Kapitel 42

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Nachdem Moritz aufgelegt hatte, blieb er noch für kurze Zeit auf dem Balkon stehen, schließlich wollte er noch nicht zurück in die Wohnung, wo seine Mutter auf ihn wartete. Wieso hatte sie jetzt auftauchen müssen? Woher wusste sie überhaupt von dem Artikel, den Jans Exfrau verfassen wollte? Vielleicht hatte Leni schon zuvor mit Bent geredet, welcher dann sofort ihre Mutter angerufen hatte. Womöglich erhoffte er sich dadurch einen Vorteil zu erschleichen oder ihre Sympathie zu gewinnen. Gleichzeitig, ihre Mutter war nicht einmal enttäuscht gewesen, als Bent nachgewiesen wurde, dass er wirklich Scheiße gebaut hatte. Sie hatte ihn sogar noch verteidigt. ,,Was wollte deine Chefin von dir?" Sofort drehte sich Moritz um, seine Mutter war auf den Balkon getreten und musterte ihn mit skeptischen Blick. ,,Es ging um unseren letzten Fall, ich hab einen Teil des Papierkrams vergessen." ,,Du solltest sorgfältiger arbeiten", riet sie ihm und obwohl es nur eine improvisierte Ausrede war, nagte der Kommentar schon etwas an ihm. Dennoch entgegnete er nur: ,,Merk ich mir." ,,Gut. Lass uns doch wieder reingehen, Moritz." Leicht verwundert sah er die Frau an, bevor er ihrer Aufforderung folgte. ,,Also, Mama. Was willst du hier?" ,,Kann eine Mutter nicht nachsehen, wie es ihrem eigenen Sohn geht?", fragte sie mit vorwurfsvollen Unterton. Auf komischerweise amüsiert sah er seine Mutter an und entgegnete: ,,Du meinst, nachdem das Alles mit der Entführung passiert ist und ich mehrere Tage bewusstlos im Krankenhaus lag? Ganz gut. Die Wunden sind am abheilen und Charlie lebt sich hier langsam ein." ,,Charlie?" ,,Du weißt schon, deine Enkelin, Bents Tochter."

Mittlerweile hatten sie sich an den Esstisch gesetzt, aus Höflichkeit hatte er ihr ein Glas Wasser gegeben. Nachdem sie von diesem einen Schluck genommen hatte, fragte sie: ,,Kommt von dir diese Idee mit dem Artikel?" ,,Nein. Ina zieht mich prinzipiell von Fällen ab, wenn meine Familie beteiligt ist und bevor du sie verdächtigst, das ganze Team hat den Fall entnommen bekommen. Und die Sitte hat vom Justizminister ein Ermittlungsverbot erhalten. Keiner von uns hätte die Möglichkeit, genügend Informationen zusammenzutragen, um die an einen Reporter geben zu können", erläuterte er ihr, was sie vermutlich bereits wusste, doch gerne ihre Reaktion darauf sehen wollte. Es ließ sie kalt. ,,Du weißt, dass auch gegen dich ermittelt werden wird, oder? Wegen deiner Aktion für Candy." Knapp nickte Moritz: ,,Ist mir bewusst. Der Oberstaatsanwalt hat den Fall bereits ans Gericht weitergegeben, die entscheiden werden, ob es zu einem Prozess kommt oder nicht. Im Gegensatz zu dir scheue ich mich nicht davor, für meine Sachen gerade stehen zu müssen." ,,Tu doch nicht so. Du kannst deinen Job verlieren und in den Knast kommen. Sag dieser Reporterin einfach, sie solle den Artikel verwerfen und alles wird beim Alten bleiben", versuchte sie ihn zu überzeugen, doch es interessierte ihn nicht. ,,Wir alle müssen für unsere Taten gerade stehen, auch du. Und nur weil die Justiz nicht vorankommt heißt das nicht, dass es nicht zu Gerechtigkeit kommt." „Sei doch nicht so naiv. Der Artikel wird dir mehr schaden als mir. Man wird ihn als Revolte des Sohnes gegen die Mutter sehen, nicht als Akt der Justizia", entgegnete seine Mutter: „Und nicht nur die wird er schaden, auch denen, die dir nahe stehen. Deine Mitbewohnerin, diese Charlotte." Fast schon entgeistert blickte Moritz seine Mutter an, bevor er in einer Mischung aus Aufforderung und Bitte sagte: „Lass sie da raus. Kim und mein Team haben nichts damit zu tun! Und Charlie ist gerade einmal ein Teenager, lass sie in Frieden. Bents Tochter hat nichts mit alledem zu tun!"

,,Bents Tochter, dass ich nicht lache. Ich habe damals schon gesagt, dass sich die Zendersky das wahrscheinlich nur ausgedacht hat", warf sie ihm an den Kopf, doch nun, wo er der Gesprächspartner war, würde er das nicht so stehen lassen. ,,Wieso kannst du nicht akzeptieren, dass Bent ihr Vater ist? Brauchst du zuerst einen Vaterschaftstest, sodass die biologische Vaterschaft bewiesen ist?" ,,Nur weil Bent einmal mit dieser Lela geschlafen hat, macht ihn das nicht zum Vater." Eher sarkastisch lachte Moritz auf: ,,Ich denke, in fünf Jahren Beziehung haben die beiden häufiger als ein Mal miteinander geschlafen." ,,Ist auch egal. Ich denke jedenfalls nicht, das es eine gute Idee ist, dieses Kind bei dir wohnen zu lassen." ,,Wieso? Denkst du, sie wäre im Heim besser dran als hier bei Kim und mir?", entgegnete der Kommissar nur, die Arme überkreuzt und seine Mutter herausfordernd ansehend. Diese tat es ab als selbstverständlich: ,,Du bist in keiner Beziehung, du kannst doch nicht allein für eine Teenagerin sorgen, die du nicht mal kennst. Und selbst wenn..." ,,Ich könnte nie die Verantwortung für einen weiteren Menschen übernehmen", beendete er ihren Gedanken: ,,Das wolltest du doch gerade sagen, oder? Das ich nicht imstande wäre, sie das letzte Jahr durch die Schule zu bringen? Ihr danach noch weiterhin zu helfen?" ,,Ach komm, sag nicht, du denkst wirklich, das würde gut gehen. Du bist nicht ihr Vater." ,,Ihr Vater will nicht mit ihr zu tun haben!", schrie er sie fast an: ,,Wenn Bent diese Rolle nicht übernehmen will, dann mache ich das! Und es wird gut gehen, schließlich habe ich von dir gelernt, was man bei der Erziehung bloß nicht machen sollte!" Eigentlich hatte Moritz erwartet, seine Mutter würde mit ähnlicher Energie kontern, doch diese sah nur überrascht und vielleicht auch leicht beklemmt an ihm vorbei zur Tür. ,,Moritz?", fragte Kim leise. Anscheinend hatte er die beiden nicht kommen hören. Über die Schulter hinweg sah er zu seiner Freundin und Charlie, bevor er seiner Mutter eine klare Ansage machte: ,,Es ist besser, du gehst jetzt." „Denke daran, es war deine Entscheidung", konterte diese nur, dann ging sie an Kim und Charlie vorbei, welche leicht perplex dastanden.

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