Das Mädchen

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Als ich mein Schwert schräg nach oben durch den Kopf des Mannes riss, der mein Duell gestört und mich beleidigt hatte, schrie ich: "Hund du sollst verenden in deinem ehrlosen Dasein! Mögest du in der Hölle schmoren da nichteinmal mehr Gott dich erkennt mit zweigeteiltem Gesicht!" Seinen Körper auf dem Boden aufschlagen hörend, ging ich wieder auf den Kreis zu. Alle Blicke waren auf mich gerichtet, und jeder wich mir ehrfürchtig aus, als ich zu meinem eigentlichen Gegner lief. Ich bückte mich und legte ihm eine Goldmünze auf die Brust: "Sorgt dafür, dass er eine ehrenvolle Beerdigung erhält. Ich wollte ihn nicht töten, und schon gar nicht so.", und dann richtete ich meine Worte direkt an den vor mir liegenden Hauptmann, "Es tut mir Leid... Und ich weiß nicht einmal euren Namen." Nun ging ich weiter, zu dem Mädchen die zu beschützen ich mir vorgenommen hatte. Niemand hielt mich auf oder machte noch einmal Anstalten mich anzugreifen. Als ich bei ihr ankam, immernoch am Boden kauernd, streckte ich ihr meine Hand entgegen: "Komm, wir haben es geschafft - wir sind frei." Zögerlich sah sie auf und griff nach meiner Hand. Mit einem Ruck hob ich das zierliche Ding auf ihre Beine. Ich hielt sie an der Hand und führte sie in Richtung der Taverne, bei der mein Pferd stand. Wieder machten alle Ritter Platz und niemand sprach ein Wort, bis der König selbst brüllte: "Wer zum Teufel bist du?! Und was hast du mit dieser Hu...-" Ich fuhr herum und unterbrach ihn mit scharfem Unterton in der Stimme: "Hütet eure Zunge! Wenn ihr hier noch einmal jemanden beleidigt, werde ich auch vor einem Königsmord nicht zurückschrecken. Der einzige Grund warum ihr noch nicht tot seid ist, dass euer Bruder sonst an die Macht käme. Ihr seid nur dumm, er aber ist gerissen und hinterhältig - und es wird selbst für mich nicht möglich sein zwei Könige zu töten." Das ohnehin atemberaubende Schweigen wurde plötzlich durch etwas noch leiseres ersetzt. Niemand wagte zu atmen und nur ich war zu hören, wie ich mich ruhigen Blutes und ruhigen Pulses zum Weiterreden entschloss: "Um auf eure Frage zu antworten, ich bin Michael, einer der heiligen Helden - die Anwesenheit Gottes."

Als wir mein Pferd erreichten, meinen treuen schwarzen Hengst, hob ich die immernoch Zitternde vorsichtig auf ihn. Sie war ziemlich dürr und ich hatte Angst sie zu erdrücken. Ich fragte sie in bemüht ruhigem, sorglosen Ton: "Wie heißt du, Mädchen, und wo wohnst du?" Sie antwortete zögernd, den Blick nicht von den Rittern wendend, die im Hintergrund immernoch ratlos herumstanden und darauf warteten, dass ihr König fertig wurde mit Fluchen. Ich konnte ihnen selbst auf eine solche Entfernung ansehen wie sehr sie ihren ruhigen und sachlichen Hauptmann vermissten. Nun ja, das war nicht mein Problem. "Ich... ich heiße Emilia. Ich... habe kein Zuhause mehr." Ihr Blick huschte hinüber zu einem Haus, dessen Fenster verrammelt und Tür eingetreten war. Sie war also eine Waise - denn besagtes Haus war das Waisenhaus. Dass sie dort nicht mehr aufgenommen werden würde, nachdem sie sich mit dem König angelegt hatte, war klar. Ich seufzte. Ein Mädchen retten, Duelle ausfechten, sich mit dem König anlegen - all das war kein Problem für mich. Alles davon hatte ich oft genug getan. Doch nun musste ich sie mitnehmen! Ich weiß nicht was der König, der Hauptmann oder die Ritter sich gedacht hatten, weswegen ich für dieses Mädchen kämpfte, doch der eigentliche Grund war folgender: Ich sehe es als meine Pflicht diejenigen zu beschützten, die es nicht selbst tun können. Darum, und nur darum, habe ich mich damals entschlossen einer der heiligen Helden zu werden. Nur weil ich immer das Gefühl habe in solchen Situationen eingreifen zu müssen, bin ich einer der Helden Gottes geworden!

"Du kommst jetzt einfach mit mir mit, bis uns ein Platz für dich einfällt. Hast du Freunde oder Verwandte zu denen du könntest?", fragte ich sie so mitfühlend ich konnte. Unsere Augen trafen sich für einen Moment - sie hatte mir in meine gestarrt während ich das Waisenhaus und die Ritter gemustert hatte - bevor sie ihre schreckhaft wieder dem Boden widmete. In ihrem Blick lag sowohl Angst wie Trauer und sie zögerte einige Momente, bevor sie ganz sachte den Kopf schüttelte. Ich sah ihr die Angst an, ich würde sie nun alleine lassen. Nachdenklich ließ ich meinen Blick schweifen und erwiderte: "Hmm... da benötige ich Hilfe. Wir werden erstmal zu einigen Bekannten von mir gehen, die ich um Rat fragen kann. Du musst wissen es kommt immer nur darauf an Leute zu kennen!" Ich schwang mich vor sie auf den Hengst und nach einigen Schritten hielt ich nachdenklich erneut an. "Wir müssen dir etwas passendes zum Anziehen kaufen - unser Ziel ist ein paar Tage entfernt, und in einem Kleid reist sich sicher nicht besonders gut." Ich ließ ihr keine Gelegenheit zur Antwort, drückte ihr eine weitere Goldmünze in die Hand und zeigte auf einen Laden nicht weit die kaum belebte Straße hinunter: "Lass dir dort einen Ledermantel nähen, und eine ordentliche Hose ebenso - wenn du in desem Aufzug reitest, wirst du mich nach spätestens einer Stunde anflehen nebenher laufen zu dürfen." Während ich dies sagte war ich abgestiegen und das Lächeln, mit dem ich meinen Satz beendete, erstrahlte als ich Emilia auf dem Boden absetzte. "Und nachher zeige ich dir, wie man sich auf ein Pferd schwingt!", brüllte ich ihr noch nach, bevor sie das Geschäft der alten Schneiderin betrat. Ich selbst folgte ihr erst nach einiger Zeit, als sie bereits in ihrer Ledermontur dastand. Selbst in dunkelbraunem Leder sah sie nahezu majestätisch aus! Ihr dunkelrotes Haar harmonierte mit den verschiedenen Brauntönen ihren Anzugs und erinnerte eher an eine Adelige auf der Jagd. Als sie meinen Blick bemerkte, sah ich zum ersten Mal ihr Lächeln. Obwohl sie nichts weiter tat, als schüchtern mit ihren Mundwinkeln zu zucken, strahlte sie ein ungeheures Glück aus und ich wusste: Ich würde sie beschützen, egal was dies für mich bedeutete!

Wir kamen nur relativ langsam vorwärts, mein armes Pferd musste nun uns beide tragen. Im Endeffekt war es kaum ein Unterschied, sie war leicht wie eine Feder, doch es läuft sich eben nicht so gut mit zwei Personen auf dem Rücken - mögen sie auch noch so leicht sein. Sie saß hinter mir und obwohl ich sie nicht sehen konnte, wusste ich doch sie fühlte sich als eine Last - blöd war sie nicht, denn technisch gesehen war sie eben dies: eine Last... Natürlich sagte ich ihr das nicht und ritt einfach gemütlich weiter. Nach einer Weile hielt ich das Blut gerinnende Schweigen jedoch nicht mehr aus und begann: "Wenn es den Anschein hat ich wolle dich loswerden, und es würde mich wundern wenn es den nicht hat, schließlich versuche ich ja tatsächlich dich so schnell wie möglich irgendwo unterzubringen, dann liegt das daran, dass ich dich schützen will! Ich bin kein einfacher Reisender, ich bin kein einfacher Mann! Ich bin ein Magnet für die Gefahr, ich riskiere mein Leben für den Schutz anderer... Anstatt dich wie versprochen in Sicherheit zu bringen und dich zu retten, reite ich mit dir geradewegs in die Gefahr hinein..! Denn ich bin einer der Helden - Mord und Totschlag sind meine Begleiter. So sehr ich es auch schätzen würde mit einem richtigen Begleiter durch die Lande zu ziehen, ich kann es nicht verantworten. Wer garantiert für deinen Schutz, sollte ich wieder in einen Kampf springen? Wer garantiert für deine Sicherheit, sollte ich besiegt werden? Hätte der König auch nur eine weitere Silbe seines Satzes ausgesprochen, hätte ich ihn getötet. Und dir ist klar, dass das niemand überlebt!" Meine Worte hallten durch die mit Büschen gesäumte Wiese und die vereinzelten Bäume schienen aufmerksam zuzuhören. Doch weder sie noch Emilia antworteten.


Die heiligen HeldenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt