Ich erinnere mich noch gut an den Tag.
Es war ein Recht warmer Frühlingstag, und ich war das erste Mal seit langen wieder auf meiner Lieblings Wiese. Sie ist etwas weiter weg von meinem Dorf, ungefähr 15 Minuten mit meinem alten Fahrrad, doch die lohnen sich im Frühling immer.
Ich erinnere mich gut daran wie ich mein Fahrrad neben die Weide schmiss und lachend los lief, mit ausgestreckten Armen, den Kopf zum Himmel geneigt und die Augen hatte ich geschlossen.
Wie immer lief ich zur gleichen Stelle, meiner Stelle. Der flache Stein am Rand des Waldes der an die Wiese grenzt. Der Wald liegt auf einem sanften Hügel so das ich auf meinem Stein sitzend die ganze Wiese bis zur Weide überblicken konnte.
Wie jedes Jahr holte ich mein Zeichenblock raus und begann zu zeichnen. Erst eine Skizze von der gesamten Wiese, so wie ich sie gerade sehe, und empfinde. Dann ein Blatt, welches vom Wind auf den Stein geweht wurde auf dem ich sitze.
Und dann endlich, der erste Schmetterling der sich auf den Stein setzt um sich zu wärmen. Ich zeichnete jedes Jahr einen Schmetterling in der Sonne, meistens ist es ein Zitronenfalter, doch der von diesem Jahr ist mir besonders gut in Erinnerung geblieben. Er saß länger auf dem Stein als die meisten anderen es jemals taten. Dadurch hatte ich viel Zeit für Details.
Ich erinnere mich gut daran wie ich zusammen zuckte als ein Schatten einer Person auf meine Zeichnung viel. Es war eine alte Dame, welche sich etwas über mich beugte.
"Du bist etwas besonderes" sagte sie und ich fragte sie warum. Sie meinte das mein Talent zu zeichnen etwas ist was ich nicht aus den Augen verlieren sollte.
Ich weiß noch wie ich erst etwas überfordert war doch im Grunde sehr berührt durch ihre Worte.
Wie sie mich damals anblickte ist eine der wenigen Erinnerungen die ich noch gut hüte. In ihren Augen lag Güte und ehrlich Interesse an dem was ich tat. Zudem lag Ruhe in ihnen, Ruhe die ich mehr brauchen sollte als es mir damals bewusst war. So fragte ich sie ob sie sich nicht für eine Weile dazu setzen möchte und bat ihr an durch meine Zeichnungen zu stöbern.
Sie setzte sich und nahm meine durcheinander geworfenen Zeichnungen mit einer Liebe und Zärtlichkeit in die Hand wie ich es nur selten gesehen hab. Sie began die Zeichnungen zu ordnen. Ich gab ihr auch mein Zeichenbuch was ich immer mit zu meiner Wiese nahm. In ihm hob ich alle Zeichnungen auf die ich hier auf diesem Stein gemacht habe.
Sie nahm es entgegen mit einem lächeln und blätterte vorsichtig durch es hindurch.
Da ich noch eine angefangene Zeichnung vor mir hatte wendete ich mich wieder dieser zu und so saßen wir da, in Ruhe, in der Sonne, entspannt.
Als ich die Zeichnung der blüte die vor mir wuchs fertig hatte blickte ich mich um und sah die alte Dame an.
Sie hatte vor sich meine Schmetterlinge aufgereiht. Alle 8 Stück. Das erste noch eine Kinderzeichnung. Ich war mit 9 das erste Mal hierzu zusammen mit meiner Mutter, mit ihr hab ich den ersten Zitronenfalter gezeichnet. Bis hin zu der Zeichnung die ich vor vielleicht einer Stunde erst gemacht habe.
"Wollen sie eine der Zeichnungen haben" fragte ich sie.
Sie blickte mich an und schüttelte lächelnd den Kopf. "Nein, diese Zeichnungen solltest du hüten. Sie werden dir später Erinnerungen geben und Ruhe geben. Behalte sie, dies sind deine Zeichnungen, deine alleine" ich verstand ihre Worte damals nicht, für mich waren es nur Zeichnungen von Schmetterlingen.
