Kapitel 4

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Ich betrat das Schulgebäude. An mir liefen haufenweise Paare vorbei. Nicht solche, die zusammen waren, sondern beste Freunde. Die meisten aus meinem Jahrgang trafen sich immer vor der Schule, um sich auf dem Weg dorthin alles vom Wochenende zu erzählen. Ich war da ganz anders. Ich hatte nicht diesen einen besten Freund, dem ich alles erzählen konnte. In meinem Jahrgang verstand ich mich zwar super mit allen anderen, doch so eng waren diese Freundschaften nun auch wieder nicht. Ich schlenderte durch die Gänge und überquerte den Schulhof. Schon von Weitem riefen mir einige meiner Freunde zu und winkten mich zu sich. Die Schule bestand aus drei Gebäuden. Neben dem Hauptgebäude gab es da noch das Oberstufengebäude, nur für die Schüler ab der 11. Klasse, und die große Sporthalle. Vor dem Oberstufengebäude standen einige Bänke und Tische, die meistens von den 13. Klässlern beansprucht wurden. Am Tisch ganz rechts saßen sechs Schüler und einige standen drum herum. Musste wohl ein heißes Gesprächsthema sein, dachte ich mir und lief auf sie zu.

»Hey, Jason! Da bist du ja!«, begrüßte mich einer meiner Freunde.

Ich begrüßte jeden mit einem Handschlag und setzte mich auf den Platz, den ein anderer gerade für mich freigemacht hatte. Ich wurde von so vielen gemocht, dass es schon fast zur Gewohnheit wurde, wenn jemand außerordentlich nett zu mir war, was ich ziemlich merkwürdig fand.

»Du bist ja ganz schön spät dran«, merkte ein anderer an.

Ich warf einen Blick auf meine Uhr, die ich von meinen Eltern geschenkt bekommen hatte. Es war ein silberner Brocken, der an meinem linken Handgelenk hing und einige Blicke auf sich zog. Eine sehr teure Uhr, so viel stand fest. Eigentlich machte ich mir nichts aus materiellen Dingen. Ich trug sie hauptsächlich, weil es ein Geschenk war. Es war 9:45 Uhr, zehn Minuten vor Unterrichtsbeginn, eigentlich die Zeit, zu der ich immer kam.

»Ein langes Wochenende gehabt?«, fragte Luisa, ein Mädchen aus meinem Jahrgang, das mir schräg gegenüber saß. Sie gab mir ein süßes, aber gleichzeitig auch verführerisches, Lächeln.

Wahrscheinlich erinnerte sie sich in diesem Moment an den Abend, als ich sie zum Kommen gebracht hatte und das ganze vier Mal. Es war ein wilder Abend, den auch ich nicht so schnell vergessen konnte. Das betraf aber alle One-Night-Stands oder Weekend-Stands. Es waren zwar schon eine hohe Anzahl an Mädchen, mit denen ich was hatte, sodass man hätte denken können, dass man die ein oder andere vergaß, doch ich erinnerte mich an jede einzelne. Vermutlich lag das am Tagebuchschreiben, was ich jede Woche einige Male abends, kurz vor dem Einschlafen, tat. Ich schrieb alle wichtigen Ereignisse auf, um mich später daran erinnern zu können. Dabei ließ ich selten etwas aus. Ich erinnerte mich an den Tagebucheintrag, in dem es um Luise und ihre vier Orgasmen ging. Ob einer der Anwesenden von Luises und meinem Wochenende wussten? Vermutlich nicht.

Für nur einen Bruchteil einer Sekunde biss sich das Mädchen auf die Unterlippe, unterließ dies aber schleunigst wieder, da sie Angst hatte, erwischt zu werden.

»Eigentlich nicht. Meine Schwester war zu Besuch. Familien-Wochenende«, antwortete ich.

Zum Teil stimmte das auch. Dennoch musste ich an die Nacht mit Jana denken.

»Das ist doch auch was Schönes«, fügte Marvin hinzu. Er unterstützte mich in vielen Dingen, vor allem aber verteidigte er mich, wenn andere irgendwelche Sprüche fallen ließen, die meinen Lebensstil kritisierten. Ich konnte mich zwar sehr gut wehren und wusste selbst einige Konter, aber es war auch schön, dass ich das nicht alleine machen musste.

»Wie war denn euer Wochenende?«, fragte ich schließlich in die Runde, um die merkwürdige Stille zu beenden. Ich mochte es, wenn rund um die Uhr gesprochen wurde und jeder etwas sagte. Dadurch fühlte ich mich irgendwie lebendiger.

Zwischen Lust & LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt