Stalker

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Es ist etwas laut, alle sprechen in dem stickigen, kleinen Raum ohne Fenster der geschlossenen Psychiatrie in Erlangen. Es liegt eine angespannte Stimmung in der Luft. In der Mitte des Zimmers steht ein Stuhlkreis, fast alle Stühle sind belegt, bis auf drei. Nach ein paar Minuten kommen zwei der drei Fehlenden und ich beschließe einfach einmal anzufangen, schließlich tickt die Zeit da meistens eine Stunde nicht reicht um jeden etwas erzählen zu lassen. Ich lese die Namen alphabetisch vor um die Anwesenheit zu prüfen, pünktlich zu seinem Namen schneit ein etwas älterer Mann herein mit grauen Haaren und leichten Bart. Ich sehe ihn an und zeige auf den einzigen freien Platz, gleichzeitig mache ich eine Geste die ihm vermitteln soll, anzufangen. Er setzt sich mit leichtem stöhnen auf den blauen Plastik Stuhl, die Jahre hatten anscheinend ihre Spuren hinterlassen. Ich schätze ihn sehr freundlich und familiär ein. „Mein Name ist Günter, Günter Vogt. Ich bin mittlerweile 53 Jahre alt, Stalker so wie auch Mörder. Ich hab mich damit abgefunden, will und kann nun offen darüber sprechen." stellt er sich in der Selbsthilfegruppe vor.
„Ich habe alles verloren, allein durch diese Sucht. Die Sucht nach jungen Frauen, ihnen auf zu lauern, sie zu stalken und letzt endlich zu verschleppen. Ich will hier ganz ehrlich sein und mir helfen lassen, hier bringt es mich nicht weiter etwas zu vertuschen oder es herunterzuspielen. Ich stalke seit 24 Jahren und habe 7 Frauen umgebracht. Viele hatten mich gefragt ob ich denn überhaupt kein Mitleid mit den Frauen hatte, natürlich hatte und habe ich mitleid. Niemand der einen Mord begangen hatte wird ihnen sagen, dass man nie wieder an diese Person denkt, auch wenn es nur ein Fremder war. Manchmal liegt man Nachts wach und hört die Person beziehungsweise die Personen, das Kreischen, die letzten Worte sowie das letzte Röcheln bevor sie ersticken. Es spielt sich wieder und wieder in ihrem Kopf ab, ich kann damit umgehen, muss aber trotzdem an all die unschuldigen Frauen denken. Falls sie denken man gewöhnt sich mit der Zeit daran, dann denken sie falsch. Bei jedem Mord war ich so nervös wie beim ersten, zwar waren die anschließenden einfacher da ich wusste, wie und wo ich hin greifen musste, doch hat dies nichts mit der psychischen Belastung zu tun. Ich bin hier weil ich es meiner Frau versprochen hatte." den anderen in der Runde stockt nach diesen Sätzen der Atem. Klar jeder hat was verbrochen, ansonsten säße keiner von ihnen in der geschlossenen Psychiatrie, doch allein wie er so selbstverständlich darüber redet, als wäre es etwas alltägliches wie Zähne putzen. Unglaublich und unvorstellbar.
"Ich beginne mit der ersten Frau die ich anfing zu stalken" sagt er ruhig, die Hände liegen ganz angespannt auf seinen Knien. Alle hören ihm zu, es herrscht eine beängstigende Stille. Wenn er eine etwas längere Pause zwischen seinen Sätzen macht, ist das einzige Geräusch welches man hört das ständige Ticken der Uhr über der Türe, sie ist, so scheint es neu, doch der Rahmen hat schon seine beste Zeit hinter sich.

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