Kapitel 1

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"Wie geht es Connor?", fragte Samuel seine Frau, als diese aus dem Zimmer des besagten Jungens kam und die Tür hinter sich verschloss. Eigentlich haben die Zwillinge sich ein Zimmer geteilt, aber der Gesundheitszustand des älteren Zwillings war besorgniserregend schlimm, sodass das Ehepaar es nicht riskieren konnten ihr zweites Kind an die Krankheit zu verlieren.

"Wird Connor wieder gesund?", fragte Ares und klammerte sich mit seinen Armen um die Hüfte seiner Mutter. Der schwarze Stoff ihres Kleides kratzte über seine Wange. Der einst seidenweiche Stoff wurde durch das Waschen grob und hart. 

Marlene seufzte und strich durch die dunklen Haare ihres Sohnes mit beruhigender Geste. Die junge Frau blieb stumm, denn sie wollte weder ihren Mann noch ihren gemeinsamen Sohn ins Gesicht lügen, um falsche Versprechen zu machen.

"Ich habe Salbei im Zimmer angezündet und ihm Kräuter zum Schlafen gegeben. Er sieht nicht gut aus, Samuel", sagte sie dann schließlich und Ares gab ein Wimmern von sich. Es brach Marlene das Herz ihre Familie so zu sehen.

Trotz ihrer Ausbildung als Heilerin und zumal eine der besten Heiler hier in Grimmauld war sie mit ihrem Latein am Ende. Marlene Kingston konnte und wusste ihrem Sohn nicht zu helfen. Sie war verzweifelt.

"Vielleicht sollten wir Gerard um Rat bitten. Er ist der Dorfälteste mit Sicherheit kann er Connor helfen", meinte der Familienvater und legte seine Hände auf die freien Schultern seiner Frau. "Connor wird wieder gesund", sagte er zu ihr und seinem Sohn, der noch immer sein Gesicht in dem schwarzen Stoff vergraben hatte und auch keine Anstalten machte aus seiner Position zu fallen.

"Diese gottverdammten Kreaturen! Möge Gott sie in die tiefsten Schlunde der Hölle verbannen! Warum tun sie uns das an, Samuel? Warum uns? Warum ihm?" In Marlenes dunkelblauen Augen bahnten sich Tränen auf. Sie fühlte sich hilflos und machtlos. Es war ein schreckliches Gefühl, welches sie ekelte.

Samuel Kingston nahm seine Familie fest in den Arm und unterdrückte das Verlangen selbst in Tränen auszubrechen. Zumindest einer in der Familie muss für die anderen stark bleiben und diese Rolle fiel ihm zu, die er ehrenhaft annahm. Er hörte seinen älteren Sohn hinter der Tür stark Husten und löste die Umarmung um sein ein und alles. Seine Familie. 

Er lehnte sich mit der Stirn gegen die Holztür und lauschte dem immer lauter werdenden Hustens seinen kranken Kindes. Das Husten entwickelte sich zu einem Röscheln und aus einem Röscheln wurde ein Würgen.

Samuel Kingston öffnete so rasch die Tür, dass er sie fast aus ihren schwachen Angeln riss. Der Familienvater sah seinen kranken Sohn kerzengerade auf dem Bett sitzen. Sein Schlafgewand klebte an seinem Körper wie eine zweite Haut. 

Die blonden Engelslocken klebten dem Jungen auf der Stirn. Er zitterte wie Espenlaub im Wind. Vor dem kleinen Kind fand Samuel eine Mischung aus Erbrochenem, Blut und Erde vor und der Kleine erbrach weiter.

 Als er Connor an seinen schmalen Schultern packte bekam er Eiseskälte unter seinen Fingern zu spüren. Samuel schrak zurück und blickte mit aufgerissen Augen zu seiner Frau und seinem Sohn, die ins Zimmer gestürmt haben. Marlene eilte zu ihrem Mann und umfasste sein Gesicht mit beiden Händen, während Ares zu seinem Zwilling rannte und ihn umarmen wollte.

Bevor er ihn jedoch erreichte, drehte Connor den Kopf zu seinem Bruder und begann zu lachen. Aber es war nicht sein glockenhelles Lachen, welches er hatte, wenn er glücklich war. Es war ein teuflisch grelles Lachen. Connor lachte aus vollem Hals und legte den Kopf in den Nacken.

Die Mischung aus Erbrochenem, Blut und Erde lief ihm aus den Mundwinkeln hinunter. Es war ein Anblick des Teufels. Danach drehte sich Connor mit getrübten Augen und leichenblasser Haut zu seiner Familie um, die ihn verängstigt anstarrte.

"Es ist wahrlich ein Fest in diese armen, verängstigten Gesichter zu sehen...", sagte Connor mit spöttisch rauer Stimme, die nicht zu ihm gehörte. Er kicherte vor sich hin und stützte sich mit beiden Hände auf der Matratze ab. "Seht euch doch nur an... Gott hat euch verlassen." Ein neues teuflisches Lachen entkam Connors Lippen, bevor er wieder zu erbrechen begann.

Connors zierlich kleine Gestalt fiel auf die Matratze zurück und Stille kehrte in den Raum ein. Der kleine Junge bewegte sich nicht mehr, ebenso gab er kein Ton von sich. Seine kleine Brust hob und senkte sich, wenn auch unregelmäßig. 

"Er ist vom Teufel besessen", sagte Malene, doch ihren Lippen entrann nur ein Flüstern. Ihre Stimme war dünn und so wie sie es immer tat, wenn sie nicht wusste, was um sie geschah, fasste sie sich an ihre Halskette und flüsterte flehende Worte in Gottes Ohr. Ares begann zu lauthals zu schluchzen und machte sich nicht die Mühe den Rotz und seine Tränen aus dem Gesicht zu wischen.

Samuel Kingston griff in die Jackentasche seiner Arbeitsuniform und zog ein Taschentuch für seinen weinenden Sohn hervor. Er machte mit einer Geste deutlich, dass der Jüngere in das Taschentuch schluchzen sollte, um den ganzen Rotz aus seiner Nase zu bekommen.

 Ares zögerte zuerst, da er wusste, dass seine Eltern nicht viel Geld besaßen und selbst Taschentücher für sie ein Vermögen kosteten. "Ich wasche es nachher", hauchte Marlene ihrem Sohn unterstützend zu, bis er dann das Taschentuch benutzte.

"Ich schreibe morgen früh Gerard einen Brief und erkläre ihm unsere Lage. Bis dahin versuchen wir durchzuhalten und zu schlafen. Ich werde jetzt die Seile aus dem Keller holen und Connor am fixieren. Wir wissen nicht, was er heute Nacht treiben wird." Marlene Kingston sah ihren Mann skeptisch an, als er den letzten Teil sagte. "Es ist nur zu seiner und unserer Sicherheit, Schatz." Er gab ihr einen Kuss auf die Wange, doch ihr skeptischer Blick blieb hart.

"Morgen wissen wir mehr, wenn Gerard Connor untersucht."

SeelenlosWo Geschichten leben. Entdecke jetzt