Kapitel 2

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Dämmerwolke schlich zwischen den Büschen an der Grenze zum WellenClan herum und wartete, dass sich die hübsche silbergraue Kätzin zeigte. Er öffnete das Maul und prüfte die Luft. Er roch die frischgesetzten Duftmarken einer WellenClanpatrouille und sie waren noch in der Nähe! Schnell versteckte er sich hinter den Büschen und hielt Ausschau nach Silberfluss, als die Patrouille an ihm vorbeikam, doch sie war nicht dabei. Die Patrouille stolzierte an ihm vorbei, weit genug entfernt, um ihn nicht zu riechen. Seine Hoffnung schwand. Warum sollte Silberfluss vorbei kommen, wenn sie sich nicht einmal verabredet hatten? Die einzige Chance war eine Patrouille, für die sie eingeteilt worden war, doch für gewöhnlich blieben die Königinnen mit ihren Jungen immer in der Nähe des Lagers, bis die Säuglinge zu Schülern ernannt wurden. Da vernahm Dämmerwolke ein Rascheln in den Büschen hinter sich. Sein Nackenfell sträubte sich und fauchend drehte er sich um, bereit zu kämpfen, wenn es ein Feind war. Doch dann hellte sich seine Miene auf. Ein freudiges, graues Gesicht sah ihm aus den Büschen entgegen, dann trat Silberfluss aus ihrem Versteck, ließ ein Bündel roten und schwarzen Fells vor Dämmerwolkes Pfoten fallen und rieb liebevoll ihre Nase an seiner Wange. Er erwiderte ihre Geste, dann sah er erst sie und dann die beiden halb verhungerten Jungen, die hilflos und mit geschlossenen Augen über das Gras krochen, fragend an. Sanft schob Silberfluss die Winzlinge zurück vor seine Pfoten. "Vor ein paar Tagen wurde der WellenClan von einer schrecklichen Überflutung heimgesucht, diese Junegen gehörten Nachtschweif, sie hat sie während der Überflutung geboren und sie starb, um Apfeljunges und Käferjunges zu schützen. Sie brauchen nun viel Milch und eine warmherzige Mutter, die sich gut um sie sorgt. Diese bekommen sie im WellenClan nicht, denn wir alle leiden Hunger und die Königinnen haben zu kämpfen, damit sie ihre eigenen Jungen ernähren können. Du sollst sie mit in den GewitterClan nehmen, ihr habt genug Frischbeute und Wildstern ist weise, er wird die richtige Entscheidung treffen." Als sie geendet hatte, konnte man in ihren Augen Trauer um Nachtschweifs Verlust erkennen und Dämmerwolke drückte sich tröstend an ihre Flanke. "Was sage ich dem GewitterClan?", fragte er schließlich. "Sie hassen den WellenClan, sie würden nie Junge von diesen Katzen aufnehmen!" "Die Jungen können nichts für ihre Herkunft!", fauchte Silberfluss, fügte dann aber etwas sanfter hinzu: " Ach Dämmerpfote, du wirst es schon schaffen, das weiß ich!" "Ich hatte am Vortag meine Kriegerzeremonie, ich heiße jetzt Dämmerwolke!", verkündete er stolz. "Das ist schön, ich freue mich für dich!", schnurrte Silberfluss und drückte ihre Nase in sein Schulterfell, er legte sein Maul sanft auf ihren Kopf. "Geh jetzt", miaute sie und schob ihn in Richtung GewitterClanlager davon. "Ich muss auch zurück, sie dürfen nicht merken, dass ich weg war." Sie wandte sich zum Gehen und auch Dämmerwolke nahm das kleinere, rote Junge, Apfeljunges, auf, um Käferjunges langsam in kleinen Stößen Richtung Lager zu schieben, da drehte er sich noch einmal um, setzte Apfeljunges behutsam auf dem Boden ab und trabte zur Grenze, hinter der Silberfluss soeben verschwunden war. "Silberfluss?", rief er leise und wartete einen Moment, ob sie ihn gehört hatte, da tauchte ihr silberner Kopf zwischen Büschen und Schilfgras hindurch und stand erwartungsvoll vor ihm. "Kannst du sie nicht selbst versorgen? Du hattest schon immer zu viel Milch für ein Junges!", fragte Dämmerwolke. Sofort verdunkelte sich Silberfluss' Miene vor Trauer und Schuldgefühl. "Was?! Was ist mit Weißdornjunges?", fragte Dämmerwolke nichts Gutes ahnend. "Er ist ertrunken", klagte Silberfluss. "Ich habe es zu spät bemerkt, ich hätte besser auf ihn achten müssen, ich hätte es verhindern können, ich bin schuld!", rief sie mit vor Schmerz und Trauer schriller, krächzender Stimme und starrte mit ausdruckslosem Blick ins Leere. Sie keuchte, als müsse sie dieses schreckliche Erlebnis erneut durchleben und sie bebte am ganzen Körper. Dämmerwolke trat über die Grenze und stützte sie. "Ich bin schlud, ich ganz allein", wiederholte sie immer wieder. "Du bist nicht schuld, niemand konnte ahnen, dass eine Flut euer Lager heimsuchen würde", versuchte Dämmerwolke Silberfluss einzureden und leckte ihr beruhigend über die Ohren, obwohl er sich nicht einmal sicher war, ob sie das in ihrer Starre überhaupt merkte. Inzwischen war Silberfluss auf den Boden gesunken und zitterte nur noch leicht, sie schien sich zu beruhigen. Schließlich schüttelte sie den Kopf, als wolle sie alle finsteren Gedanken von sich schütteln und sah Dämmerwolke mit schmerzvollem Blick an. Er rieb noch ein letztes Mal seine Wange an ihrer Flanke, dann miaute er: "Ich wollte dich nicht mit diesem Schmerz belasten, es tut mir leid. Ich nehme die Jungen mit mir, ich möchte dich mit den beiden nicht ständig an Weißdornjunges Tod erinnern, ich nehme sie mit mir. Geh jetzt, ich bin sicher, Wildstern wird sie aufnehmen. Er hat oft ein hartes Herz, aber zwei mutterlosen Jungen wird er Unterkunft gewährleisten." Er wandte sich um und trabte zu den beiden Jungen zurück, die sich kaum von der Stelle gerührt hatten. Er packte Apfeljunges erneut vorsichtig im Genick und trottete, Käferjunges vor seinen Pfoten hertreibend, zum Lager.

WARRIOR CATS - Mit der Dämmerung...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt