Prolog

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31. Oktober Mitternacht

Der Regen plätscherte gegen die Fensterscheiben und übertönen das Knistern des Feuers im inneren des kleinen Cottages nahe dem Dorf Grimmauld. Grimmauld war nicht unbedingt ein Dorf, welches man als märchenhaft schön bezeichnet. Nein, Grimmauld war eher das Dorf, welches in Horrorgeschichten seinen Ursprung findet. Es war immer kalt und dunkel, sowohl bei Tag als auch bei Nacht.

Bei Tag werden Feldarbeiten und Einkäufe erledigt, bei Nacht bleiben die Dorfbewohner in ihren Häusern und halten ihre Kinder in den Armen, aus Angst sie würden aus dem Haus rennen und niemals wieder als dieselben lieben und unschuldigen Kinder in ihr Zuhause zurückkehren. Der Hund lag vor der Tür Wache.

Im Mantel der Dunkelheit erheben sich die Mächte der Dunkelheit aus ihren Löchern und rauben denjenigen ihre Seelen, denen es nicht gelang, diese mit ihrer Vernunft zu behüten. Im Cottage knisterte das Feuer im Kamin. Das Ehepaar Marlene und Samuel Kingston saßen mit ihren beiden vierjährigen Zwillingssöhnen auf dem Boden vor dem Kamin, um sich warm zu halten.

Der ältere der beiden Jungen, Connor, lag auf dem weichen Teppich mit dem Kopf im Schoß seiner Mutter gestützt  gegenüber von seinem Vater, welcher seinen jüngeren Bruder Ares auf dem Schoß sitzen hatte. Connor zog die grüne Wolldecke bis unter die Stupsnase, während seine Mutter ihm durch das engelsblonde Haar strich.

So gedankenverloren wie sie nun war, las sie in ihrem Buch über die Kreaturen der Dunkelheit. "Warum dürfen wir nicht raus, Papa?", fragte Ares und sieht abwartend zu seinem Vater und dann zu seiner Mutter. Der braunhaarige Junge warf seine dunklen Locken zurück und peitschte sie seinem Vater ins Gesicht. Samuel Kingston kniff seinem jüngsten Sohn sanft  in die Seite und brachte ihn zum kichern. Connor und Marlene schmunzeln daraufhin leicht, beide waren nur noch halb bei  Bewusstsein.

"Es ist gefährlich da draußen, kleiner Krieger", antwortete Samuel Kingston seinem Sohn und schaute aus dem verregneten Fenster. Es blitzte lichterloh und der Donner ließ einen schaudern. Man könnte meinen jemanden draußen böse lachen zu hören. "Aber ich habe keine Angst, Papa!", Ares ballte seine kleinen Hände zu Fäusten und haute auf seine Knie vor Trotz. Der Junge zog beleidigt eine Schnute und seine Wangen wurden im Licht des Feuers noch roter.

"Du hast Angst vor Gewitter", gähnte Connor mit halb geöffneten Augen und bevor sein kleiner Bruder ihm etwas kontern konnte, ertönte die nächste große und laute Welle aus Donner am Horizont, was soviel bedeutet wie direkt vor der Tür, wenn man in Grimmauld aufgewachsen ist. Unmittelbar während des Donnergrollens zog Ares den Kopf ein und verkriecht sich unter seine Decke. Er zitterte am ganzen Leibe, als hätte er Espenlaub anstelle von Knochen im Körper.

Das Pfeifen des Windes trat durch das Fenster und spielte sein Lied für die Familie. Marlene Kingston schloss abrupt ihr Buch und riss  erschrocken die Augen auf. Connor setzte sich auf und sah seine Mutter müde an, als diese sich schnellstens erhob. "Mama?"

Die Tür sprang aus ihren Angeln und Wind und Regen verschafften sich Zutritt ins Haus der Familie. Die Zwillinge und deren Vater erhoben sich daraufhin auch mit aufgerissenen Augen aus ihrer sitzenden Position und sahen zur Tür. Der Wind ließ das Feuer erlischen und  Dunkelheit und Kälte fiel über das Haus einher. Wieder ertönte das Lachen, es war so weit, aber doch zum Greifen nahe.

"Die Seelenlosen", wisperte Marlene erstickt und Samuel legte einen Arm um die Schulter seiner Frau und Connor hielt seinen kleinen Bruder Ares in seinem Armen ganz fest an seine Brust gedrückt. Der vierjährige Connor spürte die Tränen seines Bruders, welche den Baumwollstoff  seines Schlafgewands durchnässt auf seiner Brust.

Es blitzte in das Nachbarhaus hinein und ein Feuer brach aus. Dies war kein normales Gewitter, es war eine Botschaft Gottes... oder des Teufels höchstpersönlich. "Also hier befindet sich das Geschenk Gottes", sagte eine fremde, raue Stimme.

 Sie gehörte zu der dunklen Gestalt, welche sich aus dem Nichts vor der Türschwelle materiallisiert hatte. Das Gesicht der Kreatur war verdeckt, aber die Familie wusste, dass das Böse nun vor ihrer Tür stand und darauf wartete ins Haus eingeladen zu werden, um sein Werk zu vollenden.

"Ladet mich ein. Ich sterbe vor Hunger."

"Verschwinde Seelenlose!", befahl der Familienvater mit einer wegwerfenden Handbewegung und mit einem Ton, der keinen Widerstand zuließ. "Nicht ohne den Jungen." Die verschleierte Gestalt zeigte mit ihren skelettartigen Fingern auf den blonden Jungen. "Gibt ihn mir und ich werde euch leben lassen."

Marlene Kingston entwand sich der beschützenden Umklammerung ihres Mannes und zog die Kinder hinter ihren Rücken. "Nur über unsere Leichen, du Monster!", schrie sie, doch die Gestalt blieb ruhig. Zumindest für den Moment. " Der Meister wird nicht begeistert sein. Betet zu eurem Gott und bittet um Gnade, doch bevor ich gehe habe ich einen Geschenk für den Jungen." 

 Ihr Blick beruhte auf dem blonden Jungen, der kalten Angstschweiß auf seiner Haut spürte. Er war den Tränen nahe. "Sei ein braver Junge und nehme es an." Noch bevor Marlene und Samuel der Gestalt etwas entgegensetzen konnten, war die Gestalt mit einem Mal verschwunden und der kleine Connor fühlte sich mulmig.

"Mama, mir ist so kalt. Bitte hilf mir. Papa, mach dass das aufhört. Es tut so weh." Der kleine Junge fiel kraftlos zu Boden und sein Bruder fing an zu schreien. Samuel und Marlene Kingston standen vor Schock nur so da. Sie waren nicht in der Lage sich in diesem Moment von der Stelle zu rühren.

SeelenlosWo Geschichten leben. Entdecke jetzt