Kapitel 4

1 1 0
                                    

Marlene Kingston hörte nur noch gedämpft das Geschehen um sie herum. Alles drehte sich um sie herum. Die Worte ihres Mannes drangen nicht mehr zu ihr durch. Auch nicht das Flehen ihres Sohnes, der an ihrem Kleid zog und zu ihr sprach. Das Einzige was ihr durch den Kopf ging, waren die Worte von Gerard und das Lachen ihres Sohnes.

Ihr Herz pochte schnell gegen ihre Brust. Marlene Kingston rang nach Luft. Sie fühlte sich wie als würde sie an einem Galgen hängen. Die Schlinge verweigerte ihr das Ringen nach Luft. Sie spürte das Feuer, welches sich durch ihre Haut frisst und sie allmählich zur Asche verbrannte.

"MARLENE! Wach auf!" Samuel Kingston packte seine Frau an beiden Schultern und schüttelte sie. Sie war vollkommen in ihren Gedanken versunken. Seine Worte drangen nicht zu ihr durch. "Marlene, wach auf", wiederholte Samuel seine Worte und wirkte nun nicht mehr aufgewühlt sondern von Trauer überwältigt.

 Langsam hob die junge Frau ihren Kopf, aber sie war immer noch benommen. "Marlene", flüsterte ihr Mann und strich ihr das rabenschwarze Haar hinters Ohr, welches ihr Gesicht verschleierte. 

"Er ist tot, Samuel. Zum Tode verdammt. Unser kleiner Engel ist in die Hölle gestürtzt", schluchzte sie und ließ ihren Tränen freien Lauf. Auch Samuel ließ die Tränen fließen. Seine braunen Augen waren gerötet vom weinen. Von Ares reden wir erst gar nicht.

"Seht euch doch nur an. Wie erbärmlich ihr doch seit. Der Junge ist schon so gut wie tot. Bald ist er mein und ihr könnt überhaupt nichts dagegen tun. Wenn ich mit ihm fertig bin, hole ich mir auch euren anderen Sohn. Es ist wahrlich ein Fest die Seelen der Sterblichen schwinden zu sehen", sagte Connor in seiner normalen kindlichen Stimme. Aber die Worte, die er sprach, waren die des Teufels.

Und der Teufel wird nicht auch noch das letzte Kind der Kingstons in den Tod reißen. Nicht so wahr Marlene und Samuel Kingston noch auf Erden wandelten. "Wir werden Ares beschützen und Connor werden wir den Teufel austreiben. Das ist mein Versprechen an dich, meine Liebste. Unsere Kinder werden leben, alle beide", sprach ihr Samuel zu und versuchte auch damit seine eigenen schlechten Gedanken zu vertreiben, die ihn plagten.

"Es muss einen anderen Weg, als ihn zu töten, Gerard. Er ist doch nur ein Kind."

Der alte Mann schüttelte bedauernd den Kopf. "Ein Exorzismus würde nichts bringen, Samuel. Ihr könntet erstens den Priester nicht bezahlen und zweitens wäre der Preis um Connors Seele zu hoch. Findet euch damit ab, dass euer Sohn vielleicht schon diese Nacht sterben wird. Ihr allein entscheidet wie der Kleine zu sterben hat. Ich kann nichts für ihn tun und ihr auch nicht."

Gerard ging auf das Ehepaar zu und flüsterte zu Marlene: "Sie wissen welche Kräuter sie brauchen, Mrs. Kingston. Ich verspreche ihnen ihr Sohn wird nicht von der Wirkung spüren. Es wäre so als würde er einschlafen." Er gab ihr einen Stoffsack mit vielen Kräutern und einer Phiole dadrin. "Beeilen sie sich! Jeden Moment können die Dorfbewohner hier sein und ihn holen kommen."

"Bringt uns den Jungen, Samuel!", rief Richard und klopfte hastig gegen die Tür. Richard war ein einfacher Bauer strengsten Glaubens und fast immer betrunken. Seine Frau verprügelte er täglich, wenn er aus dem Pub kommt. "Übergibt ihn uns und ihr werdet am Leben bleiben. Gott wird euch für eure Tat vergeben, die Teufelsbrut beschützt zu haben!"

"Da hört ihr es. Tötet ihn lieber selbst, bevor sie es tun", sagte Gerard und musterte den kleinen Connor über seine Schulter, welcher die Zähne fletschte. "Macht mich los", bat er und stemmte sich gegen die schweren Ketten. "Wir können nicht fliehen. Sie sind überall", meinte Marlene und deutete auf die Fenster, wo von draußen das Licht der Fackeln erstrahlte. 

Einer der Dorfbewohner holte von draußen mit der Mistgabel groß aus und schlug gegen die Fensterscheibe, welche zuerst nicht anfing zu brechen. Aber nach dem zweiten und dritten Schlag wurden die Risse im Glas größer und einzelne Scherben lagen schon am Boden.

"Ich will nicht sterben, Mama", sagte Connor und blickte hoffnungsvoll zu seiner Mutter, die ihn kaum ansehen konnte. Sie drehte den Kopf weg und legte ihre Hände über ihre Ohren, um seine Worte nicht mehr zu hören. "Papa, sie wollen mich umbringen." Connor wandte sich an seinen Vater, welcher ihm nur starr entgegenblickte.

"Ja, das werden sie. Und wenn sie es oder deine Eltern nicht tun, werde ich das tun, du Teufelsbrut!", entgegnete Gerard und riss Marlene Kingston in einer schnellen Bewegung den Stoffsack aus den Händen und öffnete die Phiole. Den Inhalt der Phiole schüttete Gerard in Richtung Connor, welcher nun animalisch zu brüllen begann. Seine Schreie ließen die Erde beben.

Gerard holte das Kreuz aus seinem Lederriemen, welchen er um seine schmale Hüfte gebunden hatte und hielt es Connor entgegen. Im selben Moment brach das Fensterglas und die Dorfbewohner drangen ins Haus ein. Die Tür wurde eingetreten und das Chaos nahm seinen Ursprung.

SeelenlosWo Geschichten leben. Entdecke jetzt