Die Vergangenheit

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Ich war vierzehn als es passierte. Eine Horde Räuber fiel in unser Dorf ein, in meiner Erinnerung waren sie wilde Tiere, lechzend nach Blut und besessen vom Gestank des Todes.
Ich erwachte vom beißenden Geruch brennender Dächer. Es gibt kaum etwas widerlicheres als den Hirn faulenden Mief des Rauchs, mit dem moderndes Flechtwerk beim Verbrennen unsere Luft verpestet. Wie ich später lernen sollte roch verbranntes Menschenfleisch schlimmer, doch das war wahrscheinlich eine reine Kopfsache. Ein einziger Sprung brachte mich ans Fenster und lähmendes Entsetzen fesselte mich für eine gefühlte Ewigkeit an diese Stelle. Obwohl mein bester Freund der Sohn des Schlachters war, hatte ich noch nie so viel Blut gesehen wie nun unsere Straßen bedeckte. Unsere Wege und Gassen waren gepflastert mit den Leichen meiner Freunde und Bekannten, und deren Familien. Erstochen, erschlagen, zerstückelt und geschändet stapelten sich die Leichen wie Dreck zwischen den Häusern. Kaum jemand fremden sah ich unter ihnen, hatte nur Augen für die, die ich vermissen würde. Ein jäher Schlag riss mich aus meiner Starre - jemand hatte unsere Tür aufgebrochen! So schnell ich konnte schlüpfte ich in eine Ledermontur, schnappte mir mein Schwert und hastete aus dem Dachgeschoss, in dem ich wohnte, hinunter zu den Eindringlingen.
Ich überblickte die Lage schnell, war sie doch relativ übersichtlich: Mein Vater war schon mit seinem Schwert los, immerhin war er nicht nur der Schmied, sondern auch der beste Kämpfer des Dorfes! Meine Mutter hatte sich mit meiner Schwester im Keller eingeschlossen, ich hielt sie für sicher. Ich konnte nicht weiter darüber nachdenken, warum niemand an mich gedacht hatte - immerhin stand ich vier bewaffneten Männern gegenüber. In ihren Narben sah ich Kampferfahrung, doch aus deren Position schloss ich einen Mangel an richtigen Ausbildung. Da ich ebenso wie mein Bruder von unserem Vater unterrichtet worden bin, war ich meinem Gegner zumindest in einem vorraus. In den Gesichtern meiner Kontrahenten sah ich Wut, Hass und Zerstörungswahn, ich sah Brutalität, Gewissen- und Skrupellosigkeit - doch ich sah keinen unbezwingbaren Gegner! Meinern Spekulationen wurde ein so abruptes Ende gesetzt wie meinem Schlaf - der vorderste und auch größte der vier schlug mit einer erschreckend gewaltigen und blutverschmierten Axt nach mir. Mein Vater sagte immer: "Unterschätzte niemals deinen Gegner! Angst ist die Kraft, die dir in ausweglosen Situationen die Klinge von der Kehle schlägt. Ein Krieger ohne Angst ist wahnsinnig - das hat nichts mit Stolz zu tun! Stolz ist es zu Kämpfen, obwohl man sich vor Angst in die Hose scheißt." An der Stelle lachte er immer dreckig - ich erinnere mich nicht daran, dass er auch nur eine einzige Lektion erteilt hat, bei der er komplett ernst geblieben war. Meine Mutter hingegen behauptete, ich habe sie nur alle wieder vergessen. Und so tat mir der Gigant vor mir schon fast Leid - er hatte mit Sicherheit keinen so guten Vater! Das sah ich daran, dass er eben jenen Ratschlag nicht beherzigte. Das war blöd für ihn, denn es ist ein leichtes eine so von oben herab rasselnde Axt mit einem einzigen Schwertstreich daran zu hindern einem zu folgen, wenn man sich mit einem raschen Schritt zur Seite zu retten versucht. Ich sprang nach vorne, noch bevor seine Axt auf unserem frisch geschrubbten Boden aufschlug und rammte ihm mein Schwert in den Bauch. Aus dem Augenwinkel sah ich eine weitere Klinge, doch da sie nicht von meiner Hand geführt wurde, entschwand mein Vertrauen in sie rapide. Sie zischte direkt auf mein Herz zu. Eine weitere Sache, die nur Anfängern in den Sinn kommen konnte war, in die Brust zu stechen! Rippen beißen sich an Waffen wie Zecken in Haut, und reißen einem so meist das Schwert aus der Hand. Leider war damit auch dem Mann nicht geholfen, in dessen Brust sich die Klinge vergrub und so verlor sich mein Enthusiasmus meinem vorwitzigen Gegner diese Lektion zu erteilen. Stattdessen sprang ich einfach noch einen Schritt weiter, drehte mich um und schlug die auf mich zu schnellende Klinge mit dem Schwert zur Seite, das ich aus meinem nun fallenden Gegner riss. Die anderen beiden lernten schnell, sie hatten sich nun den Ratschlag meines Vaters selbst zusammengereimt und traten mir mit mehr Vorsicht gegenüber. Sie hätten mich angreifen sollen, solange ich noch mit dem selbsternannten Schwertkämpfer beschäftigt war, aber ehe sie sich versahen hatte sich das auch erledigt: Ich zog einen Dolch von meinem Gürtel - zum Glück hatte ich meinen Waffengürtel umgeschnallt - und rammte ihn dem Überraschten in den Bauch. Dazu war ich noch einen Schritt gesprungen, und zwar auf meinen Gegner zu, und hatte die beiden anderen für einen Augenblick aus den Augen verloren. Als ich gerade grinsend den Dolch aus dem Fleisch meines Gegners zog, spürte ich ein unnatürliches Stechen im Rücken. Ein Schock durchfuhr meinen Körper und ich drehte mich um, mein Gesicht quoll über vor blankem Entsetzen. Die Lippen meines neuen Gegenüber formten ein überlegenes Lächeln, in das sein Nebenmann einstimmte. Beide waren ebenfalls relativ groß - der Messerwerfer jedoch am größten. Er hatte mittellanges, ungepflegtes, dreckiges, blondes Haar. Also hatte er doch die Gunst der Stunde - oder eher des Augenblicks - genutzt um mich hinterrücks anzugreifen. Wie es aussah hatte ich die Lehre meines Vaters selbst nicht beherzigt. Mir fiel auf wie unpraktisch es war, das Kribbeln von nacktem Stahl, der sich durch deine Haut zwängt und erst vom Fleisch aufgehalten wird. Ich hatte Glück im Unglück, immerhin konnte ich mich noch nahezu uneingeschränkt bewegen! Allerdings würde sich das ändern, sobald der kleinere der Beiden - der mich dennoch um mehr als einen Kopf überragte - seine Keule hob und ihre Stacheln mit meinem Kopf vermählte. Unpraktischerweise wurde ihm dies nun langsam auch bewusst und er hob seine vor Blut triefende, Dornen bestückte Waffe. Langsam schritt er auf mich zu, wohl der Ansicht ich könne mich nicht mehr bewegen, und hob Unheil verkündend seinen roten Metallklumpen zum Schlag. Ich selbst hatte mein Schwert noch in der Hand, ebenso wie den Dolch. Ich hielt meinen überraschten Blick aufrecht und kämpfte gegen den Schmerz an, der sich nun langsam einen Weg bis in meinen Kopf gebahnt hatte - bis meine Gelegenheit gekommen war: Ich sprang erneut nach vorne - wenn man unterlegen ist, ist ein Kampf eben nur eine Abfolge von Überraschungsangriffen - und rammte auch diesem Ungetüm meinen Dolch in den Bauch. Mit meinem Schwert leitete ich den fallenden Kolben von meinem Körper weg und rannte so schnell es der Stahl in meinem Rücken erlaubte zurück in den Flur. Ich weiß, es klingt feige, doch man bedenke folgendes: Ich war vier Gegnern gegenübergetreten, denen ich allesamt Körperlich unterlegen war und hatte es geschafft drei Überraschungsangriffe hintereinander auszuführen! Der letzte von ihnen wird sich unter Garantie nicht auch noch überrumpeln lassen. Stattdessen rannte er mir hinterher, verlor mich in den Weiten unseres Flurs und fand sich kurz darauf mit meiner Klinge im Rücken wieder. Ich hatte es also doch noch ein weiteres Mal geschafft! Leider konnte ich mich nicht darüber freuen - dafür brannte meine Wunde zu stark.

Die heiligen HeldenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt