Song: Post Malone, Chemical
Das Projekt lag in aller Munde. Es hatte so schnell Wellen geschlagen, dass ich kaum fassen konnte, mit welcher Begeisterung der große Tag erwartet wurde. Lionel und Lion wurden von unseren Coaches in gegnerische Teams genommen. Die restlichen Spieler wurden zusammen mit den Ersatzspielern aufgeteilt, sodass wir zwei Mannschaften bilden konnten. Das Training lief im Großen und Ganzen gut. Lionel war zwar ein Neuling an der Rutherford, doch sein Können stand außer Frage und die anderen akzeptierten ihn schneller als wir zu hoffen gewagt hatten.
Mir war anfangs nicht klar, wie die Mannschaftsbildung vonstatten gehen würde. Ich hatte Lion bei seinen Spielen zwar immer unterstützt, doch die Organisation des Spektakels verlangte mir so viel ab, dass ich ganz perplex war, als ich erfuhr, dass meine beiden Favoriten gegeneinander spielen sollten. Daran hatte ich wirklich nicht gedacht, aber das Publikum wollte natürlich was zu sehen haben und eine überlegene Mannschaft gegen eine schwächere auf das Feld zu schicken, war zu wenig. Mein Herz überschlug sich beim Gedanken an das Spiel. Für wen sollte ich sein? Wen sollte ich anfeuern? Lion war ein toller Freund gewesen, er hatte mich in seine Welt aufgenommen und mir immer geholfen. Ich würde ihn jetzt nicht hängen lassen. Da ich mich Hals über Kopf in Lionel verknallt hatte, war ich echt in einer Zwickmühle. Ich hasste die Anspannung. Ich sah mich schon in der Kabine sitzen und die Jubelschreie von oben hören. Das Publikum tobte, es brüllte. Und ich saß auf der Bank, hielt mir die Ohren zu und zappelte mit den Beinen.
Ich beschloss, dem ein Ende zu setzen und mit Lion zu reden. Es war ein längst überfälliger Besuch. Wenn es bis jetzt noch nicht zu ihm durchgesickert war, weil er mit Kopf und Herz nur beim Football war, würde er Lionel und mich eines Tages beim Händchen halten sehen und das wollte ich ihm ersparen.
"Wie schön, Sie zu sehen", empfing mich Owen, der Hausdiener, als ich meinen Ford in der Einfahrt geparkt hatte und auf der breiten Steintreppe wartete, damit ich ins Haus gelassen wurde.
"Gleichfalls, Owen. Ich freue mich, Sie zu sehen. Geht es Ihrer Familie gut?"
Owen lächelte. "Meine Tochter Astrid besucht demnächst das staatliche College."
"Sie können sehr stolz auf sie sein. Und auf sich selbst natürlich auch."
Wir umarmten uns kurz. Owen und seine Frau Estella, die in der Küche arbeitete, waren die Seele des Hauses, was man von Lions Eltern nicht behaupten konnte. Sie besaßen eine natürliche Arroganz, die Lion zum Glück nicht geerbt hatte. Immerhin wussten sie die Dienste ihrer Angestellten zu schätzen und die Bezahlung fiel sehr großzügig aus, was eindeutige Pluspunkte waren.
Auf dem Weg zu Lions Zimmer dachte ich an all die Stunden, die ich in diesem palastähnlichen Gebäude verbracht hatte. Es war mir oft unheimlich erschienen, und sogar am Tag hatte ich ein Unwohlsein im Bauch, wenn ich hindurch lief. Ich erinnerte mich an steife Familienfeste, romantische Abende zu zweit, berauschende Partys und bombastische Halloweennächte. Der polierte Boden war aus hellem Marmor mit langen Teppichen darauf, die meine Schritte dämften. Ich kannte mich gut aus, doch noch immer gab es Räume, von deren Funktion ich keine Ahnung hatte. Damit ich mich nicht verlaufen konnte, hatte Lion mir alles, was wichtig war, gezeigt. Nachts waren wir oft heimlich in die Küche geschlichen und hatten uns sämtliche Packungen Eiscreme aus dem monströsen Gefrierschrank geholt, um sie zu probieren. Erdbeer, Sauerkirsche, Minze, Vanille, Cookie, Schokolade und etliche mehr. Ich dachte gerne daran zurück, weil ich eine Zeitlang wirklich sehr verliebt in Lion war. Er war mein erster fester Freund gewesen und wir hatten eine chaotisch-wilde Zeit hinter uns. Als wären wir zusammen erwachsen geworden.
Wie gewohnt klopfte ich, wartete eine angemessene Zeit und drückte die Klinke der schweren Türe herunter, um in sein Reich zu kommen. Es war großflächig, hatte hohe Wände, wie alle anderen Bereiche auch, und bestand aus einem Schlafzimmer, einem Ankleideraum und einem großen Badezimmer mit separater Dusche und Wanne. Lions Einrichtung war eine geschmackvolle Kombination aus antiken Möbeln, doch das Highlight war ohne Frage das riesige runde Bett in der Mitte des Schlafzimmers.
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Coffee, Book & Cat
General FictionDrei Dinge, die ich immer brauchen würde? Kaffee, ein Buch, eine Katze. Was ich nicht mehr brauchte, war Lion. Das dachte ich. Aber irren ist menschlich. Zwei Männer mit zu viel Selbstbewusstsein. Zwei Männer, die den gleichen Namen hatten. Fast. Ih...