Kapitel 18

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Ich sitze im Auto, vor dem Haus meiner besten Freundin und starre ins Leere. Eigentlich hatte ich vor mit ihr über die gesamte Sache mit Julietta zu sprechen, aber nun fällt es mir nicht mehr allzu leicht. Bevor ich mir allerdings weiter den Kopf zerbrechen kann, greife ich nach meiner Tasche und öffne die Tür, um auszusteigen. Ich betätige die Klingel, nachdem ich die wenigen Treppen zur Haustür bestiegen habe und wie gewohnt, warte ich nicht lange auf Christina. ,,Na Liebes, komm rein.", begrüßt sie mich und drückt mir einen Kuss auf die Wange, was ich ihr gleichtue. Im Flur befreie ich mich von meinen Schuhen und meiner Jacke, ehe ich mit meiner besten Freundin in das Wohnzimmer gehe. Wir setzen uns auf ihr Sofa, was ich erstmal als Gelegenheit nutze, um tier durchzuatmen. Das war heute ganz schön viel Stress. Nachdem ich mich etwas entspannt habe, richte ich meinen Blick auf Christina und lächel sie zaghaft an. ,,Julietta war schonmal verlobt.", beginne ich ein Gespräch, wodurch sich die Augen meines Gegenüber weiten. ,,Verlobt?" ,,Ja, verlobt. Ihre Ex Freundin ist heute aufgetaucht, als wir in meinem Büro waren und naja.. Julietta hatte mehr Interesse an einem Gespräch mit ihr, als am rumgeknutsche mit mir. In meinem Büro." Es tut gut nochmal persönlich mit ihr zu sprechen, schließlich hatte ich ihr die letzte Zeit alles über das Telefon erzählt, weil wir beide nur wenig Zeit hatten. Nun sitze ich aber wieder bei ihr und kann mir alles von der Seele reden, wie in den alten Zeiten. Zwar habe ich die letzten Jahre nicht viel über mich geredet, aber dafür tue ich dies nun. ,,Du wusstest davon also nichts?", fragt sie mich, was ich durch ein Kopfschütteln verneine, worauf sie gleich reagiert: ,,Oh man. Hast du denn nochmal mit ihr gesprochen und ihr mitgeteilt, wie du dich fühlst?" ,,Nein. Chris, ich möchte heute mit niemanden mehr reden. Zumindest mit niemanden außer dir und Louisa.", antworte ich und lasse mich nach hinten fallen. Vielleicht ist es Julietta gegenüber nicht fair, aber ich bin mit meinen sozialen Kompetenzen für heute an meiner Grenze und ertrage keine ernsthaften Konversationen mehr. Vorallem keine über ihre ehemalige Verlobte. ,,Was hältst du davon, wenn wir beide am Freitag etwas trinken gehen und die Woche gemeinsam ausklinken lassen? Insofern du bisdahin mit deiner heißen Kollegin gesprochen hast, kannst du sie ja mitbringen. Dann lernen wir uns auch mal kennen.", schlägt Christina vor und lächelt mich schief an, was mich zum Nachdenken bringt. ,,Können wir machen. Bezüglich meiner 'heißen Kollegin' gebe ich dir einfach bescheid. Aber mal zu einem anderen Thema... wie lange warst du eigentlich in mich verliebt?" Sie hat mir im Studium gesagt, dass sie Gefühle für mich hat, worauf meinerseits eine Abfuhr folgte. Seitdem haben wir nicht mehr darüber gesprochen und waren ohne Komplikationen in einer stabilen Freundschaft. Seit dem Gespräch mit Maria habe ich aber mehr darüber nachgedacht, weshalb ich ihr diese Frage nun gestellt habe. ,,Hm, ab der dreizehnten Klasse.", antwortet sie. ,,Und bis wann?" ,,Richtig verliebt noch das ganze Studium über und ich würde nicht sagen, dass ich über dich hinweg bin, aber wieso interessiert dich das plötzlich?" Mein Herz bleibt stehen. Sie ist nicht über mich hinweg. Bis zu diesem Tag dachte ich tatsächlich, dass sie vollkommen über mich hinweg wäre. ,,Warte mal. Du bist nicht über mich hinweg?", erkundige ich mich sicherheitshalber nochmal und schaue ihr in die Augen, die merklich aufblitzen. Sie fängt an zu lachen, antwortet erst nachdem sie sich vollkommen beruhigt hat: ,,Nein, bin ich nicht. Aber damit habe ich nach wievor kein Problem, schließlich bist du meine beste Freundin und das soll auch so bleiben. Würdest du mir aber sagen, dass du das gleiche fühlst, dann würde ich definitiv eine Beziehung eingehen. Aber Fräulein, du hast meine Frage nicht beantwortet." ,,Ja, stimmt. Julietta und ich waren vor kurzem bei meiner Schwester. Maria hatte dich angesprochen und mich daran erinnert, dass du in der Vergangenheit in mich verliebt warst.", antworte ich. Damit ist das Thema für uns beendet. Sie hat meine Frage beantwortet, wenn auch sehr unerwartet und das genügt mir. Wir trinken also noch unseren Kaffee zu Ende, unterhalten uns, bis ich aufbrechen muss, um Louisa abzuholen. Ich schließe sie zum Abschied in meine Arme und drücke ihr einen Kuss auf die Wange. ,,Du wärst meine zweite Wahl.", sage ich zwinkernd und gehe dann zu meinem Wagen. Ehe ich abfahre, schaue ich nochmal zu ihr und stelle überrascht fest, dass sie sich nicht einen Zentimeter bewegt hat und ins Leere grinst. Mir tut es schon ein wenig leid, dass ich ihre Gefühle nach all den Jahren nicht erwidern kann, aber ich würde unsere feste Freundschaft damit nicht ruinieren wollen. Sie bedeutet mir unfassbar viel.

