Dämmerwolke hatte eine lange Nacht hinter sich, als er kurz vor Sonnenhoch zum Frischbeutehaufen trabte. Er wählte eine Drossel aus und setzte sich allein mit ihr zum Baumstumpf, um sie schnell zu verspeisen. Dunkelpelz und Nassfuß waren heute zur gemeinsamen Jagd aufgebrochen und so konnte sich Dämmerwolke beim Jagen heute alleinig auf die Beute konzentrieren.
Es konnte gefährlich sein, dass Lager alleine zu verlassen, wenn es möglich war, dass Narbengesicht mit einer ganzen Bande von Streunern, Einzelläufern oder sogar Clankatzen, also gekonnten Kriegern auf die GewitterClankatzen lauerte. Aber Dämmerwolke würde das Risiko eingehen. Man konnte es sehen wie man wollte, ziemlich mutig oder unendlich dumm, aber Dämmerwolke würde das Lager alleine verlassen.
Er wählte die Schlangenfelsen als Ort zur Jagd, ein gutes Versteck für seine Beute, und machte sich auf den Weg. Die Schlangenfelsen lagen weiter entfernt vom Lager des GewitterClans, an der Grenze zum WiesenClanterritorium. Richtung dieser steinernen Hügel wurden die Bäume immer spärlicher, bis sie dem harten, stechenden Gras schließlich ganz Platz machten und die Fläche wurde immer ebener.
Dämmerwolke rannte, so schnell er konnte. Er nahm die Umgebung nicht war, es schien ihm fast schon so, als wäre er zu schnell für seine eigenen Gedanken. Sein Kopf war wie leer geblasen. Als er die Schlangenfelsen erreichte war es windstill und die Sonne schien mit all ihrer Wärme auf ihn hinab. Er fühlte sich ihr ausgesetzt wie ein Regenwurm auf Stein, ohne einen Baum in der Nähe, der ihm Schutz bieten konnte. Er fing an, die Felsen hinauf zu klettern, jedoch nicht, ohne sich immer wieder umzublicken und die Luft zu prüfen. Es konnten Nattern in der Nähe sein, sich von einer beißen zu lassen wäre äußerst ungeschickt, zumal die Heilerkatze schon ohne den Biss einer Natter genug zu tun hatte, vor allem in dieser Zeit, in der die Katzen besonders anfällig für den tödlichen grünen Husten waren.
Oben angekommen nahm er den veralteten Geruch des GewitterClans wahr, überdeckt von dem stechenden Geruch der vielen Streuner, die auf diesem Territorium lebten.
Sofort musste Dämmerwolke an Wildsterns Worte denken. Es stimmte, Narbengesicht war schlau und listig, würde er es also so offensichtlich machen, dass er hier war?
Dämmerwolke verbannte diesen Gedanken wieder aus seinem Kopf und konzentrierte sich auf die Beute. Es raschelte. Es konnte eine Wühlmaus sein, oder eine Natter. Langsam ging Dämmerwolke in Jagdposition und schlich langsam näher. Bevor er länger darüber nachdenken konnte, was er machen würde, wenn er vor dem Gebüsch angekommen war, stürmten vor ihm drei große, stattliche Gestalten aus dem Gebüsch. Es waren Streuner. Erschrocken zuckte Dämmerwolke zurück und seine Augen weiteten sich angstvoll, als die Streuner bedrohlich immer näher kamen. Hinter ihren verschmutzten Körpern ertönte eine Stimme, tief und rauchig, eine Stimme, die Dämmerwolke sofort wiedererkannte ind die ihm kalte Schauer über den Rücken jagte: "Tut ihm nichts! Er ist es, den ich sehen wollte!" Die drei Katzen, die ihm den Weg versperrten, rückten zu Seite und eine vierte, große, muskulöse und sehr gefährlich aussehende Katze trat zwischen ihren mageren Körpern hervor. "Narbengesicht!", keuchte Dämmerwolke. "Wa- Was willst du hier!? Und... Und was willst du von mir!?" Dämmerwolke drehte sich um, setzte zum Sprung an und wollte fliehen, bevor Narbengesicht seine Frage beantworten konnte. Dann jedoch stellte er entsetzt fest, dass sich hinter ihm drei weitere Streuner aufgebaut hatten.
"Du willst schon gehen? Bleib doch noch! Ich habe dir ein paar sehr interessante Sachen mitzuteilen! Aber zuerst brauche ich deine Zustimmung." "M- Meine Zustimmung zu... zu was?", stotterte Dämmerwolke.
Kalte Klauen der Angst packten ihn. Wollte Narbengesicht sich rächen? An ihm? Der Zeitpunkt wäre nahezu perfekt. Aber Narbengesicht würde sich wohl kaum vorher Dämmerwolkes Zustimmung dafür holen!
"Du hast Angst, nicht wahr?" miaute Narbengesicht fast schon amüsiert.
"Brauchst du nicht, ich werde dir nichts tun", sagte er schon etwas ernster und zuckte mit seiner Schwanzspitze. Sofort verschwanden seine Begleiter, eine flinke, getigerte Kätzin und ein dunkler, großer Kater fielen Dämmerwolke besonders ins Auge, sie kamen ihm unwahrscheinlich bekannt vor, sie entfernten sich mit schnellen, geschmeidigen Schritten.
"Also, was willst du?", fauchte Dämmerwolke und stellte seine Nackenhaare auf, um größer zu wirken. Er wollte sich seine Angst nicht anmerken lassen. Schon gar nicht von Narbengesicht.
"Was ich will? Ich will dir ein Angebot machen. Es ist einmalig, also überlege dir deine Antwort gut! Ich werde kein zweites Mal auf dich Rücksicht nehmen!"