Sie merkt wie sie jemand an der Schulter packt, ihr wird schwarz vor Augen dann sackt sie zusammen.
Das erste was sie wieder wahr nimmt sind Geräusche, die Augen lässt sie geschlossen. Sie will nicht wissen wo sie ist oder wem die Stimmen gehören die ihr jetzt immer deutlicher ins Bewusstsein kommen. Eine sorgenvoll klingende Stimme dringt nun in den Vordergrund es ist die ihres Freundes. Plötzlich wird es ruhig, ist sie wieder weg gedämmert oder sind die Leute gegangen? Sie weiß es nicht. Als nächstes spürt sie eine Hand die ihre nimmt und eine andere die ihre Wange streichelt so sanft als könnte sie bei Druck zerbrechen.
Früher war sie immer die starke, die die alles im Griff hatte und organisiert hat. Sie hatte, wie man so sagt, die Hosen an. Es funktionierte - auch wenn sie sich gewünscht hätte jemanden zu haben der mal eine Ansage machen kann. Einen charakterstarken Menschen mit Ecken und Kanten. Das wäre ihr lieber als diese übervorsichtigen Handlungen ihres Freundes um nur nichts falsch zu machen.
Er liebt sie das weiß sie und deshalb kann sie jetzt auch noch nicht die Augen öffnen. Sie könnte es nicht ertragen in seine treuen blauen Augen zu schauen die sicher schon feucht glänzen. Sie weiß dass das was sie getan hat nicht fair ist. Auch er leidet und wenn er jetzt auch noch die Liebe seines Lebens verlieren würde, würde ihn das umbringen.
So viel Schmerz kann ein Mensch kaum ertragen.
Immerhin konnte er den Verlust überwinden und weitermachen, hat gearbeitet und sein aus den Fugen geratenes Leben wieder ordnen können. Sie konnte das nicht und dafür hasst sie ihn aber vor allem sich selbst.
Jetzt in diesem Augenblick würde sie sich wünschen alleine zu sein, das er geht. Aber das tut er nicht. Sie weiß, er würde die ganze Nacht hier sitzen bleiben wenn er kein Lebenszeichen von ihr bekommt. Also öffnet sie die Augen.
Sie sieht seine Erleichterung und spürt diese unbändige Liebe. Nach all dem immer noch, denkt sie.
Er kann sie nicht ansehen, er dreht den Kopf in die andere Richtung. Sie weiß dass er versucht seine Tränen zurückzuhalten.
Es schmerzt sie ihn so zu sehen.
Therapien würden ihr nicht mehr helfen auch diese Antidepressiva würde sie nicht mehr nehmen wollen, die machen alles nur stumpf und genau so trostlos gegen die Trauer an sich, hilft nichts.
Sie sind schon einige Varianten durchgegangen. Umzug - in die Nähe ihrer Familie doch der Kontakt ist so oberflächlich und kalt dass sie es, auch aufgrund eine neue Arbeit suchen zu müssen, ausgeschlossen haben.
Trennung - doch nach langer Diskussion wollte keiner alleine weiter mache. Man weiß über die Stärken und Schwächen des anderen Bescheid und sie leben gut zusammen das weg zu werfen würde niemanden weiterhelfen.
Nicht mal der Tod war ihr vergönnt. Da kommt ihr die Erinnerung ihres Retters. Geistesgegenwärtig murmelt sie seinen Namen "Richard Kollmann" Simon dreht nun doch den Kopf wieder zu ihr und sieht sie fragend an. Sie wiederholt "Richard Kollmann" Er hat mich aus dem Wasser gezogen.
Simon setzt sich wieder zu ihr ans Bett und sieht sie durchdringend an. Erzähl mir was passiert ist. Nun ist sie es die seinen Blick nicht stand halten kann und schaut weg. Dann sagt sie: "Ich ging ins Wasser, er hat mich rausgezogen und hier her gebracht." Nun schaut sie ihr Freund ärgerlich an und sagt: "So so aus dem Wasser, Ernsthaft?" Sie geht nicht weiter darauf ein und fragt: "Was sagen die Ärzte? Du weißt ich werde keine weiteren Therapien machen. Lass uns gemeinsam eine Lösung finden." Emotionslos und resigniert sagt er: "Das haben wir doch schon versucht." Du solltest dich ausruhen, die Ärzte wollen dich zur Kontrolle hier behalten auch weil du nochmal ohnmächtig wurdest. Was hattest du vor, du standst kurz vorm Ausgang?" Sie hob nur die Schultern so als erinnere sie sich nicht mehr. Dann sagt sie: "Ich bin müde, fahr nachhause." Er lässt ihre Hand los und sagt: "Ich muss morgen früh noch was auf der Baustelle machen und werde mit meinem Chef reden mir frei zu geben. Dann komm ich dich abholen." Sanft drückt er ihr noch einen Kuss auf ihre Lippen und verlässt den Raum. Erleichtert bleibt sie zurück, sie kann es nicht ertragen, seine Verzweiflung zu spüren zumal sie daran Schuld ist.