,,Mama!!", ruft meine Tochter freudig, als sie mich sieht und läuft auf mich zu. Ich nehme wie in den Arm und hebe sie hoch, um ihr einen Kuss auf die Stirn zu geben. Bevor wir zu ihrem Spind gehen, um sie anzuziehen, unterhalte ich mich noch mit ihrer Bezugserzieherin. Nachdem ich sie fertig gemacht habe, machen wir uns zusammen auf den Heimweg. Zuhause begeben wir uns gleich auf das Sofa und schalten den Fernsehr ein, da Louisa einen Film schauen möchte. Ich lege also meinen Arm um sie und streiche ihr über den Kopf, ehe mein Handy klingelt und ich mich aufrichte. ,,Geh ruhig ran", sagt Louisa, aber möchte ich das? Julietta leuchtet es auf meinem Handy. Ich entscheide mich anzunehmen und stehe auf, um meine Tochter nicht zu stören. ,,Hey.", begrüße ich sie locker. ,,Hey Anne, ich habe auf dich gewartet", versucht sie es ernst, aber ich kann die Enttäuschung in ihrer Stimme deutlich ausmachen. ,,Ja, das hat Sabrina mir mitgeteilt. Ich bin relativ früh gegangen, da ich mit den Nerven am Ende war und ehrlich gesagt wollte ich dem Gespräche für heute aus dem Weg gehen." ,,Aber wieso?", erkundigt sie sich nun mit trauriger Stimmlage, wodurch sich mein Herz kurz zusammen zieht. Ich versuche dies also durch bewusste Atmung zu regulieren, was mir auch recht schnell gelingt. ,,Julietta.. es kam sehr überraschend, dass du in der Vergangenheit verlobt warst und eigentlich möchte ich mich gerade nicht damit auseinandersetzen. Louisa und ich schauen gerade einen Film." Zwar wäre es eventuell förderlich ihr die Chance zu geben, sich zu erklären, aber gerade kann ich mental nicht darüber sprechen. ,,Also möchtest du die Sache für heute einfach so stehen lassen und mir die kalte Schulter zeigen?" ,,Ja, genau. Nimm es mir nicht böse, aber du hattest alle Gelegenheit mir von Josephine zu erzählen. Zumindest wäre es schön gewesen, wenn du es getan hättest.", beantworte ich ihre Frage und lasse meinen Blick zu Louisa schweifen, die mich ebenfalls ansieht und anscheinend versucht dem Telefonat zu folgen. Möglicherweise ist es nach dem Treffen mit ihrem Opa Zeit, um über meine Beziehung zu Julietta zu sprechen. ,,In Ordnung.", folgt nun die Stimme meiner Freundin, welche monoton spricht. Was erwartet sie denn jetzt? Als ich aufgrund meiner schlechten Erfahrungen auf Distanz gegangen bin, hat sie sich ohne eine Erklärung meinerseits getrennt. Also wieso sollte ich sie gerade jetzt zu einer Erklärungen ansetzen lassen? ,,Wir reden morgen darüber, okay?", versuche ich es nun, worauf erstmals nichts folgt. ,,Ja. Bis morgen." Und schon war die Leitung tot und das allbekannte Piepen ertönt. Ist sie wütend? Wahrscheinlich. Doch ich mache mir darüber keine weiteren Gedanken und gehe stattdessen wieder zum Sofa, um den Film mitzuschauen. Allerdings merke ich recht schnell, dass Louisas Blick mich beinahe durchbohrt, weshalb ich diesen nun erwidere. ,,Ist was?", frage ich sie und versuche etwas aus ihrer Mimik zu lesen, leider erfolglos. Sie macht keine Anstalten etwas zu erwidern und schaut mich stattdessen weiterhin schweigend an. Demnach wartet sie darauf, dass ich ihre unzähligen Fragen beantworte. ,,Du möchtest über Julietta reden, oder?" Nun folgt ihrerseits ein Nicken. Na ganz toll. Meine Gedankengänge fangen an zu kreisen und bleiben immer wieder bei der Frage stehen, ob ich ihr die Wahrheit über unsere Beziehung sagen sollte. ,,Habt ihr Streit?", fragt sie direkt und ich nicke bestätigend. ,,Wie beste Freunde oder wie ein Paar?" Sie weiß es. ,,Wie ein Paar." Jetzt bildet sich ein Lächeln auf den Lippen meiner Tochter, womit ich nicht gerechnet habe. Vielmehr dachte ich, dass sie enttäuscht sein würde, weil ich es ihr nicht vorher mitgeteilt habe. ,,Ich habe mich in Julietta verliebt und sie sich an mich, aber bitte tuh mir einen Gefallen und erwähne das nicht in der Gegenwart deines Opas. Okay?" Meine Tochtet nickt. ,,Ich mag Julietta wirklich gern, Mama.", teilt sie mir mit, was mich zum lächeln bringt. ,,Das weiß ich und ich wollte es dir nach dem Treffen mit Opa sagen, da er davon nichts wissen soll. Außerdem wollte ich dich fragen, ob du Lust hast in den Ferien wegzufahren? Mit Julietta und eventuell Maria, insofern sie zusagt." Eifrig fängt Louisa an zu nicken: ,,Ja, das wäre richtig toll." Und wieder schafft sie es, mir ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, obwohl mir nicht danach ist. Ich lasse meinen Blick zum Fernsehr schweifen und schaue anschließend wieder zu meiner Tochter. ,,Wollen wir etwas essen?", frage ich sie. ,,Ja."

The river in her eyes [ txt ]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt