. Drei der erstgeborenen Prinzen und Prinzessinnen verzichteten zum Wohle des Volkes und ihrer Familie, dankten noch zuvor ab. Zwei wollten ihr Schicksal jedoch nicht durch einen Fremden bestimmen lassen.
Die Familien sahen keine Wahl, als sich auf schmerzliche Weise von diesen zu trennen. Sie schickten diese ins Exil, in ein Gebiet, auf das keine Rassen Anspruch hatte – eine neutrale Zone zwischen den verschiedenen Reichen. Ihre direkten Nachbarn waren die Werwölfe, die ihr Bedauern aussprachen. So schickte das Königspaar ihren erstgeborenen Sohn als Geschenk in das Reich der Drachen. Dieser trug ein dunkles Geheimnis in sich, das sie unter dem Deckmantel einer Hochzeit verschleiern wollten. Nur ist dieser niemals angekommen. Auf der Reise wurde die Kolonne überfallen.
Was ist geschehen? Wo sind die drei Prinzen? Niemand ahnte, was wirklich passiert war.
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Talion öffnete die Augen und atmete tief ein. Er schaute an die steinerne Decke, die ihn wie jeden Morgen begrüßte. Langsam setzte er sich auf und rieb sich über das Gesicht. Er schlug seine schwarze Bettwäsche zurück und stand auf, um sich in den Waschraum zu begeben.
Nachdem er sich fertig gewaschen hatte, schaute er in den Spiegel, wie er es jeden Morgen tat. Ihm blickte ein ernstes Gesicht mit saphirblauen Augen entgegen, die er hasste. Seine dunkle Haut und schulterlangen Haare glänzte im Licht, das durch das kleine Fenster drang. Nach einem letzten Blick verließ er den Waschraum und zog sich an. Ein graue Hose und ein dunkelrotes Oberteil schmiegten sich an seinen Körper, bevor er sich die Schuhe anzog.
Er verließ das Zimmer und begegnet Cyran, der gerade mit verschlafenem Gesicht aus seinem Raum lief. Er hatte nur eine schwarze Hose an, sein Oberkörper war frei. Im Gegensatz zu Talion hatte er helle Haut und platinblonde Haare. Seine Augen erstrahlten smaragdgrün und leuchteten im Licht. Er war etwas kleiner als Talion, der gut 1,85 m groß war.
„Zieh dir etwas an, Cy", sagte er und lief an diesem vorbei.
„Komm schon Griesgram, lass deine Morgenlaune nicht an mir aus", erwiderte dieser und gähnte. Dennoch drehte er um und zog sich ein hellblaues Oberteil an.
Die beiden liefen die Gänge der kleinen Burg entlang zum Speisesaal. Neben den beiden gab es nur fünf weitere Angestellte, die ihnen aus Treue gefolgt waren. Die beiden waren die Herren der Burg und packten wie die Angestellten an. Sie holten Holz, gingen auf die Jagd und leisteten zahlreiche körperliche Arbeiten. Das waren sie am Anfang nicht gewohnt gewesen, doch ihr Egoismus hatte ihnen schon einmal einen Strich durch die Rechnung gemacht. Diesen Fehler würden sie kein zweites Mal begehen.
Alle sieben saßen an einem Tisch, es gab keine Rangfolge mehr. Es herrschte ein freundschaftliches Verhältnis zwischen allen, auch wenn die Angestellten nach wie vor Ehrfurcht und Respekt zeigten.
„Ich habe etwas gesehen", sagte Cyran und Talion hörte auf zu essen.
Wenn Cyran etwas „sah", bedeutete es, dass ihm in den Träumen etwas erschienen war – eine besondere Fähigkeit, die dieser besaß. Dies lag an seinem Blut. Niemand in seiner Familie hatte diese Fähigkeit noch geerbt. Ihr Pech, Cyran einfach zu verstoßen, das haben sie nun davon.
Talion wartete darauf, dass er ihm sagte, was es gewesen war.
Der Blonde schaute auf den Tisch und wurde ernst. „Wenn die Sonne im Zenit steht, erblüht die Rose und bringt Licht in die Dunkelheit. Eine weiße und schwarze Blume öffnen sich und wachsen mit dieser umschlugen in den Himmel." Cyran schwieg danach.