Sie schaut in die Tasche die ihr Mann mitgebracht hat. Alles drin. Kleidung, sogar an ihr E-Book hat er gedacht. Und ihr Handy samt Ladegerät. Sie schaut in ihr Handy zwei Anrufe in Abwesenheit von ihrer Arbeitsstelle. Darum würde sie sich später kümmern. Sie geht ins Internet und googelt Richard Kollmann. Sie scrollt etwas nach unten dann entdeckt sie ihn Fliesen-Naturstein Kollmann samt Bild von ihm.
Geistesgegenwärtig drückt sie auf Anrufen. Nach dreimaligen läuten hört sie eine junge Frauenstimme ins Telefon trällern "Fliesen und Naturstein Kollmann was kann ich für sie tun?" Sie räuspert sich und sagt "Hallo hier spricht Elena ist Herr Kollmann zu sprechen?" "Er ist gerade nicht im Haus kann er sie zurückrufen?" Sie stockt "Nein ich versuche es später nochmal, wann ist er den erreichbar?" "Kurz vor Feierabend ist er im Büro ab 16 Uhr." "Gut danke, dann versuch ich es nochmal." Nach der Verabschiedung legt sie auf.
Sie schließt die Augen. Als sie sie wieder öffnet und auf ihr Handy Display schaut ist es bereits 17 Uhr. Zwei Stunden hat sie geschlafen. Heute würde sie wahrscheinlich niemanden mehr erreichen, außerdem was soll sie sagen. Sollte sie sich bedanken, nein schließlich hat er ihren Plan zunichte gemacht. Trotzdem will sie ihn anrufen, er war gut zu ihr und stellte keine Fragen. Sie hat keine Freunde und er wüsste schon Bescheid, vielleicht würde es gut tun mit ihm zu reden. Er kennt sie nicht und ist kein Psychiater das sind schon mal gute Voraussetzungen. Sie versucht es doch, hört das Freizeichen und gleich nach dem ersten läuten seine Stimme sagen, "Kollmann." Autoritär und deutlich. Sie muss schlucken ehe sie sagt: "Hallo, hier ist Elena." Nichts von ihm, klar sie hatte sich auch nicht vorgestellt. Also fügt sie schnell hinzu "Die von heute früh." Nach einer kurzen Pause sagt er "Hab nicht gedacht nochmal von Ihnen zu hören." Sie sagt: "Ja tut mir Leid dass sich sie nach Feierabend anrufe." Er antwortet: "Kein Problem, ist ja nichts geschäftliches, oder wollen sie Fliesen bestellen." Sie hört an seiner Stimme das er lächelt. Weiter sagt er "Ich hab heute viel an Sie gedacht, Elena" als er ihren Namen ausspricht bekommt sie Gänsehaut, "Ich wollte ihre Pläne nicht durchkreuzen." Mit dem hat sie jetzt nicht gerechnet. Kurzes Schweigen bis er sagt: " Aber Aufgeben ist keine Option, das Leben hat so viel schönes zu bieten. Man muss es nur Schritt für Schritt angehen. Den ersten Schritt habe ich für sie gemacht. Was sie jetzt daraus machen hängt von ihnen ab. Ein zweites Mal werde ich sie nicht mehr retten."
Sie sagt etwas verdattert: "Das würde ich auch nicht wollen." Er lacht und sagt: "Wann werden sie aus dem Krankenhaus entlassen, wir sollten uns treffen." Sie antwortet: "Morgen Vormittag holt mich mein Freund ab." Soll er ruhig gleich wissen das sie nicht mehr zu haben ist, auf Männerbekanntschaften kann sie gerne verzichten. Er sagt: "Morgen um 16 Uhr habe ich Zeit, treffen wir uns in der Stadt am Urbani Platz im Kaffee direkt dort." Diese direkte bestimmende Art ist sie nicht gewohnt. Sie antwortet etwas unsicher. "Ok, ist gut." Er merkt ihr ihre Nervosität an und sagt: "Sie können natürlich auch ihren Freund mitbringen, aber glauben sie mir ich werde ihnen nichts tun, immerhin habe ich sie gerettet. Also dann bis morgen." Ciao und schon hat er aufgelegt.
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Es geht immer weiter auch wenn es noch so weh tut
DiversosWie soll man das schlimmste was man sich vorstellen kann verarbeiten? Wann ist der Punkt erreicht an dem sich kämpfen nicht mehr lohnt? Ist es erlaubt irgendwann aufzugeben? Was macht das Leben wieder lebenswert? Eine Geschichte darüber nie aufzugeb...