Psychiatrie

12 1 0
                                    

Dann kommt jedenfalls wieder jemand in das Zimmer. Ich blicke überrascht auf, denn es ist Jules. Ich springe auf und falle ihr in die Arme. Da merke ich, dass das Medikament am nachlassen ist.Jules nimmt mich am Arm und ich gehe mit ihr. Sie ist der einzige Mensch dem ich jetzt noch vertraue. Wir gehen die Treppe wieder hoch und aus dem Polizeirevier. Es ist mittlerweile hell. Ein Polizeiauto warte schon auf uns, sagt sie zu mir. Ich habe Angst aber gehe ohne zu zögern mit ihr und steige ein. Nach einer Weile halten wirvor einem grossen Haus. Aus der Haustür kommen uns zwei Leute entgegen. Sie begrüssen mich und mir fällt ein Schild auf. Willkommen in der Kinder und Jugend Psychiatrie Winterthur. Ich schaue Jules entsetzt an. Es sei das beste für mich! sagt sie nur. Ich umarme sie noch einmal und sie flüstert mir ins Ohr, dass ich das schaffen werde und sie an mich glaubt. Es müsse zuerst schlimmer werden ehe es einfacher wird. Der Schmerz verschwinde nie ganz und wird für immer ein Teil von mir bleiben. Aber hier könne ich lernen mit ihm umzugehen und ihn verarbeiten. Sie drückt mich ganz fest und schaut mir in die Augen die mittlerweile wieder voller Schmerz sind. Ich solle ihr glauben, es sei das richtige sagt sie noch zu mir. Danach gehe ich mit den Pflegern mit. Ich drehe mich noch einige mal zu Jules um, bis wir an der Haustür angekommen sind. Die zwei Leute stellen sich als Livio und Sabrina vor. Sie erklären mir, dass sie es hier nicht so mit Förmlichkeiten hätten und sich alle duzen. Leon und Sabrina wirken sehr freundlich und offen auf mich. Sie bringen mich zu einem Zimmer. Sabrina klopft an die Tür und sie wird von einem Mädchen geöffnet. Sie hat lange schwarze Haare und dunkelgrüne Augen. Ihre Haut ist bräunlich und sie ist ein wenig grösser als ich. Sie stellt sich als Jasina vor. Ich gehe ins Zimmer und setze mich auf das freie Bett. Das Zimmer ist von Sonnenlicht durchflutet. Über dem Bett von Jasina hängen unzählige Fotos. Es hat einen Schrank und einen Schreibtisch. Neben beiden Betten steht ein kleiner Nachtisch mit einer Lampe. Das Fenster ist gekippt und man hört den Vogelgesang von draussen. Das Zimmer ist in den Farben grün und gelb eingerichtet. Jasina fragt mich lächelnd ob es mir gefällt. Ich schaue sie lächelnd an, nicke und antworte ihr, dass es mir sehr gefalle. Die Pfleger schliessen die Tür. Jasina fängt an von sich zu erzählen und ehe ich mich versehe, hat sie mich in ein Gespräch verwickelt. Ich erfahre, dass sie sechzehn Jahre alt ist und mit acht Jahren aus Syrien in die Schweiz geflüchtet ist. Daraufhin ist sie aufgrund der dramatischen Erlebnisse und Rassismus depressiv geworden. Sie hat begonnen sich selbst zu verletzen und ist daraufhin in verschiedene Einrichtungen gekommen, bis sie hier gelandet ist. Sie erzählt mir das alles so gleichgültig als wäre es normal. Sie kommt sehr selbstbewusst und offen rüber. Wir kennen uns erst so kurz und sie hat sich mir schon komplett anvertraut.Sie ist mir gleich sympatisch und ich finde sie aussergewöhnlich hübsch. Ich habe noch nie ein Mädchen auf diese Art schön gefunden. Sie fragt mich, warum ich hier sei. Augenblicklich verändert sich meine Laune ins negative und ich werde wieder traurig. Ich antworte ihr nur, dass ich hier bin um einen Grossen Verlust zuverarbeiten. Meine Augen füllen sich mit Tränen und ich schaue auf den Boden.Jasina setzt sich zu mir aufs Bett. Es währe okay, dass ich mich nicht gleich öffne, sagt sie zu mir, ich solle mir genug Zeit nehmen und irgendwann werde ich bereit sein. Sie umarmt mich. Ich wurde noch nie so schnell von jemandem umarmt, den ich erst so kurz kenne. Es fühlt sich gut an. Sie riecht nach Zitrone und Pfefferminze.Es klopft an die Tür und Jasina öffnet sie erneut. Livio steht mit einem Koffer davor. Josy der ist für dich. Ich nehme ihn erstaunt entgegen und bedanke mich unsicher.Ich hebe den Koffer auf mein Bett und öffne ihn. Ganz oben liegen viele Briefe. Ich stelle erstaunt fest, dass sie von allen meinen Freunden und Verwandten sind. Ich öffne den ersten Briefumschlag. Der Brief ist von meinen Eltern. Sie schreiben mir unzählige liebe Sachen. Unteranderem, dass sie mich immer noch über alles liebenund mir verzeihen. Sie schreiben, dass ihr grösster Wunsch ist mich wieder laut lachen zu hören. Ihr zuzuhören wie ich von der Schule erzähle. Vorallem