2-Schreckensbegegnung-

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Ich drücke mein Kissen an mich und lehne mich noch ein Stück weiter nach vorn. Claire Danes, oder besser gesagt Julia Capulet, legt Leonardo DiCaprio, in der Rolle als Romeo, gerade zum letzten Mal ihre Lippen auf seine.

Romeo und Julia aus 1996 ist einfach einer meiner absoluten Lieblingsfilme und ich kann einfach nicht anders, als Tränen fließen zu lassen.

Ohne eine Vorwarnung jedoch, wird meine Zimmertür aufgerissen und meine Mutter steht im Türrahmen.
Sie hat ihre Haare in einen strengen Dutt gebunden und sieht mich mit einer perfekt gezupften, hochgezogen Braue an.

Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass sie schon wieder zu Hause ist.

„Heute ist nicht einmal der erste Ferien Tag und du hast nichts anderes zu tun als vor dem Fernseher zu sitzen?"

Ich antworte nichts, denn ich muss ein weiters Schluchzen unterdrücken, als Julia nach der Waffe greift.

Meine Mutter seufzt theatralisch auf. „Ich fahre einkaufen, möchtest du etwas bestimmtest?"

Mein Kopf schweift wieder in ihre Richtung und ich überlege kurz. „Kannst du Eistee und Zitronensorbet mitbringen?"

Meine Mutter nickt einmal, bevor sie mein Zimmer wieder verlässt, natürlich ohne die Tür hinter sich zu schließen.

Als ich wieder zurück auf den Bildschirm schaue, leuchtet mir ein schwarzer Abspann entgegen. Na toll, jetzt habe ich den Schluss verpasst.

Mit einem Blick aus dem Fenster stelle ich glücklich fest, dass die prallende Sonne von ein paar Wolken bedeckt wird.

Mit langsam wieder besserer werdender  Laune schnappe ich mir ein Buch und sehe gerade wie das weiße Auto meiner Mutter um die Ecke biegt, als ich mich auf einen der Gartenstühle setzte.

Ich beginne zu lesen und bekomme gar nicht mit, wie die Welt sich um mich weiter dreht. Das Buch ist so fesselnd und genau dann, als ich das letzte Kapitel beendet habe, ruft meine Mutter meinen Namen durchs ganze Haus.

„Ich bin im Garten." Das Buch lege ich auf den Glastisch neben mir ab und dann eile ich mit meinen nackten Füßen über den Rasen zu Haustür, an der meine Mutter schon ungeduldig wartet.

„Zieh dir Schuhe an und hilf mir die Einkäufe rein zu  tragen." Mit einem kurzen „sofort" als Antwort eile ich in den Flur, schlüpfe in meine sneaker und laufe dann zum Auto.

Auf dem Weg dahin kommt mir meine Mutter wieder entgegen, die gerade dabei ist zwei große  Einkaufstüten wahrscheinlich voller Gemüse ins Haus zu bringen.
Am Auto angekommen schnappe ich mir ebenfalls eine schwere Tüte, da fällt mein Blick auf ein mir unbekanntes Auto, welches keine fünf Meter vor unserem geparkt steht.

Ich will meinen Blick gerade wieder abwenden, da öffnet sich die Fahrertür und ein großer, gut gebauter Kerl steigt aus. Ich schlucke bei dem Anblick wie seine Hände sich durch seine dunkel braunen, ja fast schwarzen Haare fahren.

Er kommt mir merkwürdig vertraut vor, doch kann ich ihn niemanden zuordnen.

Langsam dreht er sich um,  sein Blick bleibt an mir hängen, glaube ich zumindest. So genau kann ich das nicht sagen, da deine Augen von einer dunklen Sonnenbrille verdeckt werden.

Zögernd setzt er sie ab und tatsächlich, sein Blick gleitet einmal an mir hinab und wieder hinauf, dann wirft er mir ein charmantes Lächeln zu und weiße, gerade Zähne blitzen auf.

Auf einmal ist alles was ich denken kann, „Wer ist dieser heiße Kerl und wie verdankt komme ich an ihn ran?"

„Wer bist du denn?", unterbricht seine tiefe und raue Stimme meine Gedanken und da realisiere ich es.
Ich realisiere wer er ist und warum er mir so bekannt vorkommt. Ihn würde ich wohl überall wiederkennen. Es ist niemand geringeres als Henry Gruber.

All the things I've never saidWo Geschichten leben. Entdecke jetzt