Sie war mein Schützling und meine Freundin. Und sie hatte ein besonderes Geheimnis, das ich mit ihr bewahrte. Wir dachten, es würde immer so bleiben.
Als ich sie tot fand, zerbrach ich fast an meiner Trauer und meinen Schuldgefühlen. Ich hatte nich...
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Krotos zappt kurzerhand mit Melete und mir auf dem Rücken in den Versammlungsraum. Melete rutscht von ihm herunter und zieht mich mit. „Komm, setz dich neben mich und du", das gilt Krotos, „stellst dich an ihre andere Seite. Du willst sicher nicht neben Drabik zu sitzen kommen", das ist wieder an mich gerichtet, „und diesem Kerl würde es ähnlich sehen, deinen Schock auszunützen."
„Danke", mehr bringe ich nicht heraus. Melete hat recht, ich bin im Moment nicht in der Stimmung, auch noch Drabiks grapschende Finger abzuwehren.
„Ich weiß nicht, ob es besser ist, ihn dafür an dir rumfingern zu lassen, Melete", Krotos runzelt die Stirn, schiebt aber trotzdem den Stuhl neben mir zur Seite und nimmt dessen Platz ein. Der große, runde Tisch, bei dem ich mich schon oft gefragt habe, wie man eigentlich die Mitte der riesigen Platte reinigt, ist mit Stühlen und Podesten umgeben, aber Krotos kann beides nicht gebrauchen. Er, der Widder Chrysomallos, Hydra und Stier pflegen bei unseren Versammlungen zu stehen. Wenn Cheiron in Zukunft teilnimmt, wird es ihm auch nicht anders gehen.
„Ich wehre mich dann schon", gibt Melete zurück. Mir kommt der nächste dämliche Gedanke. „Habt ihr eure Rollen vertauscht?"
Beide kichern. „Naja, körperlich braucht Krotos kaum jemanden zu fürchten", bemerkt Melete. „Er braucht eher jemanden, der sich um seine Psyche kümmert. Du weißt sicher, dass Krotos wie auch Astraia zu den labilen, den veränderlichen Sternzeichen gehört und die haben oft Probleme mit ihrer geteilten Persönlichkeit."
Das ist mir bewusst. Ich selbst bin ja zu einem großen Teil damit beschäftigt gewesen, Astraias Selbstbewusstsein aufrechtzuerhalten und zu stärken, sie über das Unrecht auf der Erde hinwegzutrösten und sie zu unterstützen, wenn sie zwischen ihren verschiedenen Erscheinungsformen sich selbst verloren hatte.
Melete hat recht. Astraia ist eine Nymphe gewesen, die keinem Element wirklich zugeordnet gewesen ist, wenn sie auch in der menschlichen Astrologe häufig als Nixe dargestellt wird. Und schon die Nixe ist ja eine veränderliche Gestalt, halb Fisch und halb Frau. Krotos ist halb Pferd und halb Mann. Ähnlich sieht es bei den Fischen aus, die eigentlich menschliche Gestalt besitzen, und bei den Zwillingen, die ebenfalls veränderliche Zeichen sind. Nur verteilt es sich da jeweils auf zwei Personen, die als Sternzeichen jedoch wie ein Wesen handeln müssen. Ich kann mir vorstellen, dass das auch nicht immer einfach ist.
Ich selbst komme mit meiner Dualität gut zurecht, weil ich es nicht anders kenne und weil mein Element auf das Wasser festgelegt ist. Vielleicht auch darum haben sie mich ausgewählt, um die Jungfrau zu beschützen. Und ich habe ihren Tod nicht verhindern können. Ich spüre, wie mir erneut die Tränen kommen und wie sich auf der Stelle ein zarter Arm von rechts um meine Taille legt, während sich von links eine überaus muskulöse Extremität um meine Schultern spannt. Die beiden sind wirklich lieb, denke ich. Und sie verstehen sich so gut miteinander wie Astraia und ich es getan haben. Das ist nicht bei allen Zodiak/Wächter-Paaren der Fall. Skorpion und Phaeton zum Beispiel zoffen sich ständig; dennoch achtet Phaeton auf Skorpion und umsorgt ihn. Und dass er seinen Zodiak nicht bekocht, liegt lediglich daran, dass sich der Speiseplan der beiden stark unterscheidet.