aber wünschen sie sich, mich wieder in die Arme schliessen zu können. Ich spüre wie etwas warmes, feuchtes meine Wange hinunterläuft. Ich öffne alle Briefe nacheinander und lese sie sorgsam durch. In vielen hat es Fotos drinnen. Am Schluss liegt noch ein ungeöffneter Brief im Koffer. Ich erkenne darauf die Handschrift von Nelio. Ich reisse den Brief auf. Der ungewöhnlich dick ist. Unzählige zusammengefaltete Blätter befinden sich darin. Auf jedem steht Happy Birthday und eine Zahl. Er hat mir für jeden meiner Geburtstage einen Brief geschrieben. Auf einem Blatt steht jetzt lesen. Ich falte es auf. Es ist der Abschiedsbrief von ihm. Ich breche nun endgültig in Tränen aus. Meine Tränen tropfen auf den Brief. Ich lese ihn durch. Er schreibt von vielen gemeinsamen Erlebnissen von uns und wie sehr es ihm leid tut. Er schreibt ich soll weiter machen egal was passiert. Er hat keinen anderen Ausweg mehr gesehen. Es tut ihm unglaublich leid, dass er sich in den letzten Monaten so von mir distanziert hat. Aber am meisten schreibt er wie sehr er mich liebt. In diesem Moment fasse ich einen Entschluss. Ich will für meine Familie und für meine Freunde weiterleben. Ich will noch unzählige wunderschöne Momente mit ihnen verbringen und mein Leben leben. Ich möchte für sie da sein wenn sie mich brauchen. Ich will eine Familie gründen. Ich möchte glücklich sein.2 Monate späterIch sitze auf unserem Fensterbrett und schaue hinauf in den Himmel. Mitten im Mondlicht wie so oft in den letzten zwei Monaten. Irgendwo dort oben ist mein Bruder und passt auf mich auf. Ich lasse meinen Blick über die vielen glitzernden Sterne schweifen. Der Himmel ist so wunderschön. Ich wünsche mir im Weltall zu sein. Umgeben von dieser Schönheit. Schweren Herzens gehe ich barfuss in meinem Nachthemd zurück zum Bett. Ich kuschle mich in meine Decke. Ich sollte jetzt wirklich schlafen sage ich mir selbst, mit einem Blick auf den Wecker der 2:56 Uhr anzeigt. Am nächsten Morgen werde ich wie immer um sieben Uhr vom Wecker geweckt. Ich ziehe mich an und gehe gemeinsam mit Jasina herunter in den Speisesaal. Es gibt wie so oft Toast mit Marmelade und frische Früchte. Ich schnappe mir einen Apfel und setze mich zu Rachel und meinen anderen Freunden an den Tisch. Nach dem Frühstück putze ich meine Zähne. Danach ist Gemeinschaftstherapie. Sie macht wie immer sehr viel Spass und wir lachen viel. Nach dem Mittagessen habe ich Kunsttherapie. Man konnte zwischen vielen verschiedenen Therapien wählen. Jasina geht in die Musiktherapie und meine anderen Freunde in die Bewegungstherapie oder in die Tiertherapie. Heute zeichne ich wie schon so oft eine Galaxie. Nach dieser Therapie haben wir Freizeit und Zeit zum duschen. Anschliessend gibt es Abendessen. Danach spielen wir meistens Kartenspiele oder unterhalten uns bis um 22:00Uhr. Dann ist Nachtruhe. So geht das Tag für Tag. Doch dank dem geht es mir bald so gut, dass ich nach Hause kann. Ich freue mich auf morgen. Dann ist Silvester und der normale Tagesablauf ändert sich. Wir machen gemeinsam spiele und kochen gemeinsam. Das Highlight ist aber am Abend. Nachdem wir einen Film geschaut haben, gehen wir raus in den Garten undschauen den Feuerwerken zu. Ich schlafe glücklich ein. Genau so fröhlich wache ich wieder auf. Der Ganze Tag macht mir riesigen Spass. Endlich ist der Moment gekommen und es schlägt 12:00 Uhr. Ich stehe ein wenig abseits von den anderen mit Jasina im Garten. Plötzlich schaut sie mich an. Sie erzählt, dass sie schon seit unserer ersten Begegnung etwas spezielles gefühlt hat. Dieses Gefühl wurde immer stärker und vor zwei Wochen ist ihr klar geworden, dass sie sich in mich verliebt hat. In dem Moment wird mir klar, dass ich das Selbe fühle. Schon die ganze Zeit, Ich konnte es einfach nicht einordnen. Doch jetzt bin ich mir sicher. Ich schaue Jasina in ihre dunkelgrünen Augen und langsam berühren sich unsere Lippen. Es ist ein wunderschöner Silvesterkuss. Ein Glücksgefühl, wie ich es noch nie gespürt habedurchströmt mich. Es fliesst durch meinen ganzen Körper. Und in diesem Momentfällt mir ein Zitat ein, dass mir mein Bruder vor vielen Jahren einmal gesagt hat, als ich ihn fragte was Glück ist. Glück ist Liebe nichts anderes. Wer lieben kann ist glücklich. Ich nehme die Hand von Jasina und zusammen sehen wir zu, wie die Raketen hinauf in den Himmel steigen

SchicksalsschlagWhere stories live. Discover now