Diese Vorhersage konnte alles bedeuten, doch gab es leider ein Detail, das ihnen Sorgen breitete – die Farben schwarz und weiß. Sie standen für sie beide und das wussten sie, denn es war bei der letzten ebenfalls gewesen.
Wenn eine Blüte sich öffnet, dann heißt es, sie erwacht. Inwiefern sollten die beiden erwachen? Was hatte die Rose zu bedeuten? „Wir sollten heute einen Ausflug machen", sagte Talion und sein Freund nickte.
Zwischen Talion und Cyran bestand eine besondere Verbindung, die tiefer ging als das Band zwischen Brüdern. Sie teilten dasselbe Schicksal, dasselbe Leid und dieselben Ideale. Zwischen ihnen hatte es nie Neid oder Eifersucht gegeben – weshalb wussten sie nicht. Sie hatten schon bei ihrer ersten Begegnung gewusst, dass sie zusammenbleiben sollten und sich entschlossen, gemeinsam auf der Burg zu leben. Beide teilten auch dieselbe Sehnsucht – die Sehnsucht nach einer Gefährtin.
Nachdem sie gegessen und aufgeräumt hatten, begaben sich beide nach draußen. Cyran betrachtete seinen besten Freund, der seine Magie aufwallen ließ. Seine Haut begann zu leuchten und schwarze Schuppen brachen aus seiner Haut. Sein Körper verformte sich und ein schwarzer schuppiger Schwanz, sowie eine Schnauze, Hörner und Krallen wuchsen aus dem Körper des Schwarzhaarigen. Der etwa drei Meter große und vier Meter lange schwarze Drache streckte sich und entfaltete seine anmutigen Flügel.
Es war jedes Mal faszinierend Talion so zu sehen, denn er war wunderschön. Dann wollen wir mal, dachte Cyran und ließ die Schultern kreisen. Er rief seine eigene Drachengestallt an die Oberfläche. Weiße Schuppen bedeckten seine Haut und Flügel sprossen aus seinem Rücken.
Als der weiße Drache seine vollständige Gestalt angenommen hatte, streckte sich dieser einmal und entfaltete ebenfalls seine weißen Schwingen. Aufgrund ihrer Herkunft waren sie größer als die anderen Angehörigen des Drachenvolkes und hatten auch stärkere magische Fähigkeiten.
Lass uns im östlichen Teil beginnen, Tal, hörte der schwarze Drache Cyrans Stimme in seinem Kopf. Drachen kommunizierten in Drachengestalt mit Gedanken. Dies ging aber nur, wenn sie eine gewisse Distanz nicht überschritten.
Talion nickte nur und stieß sich vom Boden ab, um sich in die Luft zu erheben. Der weiße Drache folgte ihm und gemeinsam flogen sie über den östlichen Teil der neutralen Zone, in der sie lebten.
Sie suchten mehrere Stunden die Gegend ab und die Sonne wanderte immer höher, bald würde sie im Zenit stehen. Als sie schon glaubten, nichts zu finden, nahm Cyran mit seinen scharfen Augen in der Ferne etwas wahr. Er flog darauf zu und sein Freund folgte ihm. Tal. Dort hinten.
Der schwarze Drache schaute in die Richtung, in der sein Freund flog und sah es ebenfalls. Es war eine kleine Kolonne, die auf einer Straße in Richtung des Drachenreichs flog. Gemeinsam steuerten sie darauf zu. Die Kolonne kam ihnen seltsam vor, denn sie waren schwer bewaffnet und wachsam, fast schon nervös. In der Mitte der vier Karren war einer ohne Fenster und einem Schloss und Ketten darum.
Halten sie dort jemanden fest? Transportieren sie einen Gefangenen? Talion war sich unsicher. Vielleicht sollten sie abdrehen, doch Cyran hielt ihn davon ab. Tal, ich weiß nicht warum, doch wir müssen herausfinden, was in dem Wagen ist. Er hörte die Unsicherheit in dessen Stimme, doch wenn Cyran eine Ahnung hatte, würde er es nicht ignorieren. Er vertraute im bedingungslos und nickte, also steuerten sie darauf zu.
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Schwarz-weißes Herz
Short StoryZwei Prinzen Talion und Cyran des Drachenreichs befinden sich aufgrund einer Prophezeiung im Exil. Eines Nachts empfängt Talion eine Vorahnung und sie begeben sich auf einen Ausflug. Auf diesem Weg begegnen sie einem Straßenzug, der etwas Wichtiges...