Ich weiß noch das wir uns noch weiter unterhielten. Über was erinnere ich mich nicht, aber es schien gut gewesen zu sein. Am Ende ging sie mit meiner Skizze der Wiese und bat mich darum ihr irgendwann die neuen Schmetterlingszeichnungen zu zeigen die ich in den Jahren machen werde. Ich erinnere mich wie sie mir genau erklärte in welchen Haus sie wohnt, nicht weit weg von meinem Zuhause, vielleicht eine Straße weiter.Heute stehe ich hier wieder. Mein Fahrrad liegt wie damals an der Weide, und auch mein Zeichenbuch hab ich dabei. Doch alles hat sich verändert. Die Weidenzweige hängen nun tiefer, der Wald ist etwas verwilderter und ich, ich bin 4 Jahre älter. 4 Jahre in denen ich keinen Schmetterling in der Sonne mehr gezeichnet habe. Doch ich bin wieder hier. An meiner Wiese. Auf meinem Stein und so fange ich wieder an. Erst eine Skizze der Wiese, so wie damals auch. Nur ist es diesmal schwerer. Ich verstehe nun warum ich die Zeichnungen von damals behalten sollte. Sie erinnern mich. Dieser Ort erinnert mich. An all das was war, was gut war. Was vergangen ist. Sie erinnern mich an das was ich vergessen hab, an das was mich erfüllt hat, an die Ruhe die ich an diesem Ort immer gefunden habe.
Die Zeichnungen der Schmetterlinge liegen alle vor mir. Sie sind schön. Selbst die erste Zeichnung ist nun ein Kunstwerk für mich. Mit diesen Gedanken beginne ich wieder zu zeichnen. Mit mehr Liebe, mehr Ruhe, denn ich weiß an wen diese Skizze gehen wird. Sie wird die schönste Skizze dieser Wiese werden die ich in all den Jahren gemacht hab. Die schönste, und die mit den meisten Emotionen. Ich merke wie in meine Zeichnung der Dank an die Worte der Frau einfließt, aber auch der Schmerz, die Einsamkeit und die Unruhe der letzten Jahre. Es tut gut das in die Skizze zu legen, den so kann ich sie verstehen. Die Emotionen machen die Skizze aber nicht hässlicher, sie machen sie lebendig. Ich sehe wie sich durch meine Striche die Emotionen beruhigen, ich zurück finde zu der Ruhe und der Liebe die dieser Ort damals und nun wieder für mich brachte.
Ich fühle mich viel leichter als ich den letzten Strich der Zeichnung setze.
Ich gucke auf und erst da bemerke ich die Tränen die sich schon in meinem Augen gesammelt haben. Und wie um die Zeichnung und die Emotionen endgültig zu verbinden fällt die erste Träne genau auf die Stelle der Zeichnung wo die letze Ecke von meinem Stein drauf zu sehen ist. Und genau auf dieser Ecke sehe ich ihn.
Den Zitronenfalter in der Sonne.
Und ich weiß was ich tun muss.
Hoffnung steigt in mir auf als ich nach sehe ob ich den kleinen Zettel mit der Adresse vom Haus der alten Dame noch in der Tasche habe. Ich hoffe sie hat nichts dagegen einen spontanen Gast zu bekommen.
Doch das erst später.
Ich schließe meine Augen, nehme die Sonnenstrahlen in mich auf, und merke wie ruhig der Stift in meiner Hand liegt. Ich fühle in mich hinein, und endlich ist dort kein Strudel aus Emotionen mehr, keine Unruhe, keine Angst, dort ist Ruhe. Ruhe und Hoffnung.
Und so öffne ich die Augen und setze den ersten Strich, den ersten Strich des Schmetterlings der Hoffnung.------------------------------------------------------------------
Inspiration durch:
"Someone once said those who carry the deepest pains also have the greatest joys.
And I felt that."
![](https://img.wattpad.com/cover/339921695-288-k917626.jpg)
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Ivory blossoms too
Historia Cortarandom things that I wanted to share, cause why not