"Das Shooting" - Part 1

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Selten war ich so wütend auf einen Menschen, wie jetzt gerade. Doch genau in dem Moment, als ich losstürmen und dem Typen mit ausgestreckter Faust ins Gesicht springen wollte, hielten mich Ahri und Alice fest. "Jisung, warte!" - "Was denn?!", fragte ich genervt und drehte mich um. Während Alice mich ansah, wie ein verschrecktes Kaninchen, sagte Ahri etwas ruhiger: "Das hier ist ein Job. Du solltest Minho keinen Stress machen.". Ich hielt kurz inne und dachte nach. Verdammt, sie hatte recht. Würde ich hier eine Schlägerei anzetteln - was ich mich sowieso niemals trauen würde - wäre der Ruf des Labels gefährdet. Im schlimmsten Fall wäre Minho sauer auf mich und das war das Letzte, was ich wollte. Aber der Typ machte mich rasend! Ein anderer Plan musste her. "Was soll ich denn tun? Ich lasse bestimmt nicht zu, dass dieser ekelhafte Kerl Minho angrabscht!", sagte ich noch immer wütend. Ich grübelte und grübelte, während ich mich entnervt auf einen der Stühle fallen ließ. "Du musst es hinkriegen, ihm klarzumachen, dass Minho dir gehört, ohne dich bei allen anderen Menschen unbeliebt zu machen.", flüsterte meine beste Freundin mir zu. Alice rückte ebenfalls mit einem Stuhl näher an uns heran und wir steckten unsere Köpfe zusammen, wie drei Kinder, die etwas ausheckten. "Wie wäre es, wenn du ihn wütend machst? Wenn er fies wird, wird dein Verlobter ihn doch wohl kaum mögen, oder?", fragte Alice. Die Idee war nicht schlecht. "Du solltest dich einfach von Minho vor allen durchnehmen lassen, dann ist alles geklärt.", sagte Ahri mit einem dreckigen Lächeln. Diese Idee war mehr als schlecht. "Ahri, bitte. Es ist ernst." - "Sorry, ich wollte nur witzig sein..", sagte sie und ich hinterfragte kurz, ob sie nicht noch mehr Hintergedanken hatte. Gut, ich würde also dafür sorgen, dass der Typ sauer auf mich ist und dann wird sich das bestimmt von allein klären.


Aus der Küche holte ich kurzerhand zwei Tassen Kaffee, mit denen ich zu Minho und Star herüberlief. Genau im richtigen Moment hing er sein Jackett über die Lehne eines Stuhls. Mit einem lauten Klappern eilte ich mit den vollen Tassen quer durch den Raum und wunderte mich selbst etwas darüber, wieso ich nicht schon auf dem Weg rüber gekleckert hatte. Okay, ich war bereit. Ich war noch gut fünf Meter entfernt, da sah - oder besser: hörte - Minho mich mit dem wohl lautesten Geschirr der Welt kommen. Ich warf ihm mein schönstes Lächeln zu und er machte schon einen kleinen Schritt nach hinten, weil er mit nichts Gutem rechnete. Vorsichtig stellte ich ihm seine Tasse hin und er atmete beruhigt aus. Showtime! Ich suchte mit meinem Fuß schnell nach dem Tischbein, an dem ich absichtlich hängenblieb und stolperte, sodass die Tasse in einem hohen Bogen nach oben wirbelte und mit einem lauten Knall auf dem Boden zersprang. Punktlandung! Der Kaffee verteilte sich überall auf dem dunkelblauen Stoff des Jacketts. "Jisung, alles in Ordnung?!", erkundigte sich mein Verlobter schnell bei mir. "Oh nein! Das tut mir soo leid!! Dein schönes Jackett!", sagte ich, während ich Star einen gespielt mitleidigen Blick zuwarf. Ich machte mich gefasst, dass er mich gleich anschreien würde, doch dann folgte ein: "Kein Problem, ist nicht meins. Aber vielleicht solltest du mal schnell die Scherben hier auffegen.". Das konnte nicht wahr sein! Anscheinend hatte er ein fremdes Jackett über den Stuhl gehängt. Wie viel Pech konnte man denn haben? Während ich mich darüber ärgerte, wandte sich der Schleimer wieder Minho zu und tat so, als wäre er brennend am Label interessiert: "Wie kamen Sie denn dazu, das Label zu gründen? Ich bin ja ein riesen Fan Ihrer Arbeit!". Ich hätte mich am liebsten direkt auf seinen schlecht gefälschten Designerschuhen übergeben. Stattdessen musste ich aber los, um Handfeger und Kehrblech zu holen.


Nachdenklich beseitigte ich die Scherben meines gescheiterten Plans und überlegte, was ich nun tun sollte. Ich lauschte aufmerksam dem Gespräch, was sich zwischen Minho und Star ereignete. Egal, was Star sagte, ich hasste jedes seiner Worte. Er gab damit an, für welche Marken er bereits gemodelt habe und ich verdrehte meine Augen, denn ich hasste Angeber einfach total. "Für wen hast du denn schon Modell gestanden?", fragte er mich von oben herab und versuchte somit, mich als unbedeutend darzustellen. "Ich habe noch nie gemodelt.", sagte ich leise und wollte gerade zum nächsten Mülleimer, um die Scherben wegzuwerfen. "Naja, es ist ja auch nicht einfach, in der Branche Fuß zu fassen. Ich bin froh, dass ich es geschafft habe und so oft gebucht werde.", sagte er und ich konnte die Gehässigkeit hinter seinem Lächeln erkennen. Ja, ja. Erzähl nur schön weiter deine Lügen. Würdest du wirklich so oft gebucht werden, hättest du keine gefälschten Schuhe. Und dass ein Laie wie ich das erkannte, sprach wohl für sich selbst. Ich ließ die Scherben vom Kehrblech rutschen und atmete tief aus. Plan A war schon mal gescheitert. Vielleicht sollte ich mich doch lieber einfach von Minho auf dem Tisch flachlegen lassen, so wie Ahri es vorgeschlagen hatte. Schnell schüttelte ich meinen Kopf, um mich sofort wieder von dieser Idee zu trennen. Es musste doch einen anderen Weg geben.

"Be a good boy." - Teil 2 || MinsungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt