4. Teil

5 0 0
                                    

'Wie viel hast du dabei? Benzin kostet. Wie alt bist du? Woher? Und wie zur Hölle gerätst du an solche Typen? Bist du eigentlich Jungfrau? Schon gereift? Zieh dich mal aus, dann können wir das beurteilen.'
Wir fuhren schon eine Weile, der Cousin brachte die zwei anderen zu einem fabrikähnlichen Gebäude und meinte, wir zwei sollten ein kleines Päuschen einlegen, den Zug würden wir eh nicht mehr erwischen. Er laberte etwas auf türkisch und die beiden verschwanden. Uns würde schon keiner sehen.
Keine Ahnung wie er hieß. Vielleicht war sein Name Erkan; vielleicht war Erkan aber auch die halbstarke Schwuchtel die bis eben hinter ihm gesessen hatte. Mein Kopf war voll, gedankenleer. Matschepampe, rosa, süß. Süß. So süß.
'So süß, wie du lächelst. Jetzt hab ich nen Steifen.' ...jetzt hatte er nen Steifen. 'Komm, wir gehen etwas nach hinten. Mit den anderen hast du's doch auch gemacht.' - Was gemacht? Wir haben gekuschelt. Nur gekuschelt. 'Wir kuscheln auch. Nur einen Kuss, vielleicht ficke ich dich gar nicht.
Einen Kuss, mal schauen wie geil du mich machst. Das musst du verstehen..'
Ich wollte nicht.

Meine Lippen waren spröde. Ich kramte nach einem Labello und fragte mich, warum ich so hässliche Unterwäsche angezogen hatte. Er grabschte nach Arsch, er grabschte nach Titten.. und ich ließ ihn.
Hätte er die Fresse gehalten, hätte er noch viel weiter grabschen können, aber von seinem überheblichen und arroganten Geschwafel wurde mir bald so schlecht, dass ich aus dem Auto stieg.

Der Regen tat gut, der Regen wusch sauber. Doch kaum hatte ich einen Schritt gemacht, war er bereits da und presste mich an die Tür. Er stand hinter mir und ich sah ihn nicht, aber ich spürte durch die Hose, wie er seinen Schwanz an mir rieb. Mir war es egal. Ich fühlte nichts.

Erst als er wieder anfing zu sprechen überkam mich Ekel und ich stieß ihn weg.
Er lies mich und fragte, was ich nun vor hätte. Allein hier draußen, ohne ein vernünftiges Handy, ohne den Hauch einer Ahnung wo ich mich befand. Ich war abhängig von ihm, und das wusste er. Also stieg ich wieder ins Auto. Ich weiß nicht, was für widerliche Worte noch seinen Mund verließen, aber er fickte mich nicht.

Wir verhandelten. Mit zwanzig Euro - meinte er -, damit dürfe die Nutte sich freikaufen.
Die Nutte nahm an. Er rief die Schwuchtel wieder in den Wagen und erklärte die Umstände.

Wir fuhren zur nächsten Tanke, wo ich meinen 50er wechseln sollte, um ihn bezahlen zu können.
Er wollte so tun als sei ich seine Freundin und kaufte mir sogar was zu trinken. Eigentlich keine schlechte Idee, mir fiel es schon schwer zu laufen, aber mein Körper wehrte sich gegen jedes Durst- und Hungergefühl. Robustes Teil.

Die Flasche - Mezzo Mix, falls interessant - steht nun auf meiner Heizung und dampft vor sich hin. Kondensierte Tröpfchen perlen die Innenwand herab. Sieht aus wie beschlagen. Wie die Karre der Türken. Wie bei Jack und Rose, als sie's im Auto treiben. ..nur der Handabdruck fehlt.

Weißt du, du hast echt Glück gehabt. Wahrscheinlich ist Erkan einfach ein guter Mensch. Doch nicht jeder Typ ist wie Erkan. Erkan hätte dich ficken und töten und häuten können - hat er aber nicht.

Bei Fremden einzusteigen ist böse und das sollte man niemals machen. Das sagt Erkan und das sagte dein Vater. Doch wahrscheinlich, sehr wahrscheinlich, wirst du's wieder tun.

S.O. - aussteigen, dreißig Euro! Zwar etwas mehr als vereinbart, aber hey, ich war am Ziel.
Ein Wangenkuss noch, extra lang, und dann stolperte ich aus dem Auto in die Halle, durch die Gänge, rauf die Treppen, auf den Bahnsteig.
Mittlerweile war es um die acht Uhr und bereits hell. Das Ticket, das ich glücklicherweise nicht verloren hatte, galt den ganzen Sonntag und für ganz Nrw. Da ich eh keinen Plan vom Zugfahren hab, stieg ich in den nächstbesten ein und hatte ausnahmsweise Glück; das Ding war leer und es fuhr nach Dortmund.
Dort angekommen verpasste ich den Anschlusszug zweimal und das Notfallhandy stieß an seine Grenzen. Zwei Anrufe schaffte ich noch, ein paar Sms, und dann war ich auf mich allein gestellt.
Den dritten Zug erwischte ich und mir kamen einige Gesichter erschreckend bekannt vor.
Wie spät war es? Und welche Station? Ich starrte aus dem Fenster und hörte die Ansagen ohne sie zu verstehen. Ich hatte berechtige Angst den Ausstieg zu verpassen.

Jetzt liege ich in meinem Bett und schreibe Scheiße. Irgendwie hab ich's bis hier geschafft. Irgendwer hat mich aus dem Zug geholt. Irgendwo steht meine Wasserflasche. Ich mag mir nicht vorstellen, was Hassan damit so anstellen wird. Vermutlich wirft er sie in einen Pfandautomaten und holt sich das Kleingeld ab.

Enttäuscht? Oh ja, ich auch.
Ende.

Wie spät ist es?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt