• at the right time •

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Der Wind pfiff Annalena kalt um die Ohren, als sie mit Tilda an der Hand die Stufen zum Schwimmbad in Berlin-Mitte hoch ging. Und während ihre Tochter bei den kalten Temperaturen Ende November natürlich Mütze und Schal trug, hatte die Brünette leider versäumt sich dem Wetter entsprechend anzuziehen und war dementsprechend froh, als sie das Schwimmbad durch die Drehtür betraten. Es war wohlig warm im Eingangsbereich und der typische Geruch von Chlor und Schwimmbad-Pommes lag in der Luft. Suchend blickte Annalena sich um, doch ihre Verabredung schien noch nirgends zu sehen zu sein.

„Ich glaub' nicht, dass Robi schon da ist, Mama. Der kommt doch immer zu spät.", warf Tilda ein, als sie sah, wie ihre Mama den Hals reckte, und verdrehte grinsend die Augen.

Die Brünette kicherte leise, drückte grinsend die Hand der Fünfjährigen. „Hast ja Recht, Maus. Da ist Suchen zwecklos."

Die beiden brachen in verschwörerisches Kichern aus, als der besagte 31-jährige mit seiner Sporttasche über der Schulter abgehetzt das Schwimmbad betrat. „Sorry, ich bin zu spät, ich weiß.", entschuldigte er sich, zog dann skeptisch die Augenbrauen hoch, als er das Grinsen auf den Gesichtern der beiden sah. „Hey!! Lacht ihr zwei etwa wieder über mich?", fragte er, verzog beleidigt das Gesicht.

Annalena war froh, dass ihre Tochter dem Dunkelblonden sogleich antwortete, denn sie selbst war noch viel zu abgelenkt von den leicht verschwitzten Haarsträhnen, die unter seiner grauen Mütze hervorlugten. Er sah einfach so niedlich aus, dass sie einen Moment brauchte, um sich zu sammeln.

„Nein, Robi. Wir lachen doch nicht über dich.", kicherte die Kleine, schob daraufhin ihre kleine Hand zwischen Roberts, was den Älteren sogleich milde stimmte. Tilda hatte ihn eben vollkommen um ihren kleinen Finger gewickelt.

Es war inzwischen nunmehr drei Monate her, dass Robert wieder in ihr Leben - und somit auch in das Leben ihrer Tochter - getreten war. Seitdem hatte es sich so eingespielt, dass sie sich jeden Sonntag trafen. Das war nun mal der einzige Tag in der Woche, der bei beiden völlig unverplant war. Annalena hatte zu Beginn gedacht, dass es sie mehr stören würde, dass dieser Tag, der doch eigentlich ihrer Tochter und ihr gehörte, nun eben auch Roberts Tag war, aber so war es nicht: Es machte Spaß, Zeit mit ihm zu verbringen, zu sehen, wie Tildas und seine Beziehung immer enger wurde. Tilda war völlig vernarrt in den Älteren und sie merkte ihm an, dass er, je mehr Zeit er mit seiner Tochter verbrachte, auch immer weniger wütend auf sie war. Er verhielt sich ihr gegenüber inzwischen wieder viel offener und freundlicher, lächelte und lachte wieder mit ihr und sie war sich inzwischen beinahe sicher, dass er ihr verziehen hatte.

Vor einigen Wochen hatten sie es Tilda dann schließlich auch erzählt, dass der Mann, der seit fast drei Monaten die Wochenenden mit ihnen verbrachte, ihr Papa war. Die Fünfjährige hatte ziemlich verständnisvoll und unkompliziert reagiert - Was für Annalena eigentlich klar gewesen war, aber Robert doch ziemlich überrascht und beeindruckt hatte. Sie hatte Robert ohnehin schon in ihr Herz geschlossen und fand es cool, nun auch einen Papa zu haben, der mit ihr zu den Vater-Kind-Aktivitäten in die KiTa ging. Sie hatte lediglich gefragt, wie sie ihn nun nennen sollte. Das Wort „Papa" kam ihr einfach noch nicht über die Lippen - was Robert absolut verstehen konnte, schließlich war er bis vor einigen Wochen noch ein Fremder für sie gewesen - und so nannte sie ihn weiterhin „Robi".

Weder Annalena noch Robert wussten, wie die Kleine auf diesen Spitznamen gekommen war - Noch niemand hatte ihn bisher in seinem Leben so genannt. Aber die Fünfjährige hatte ihn nach einigen Treffen auf einmal so gerufen und, wenn er ehrlich war, dann gefiel ihm dieser Name irgendwie. Natürlich hätte er es lieber, wenn sie ihn irgendwann auch „Papa" nennen würde, aber bis Tilda soweit war - ganz egal, wann das sein würde - war „Robi" vollkommen in Ordnung.

right person, wrong timeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt