XI

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Um mich herum war es dunkel. Es stank nach Tod, nach Verwesung.

Langsam setzte ich einen Fuß vor den anderen, hielt meine MP5 direkt vor mir. Mein Fuß berührte etwas am Boden und ich tastete danach. Es war nicht hart wie Zement sondern weich.

Der Körper eines Kameraden.

Mein Herz schlug mir bis zum Hals, meine Atmung ging schnell. Irgendwo in all der Dunkelheit erschien ein Licht, spärlich. Ich lief darauf zu, es war meine einzige Hoffnung. In der Ferne fielen Schüsse und ich zog den Kopf ein, bewegte mich schneller, konzentrierte mich...

Und da war sie dann. Die Frau mit den Augen eines verängstigten Rehs. Sie hatte nichts mit mir, der Mission oder den Bomben und Schüssen zutun, das wusste ich... Aber die Angst sie würde mich, meine Position verraten - mich dem Feind ausliefern - ließ mich hektisch, fast schon panisch werden.

Egal was ich sagte oder tat - sie schrie. Sie hatte Angst vor mir, vor dem Mann mit der tödlichen Waffe, vor dem was passieren würde - und das zu recht. Ehe ich mich versah kniete ich vor ihr, doch anstelle ihr einfach den Mund zu zu halten stach ich zu. Es geschah so schnell.
Mit weit aufgerissenen Augen sah sie mich an und ich hielt sie während das Leben langsam aus ihrem Körper glitt.

Und plötzlich verschwand auch das spärliche Licht für wenige Sekunden. Als es wieder aufglimmte war die Frau in meinen Armen jemand anderes.

Amy...

°

Ruckartig fuhr ich im Bett hoch, ich war Schweiß gebadet. Ich sah mich um, suchte nach den Trümmern von Gebäuden, nach Leichen meiner Kameraden... Nach der Frau. Doch nichts von alledem war hier. Ich war alleine - in meinem Bett, zuhause. Ich musste mehrmals blinzeln um es zu realisieren - es war nur ein Traum.
Gleichzeitig war es soviel mehr als das - es war eine Reise in eine Zeit, die ich noch immer nicht überwunden hatte. Die Erinnerungen daran hatte ich lange Zeit verdrängt, von mir geschoben und zum Teil irgendwie vergessen, bis sie sich wieder einen Weg durch meinen Kopf bahnen konnten - ausgelöst durch das, was ich in der Drogenabsteige erlebt hatte. Was ich durch das Gewicht der Waffe in meiner Hand gespürt hatte.

Noch immer raste mein Herz und es schien sich auch nicht beruhigen zu wollen, egal wie angestrengt ich es anstrebte. Nichts half, also stand ich schließlich auf.

Schwach schien der Mond in mein Apartment, beleuchtete meinen Körper in der Dusche schwach. Mit gesenktem Kopf stützte ich mich an den Fliesen ab, die Augen weit aufgerissen.

Ich hatte vergessen wie es war, wie es sich anfühlte. Wie verloren ich in dem Moment war, als der leblose Körper der Frau aus meinen Armen glitt. Seither konnte ich Berührungen nicht mehr ertragen, ich war einfach nicht mehr der selbe. Es hatte mich verändert, mich fast komplett zerstört.

Tränen füllten meine Augen, liefen ungehindert. Was ich getan hatte, war... Ich konnte es nicht beschreiben. Ich... Etwas in mir war zerbrochen bei dem Anblick all der Toten, sodass ich nichts anderes wollte als zu überleben. Die einzige die daran in diesem Moment etwas ändern konnte war die Frau, die für mich keine Gefahr war - nicht wirklich - aber die durch meine Hand sterben musste.

Ich war feige und diese Erkenntnis machte mich taub, ließ mich nichts mehr wirklich fühlen oder wahrnehmen.

°

Ich ging nicht zum Campus. Ich schaffte es nicht. Die Leitung wusste das ich krank war, sonst war niemand in Kenntnis wieso ich nicht auftauchte. Alle Anrufe die ankamen, unter anderem von Enya aber auch von Amy ließ ich unbeantwortet auf die Mailbox gehen.

In meinem Zustand konnte ich niemandem gegenüber treten und ich brauchte die Zeit für mich, um mich wieder aufzurichten. Erst dann... Würde ich es schaffen wieder zur Arbeit zu erscheinen. Erst dann würde die Maske der Teilnahmslosigkeit an ihren Platz rücken. Erst dann konnte ich wieder verdrängen, was sich tief in meine Seele gebohrt hatte.

Aurelio Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt