Kapitel 1

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Mit knurrendem Magen öffnete ich den Tiefkühler, zog eine Fertigpizza aus dem obersten Fach und ging zurück in die Küche, wo bereits der vorgeheizte Ofen auf mich wartete.

Don't stop believin', hold on to that feelin', erklangen die Stimmen der Band Journey aus den Lautsprechern meines Smart Speakers, und ich konnte nicht anders, als mitzusingen und mich von der positiven Energie mitreißen zu lassen.

Nachdem ich den Timer auf fünfzehn Minuten stellte, damit der Rand der Pizza auch schön braun wurde, scrollte ich durch Social Media. Neben einigen leichtbekleideten Frauen auf Instagram, sah ich mir einige Storys von meinen Freunden an, die sie auf der Party erstellten, die gerade zu dieser Zeit stattfand. Eigentlich ließ ich mir so etwas nicht entgehen, vor allem nicht, da Carlo, einer meiner engsten Freunde, diese House-Party schmiss. Aber seit fast einem Jahr hatte ich kein Wochenende mehr für mich allein und deswegen hatte ich beschlossen, mich auszuruhen. Zwar fiel es mir nicht schwer, mit Leuten in Kontakt zu treten und was mein Hobby betraf ging das auch nie von mir aus, aber ich denke jeder liebt dieses Gefühl, wenn man ungestört einfach mal für sich existieren konnte. In einigen Storys sah ich einigen Mädchen aus meinem Jahrgang beim Tanzen zu, wobei sie sich nicht scheuten, ihren Hintern oder Brüste zu präsentieren. Im Hintergrund machten einige Paare oder Freunde miteinander rum und gaben einen Scheiß darauf, ob das womöglich tausende Menschen im Internet sahen. Ich wischte nach links, um die nächste Story zu sehen und sah in das Gesicht von Carlos, der eine private Instagram-Story aufgenommen hatte – also nur eine Story, die eine ausgewählte Anzahl an Menschen sehen konnten. In der stand er mit einigen Freunden vor der Kamera und sang, völlig betrunken wohl angemerkt, zu irgendwelchen Liedern mit, die ich, dank des Nuschelns kaum verstand. Außerdem hatte er mich markiert und dazu geschrieben: „Du fehlst uns hier, man!"

Ich likte seine Story und wischte weiter. Die nächsten Storys waren nur Fotos von einigen Mädchen, die, wie bei jeder Party, ein privates Fotoshooting im Badezimmer veranstalteten. An den beschlagenen Spiegeln waren Knutschflecke zu sehen und mit Lippenstift das Motto: „Drink, Dance, Kiss, Fuck, Repeat" geschrieben. Um die Wörter Kiss und Fuck war ein großes Herz gezeichnet worden. Auf der rechten Seite des großen Spiegels erkannte ich meinen Namen mit einem dunkelroten Lippenstift geschrieben. Das „o" wurde durch ein kleines Herz ersetzt. Das konnte nur von Lea geschrieben worden sein. Fast jeder in unserem Jahrgang wusste, dass sie schon seit längerer Zeit auf mich stand und das hielt sie auch nicht geheim. Vor einigen Wochen hatten wir ein verrücktes Wochenende gehabt, oder eher ein Two-Nights-Stand. Eigentlich hatten wir im Voraus geklärt, dass es bei Sex bleiben sollte, aber sie konnte seitdem ihre Augen nicht von mir lassen und kommentierte jedes Bild, welches ich postete. Um ehrlich zu sein, störte es mich nicht. Ich genoss es sogar ein wenig, aber das konnte ich selbstverständlich niemandem erzählen.

Carlo hatte großen Mut dazu, so eine Party bei sich zu veranstalten. Ich würde niemals so viele Jugendliche in meine Wohnung lassen, zumal es nicht Carlos Haus war, sondern das seiner Eltern, die übers Wochenende verreist waren. Ich veranstaltete zwar gerne Partys und hatte einen großen Spaß daran, aber dafür mietete ich mir einen Raum oder einen Saal, wo ich den ganzen Dreck und das Erbrochene nicht alleine aufräumen und aufwischen musste.

Mit meinen Freunden zusammen redete ich fast nie darüber, außer sie fragten mich aus. Ich wollte es nicht an die große Glocke hängen, dass ich mit vielen Mädchen schlief. Das war kein Grund anzugeben und auch kein großes Gesprächsthema für mich. Ich tat das, was ich gerne machte und niemand hatte das etwas anzugehen. Allerdings störte es mich auch nicht, wenn fast die ganze Schule davon wusste. Sollen sie doch. Sollen sie mich doch mit ihren Blicken auf dem Schulhof verfolgen und über mich reden, denke ich mir dann immer.

Zwischen Lust & LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt