Kapitel 4

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Die Zeit bis Freitag ist gefühlt in slow motion vergangen. Heute habe ich Frau Pierce wieder und ich will mit ihr reden, allerdings habe ich sie erst in der fünften und sechsten Stunde. Davor habe ich noch vier Stunden Unterricht. Ich bin sowieso total unkonzentriert und bekomme kaum etwas mit. Irgendwann ist dann endlich die zweite Pause. Danach habe ich Deutsch. Mein Herz fängt an schon in der Pause schneller zu klopfen und ich gehe auf die Schultoilette um Luna ungestört schreiben zu können. Ich schreibe ihr, dass ich aufgeregt bin und Angst habe. Sie antwortet mir leider nicht während der Pause. Wahrscheinlich ist bei ihr auf der Arbeit gerade viel los und sie hat deswegen keine Zeit ans Handy zu gehen. Erst als es zum Ende der Pause klingelt, verlasse ich die Schultoilette wieder und gehe ins Klassenzimmer. Sie ist noch nicht da, das ist erstmal gut. Ich gehe auf meinen Platz und lege mich mit meinen Kopf auf den Tisch. Ich höre Schritte, gucke hoch und sehe sie. Mein Puls hat sich gefühlt gerade verdoppelt. Sie läuft ins Klassenzimmer und begrüßt uns. Ich sage nichts und lege meinen Kopf erneut auf den Tisch. Erst als die Gong erneut ertönt und den Anfang der Stunde symbolisiert hebe ich meinen Kopf und setzte mich normal hin. Sie sieht wieder wunderschön aus muss ich feststellen.
Die ganze Deutsch-Stunde habe ich kaum mitbekommen. Ich war die ganze Zeit in Gedanken. Nur einmal, als wir eine Gruppenarbeit machen sollten und sie auf einmal hinter mir stand habe ich einen halben Herzinfarkt bekommen und versucht mich zu konzentrieren. Das habe ich aber nach wenigen Minuten wieder aufgegeben und ich bin wieder in meine Gedanken versunken. Es klingelt wieder. Das heißt, die Stunde ist vorbei. Sie gibt uns noch eine Hausaufgabe auf und verabschiedet sich dann. Während sie ihre Sachen zusammen packt gehe ich vorne zum Pult zu ihr. Meine Knie werden weich und ich merke wie ich anfange zu zittern. Sie hat mich bemerkt und guckt mich fragen an. "Ähm kann ich kurz alleine mit Ihnen reden?" stotterte ich. Sie antwortete mir mit "Ja klar." Wir warten bis alle anderen aus dem Klassenzimmer gegangen sind. Sie fragt mich um was es geht. Ich sage ihr, dass es mir seit längerem nicht gut geht und ich dachte, dass ich das alleine hinbekommen kann, ich aber gemerkt habe, dass das nicht der Fall ist. Von diesem Augenblick an ist sie viel verständnisvoller, ruhiger und einfühlsamer, nicht so kalt wie meistens. Ich  sage ihr, dass ich nicht will, dass meine Eltern etwas erfahren. Als sie mich fragt wieso, erkläre ich, dass sie mich wahrscheinlich nicht verstehen würden und, dass sie auch teilweise der Auslöser sind, warum es mir nicht gut geht und ich nicht will, dass sie das wissen. Sie sagt, dass sie das versteht. Frau Pierce sagt mir, dass sie mir nicht so viel helfen kann da sie keine Expertin auf dem Gebiet ist und fragt mich, ob ich schonmal mit der Schulpsychologin geredet habe und ich beantworte die Frage mit nein. Wir reden dann einige Minuten lang und sie sagt mir öfter, dass sie mich nicht unter Druck setzten will und, dass es gut war, dass ich zu ihr gekommen bin. Sie bietet mir an ihr zu schreiben, wenn ich das Gefühl habe niemanden zum Reden zu haben und fragt mich, ob sie mir sonst irgendwie helfen kann. Ich antworte mit "Nein ich glaube nicht, trotzdem danke." Sie guckt mit mir nach den Sprechzeiten der Schulpsychologin und fragt, ob sie gleich mit mir zu ihr und einen Termin ausmachen soll. Ich bin mir erst unsicher aber nicke dann und wir gehen ins Büro der Schulpsychologin. Ich verabrede mich mit der Schulpsychologin für nächste Woche und verlasse den Raum mit Frau Pierce wieder. Wir verabschieden uns und sie geht ins Lehrerzimmer. Nach dem Gespräch weiß ich nicht wirklich wie es mir geht. Es ist einfach alles so verwirrend.
Zu Hause angekommen gehe ich in mein Zimmer und schließe die Türe. Ich höre wieder Musik und überlege währenddessen, ob es die richtige Entscheidung war zu Frau Pierce zu gehen. Ich meine sie war unglaublich nett und verständnisvoll aber trotzdem habe ich Zweifel. Was wenn sie mich jetzt für eine mental instabile Person hält? Ich meine schon klar, ich bin mental sehr instabil zur Zeit aber trotzdem. Oder was wenn sie jetzt Mitleid mit mir hat und nur deswegen so nett war? Das wäre sogar noch schlimmer. Sie bedeutet mir echt viel und ist mit echt wichtig und ich will sie nicht mit meinen Problemen belasten. Ich weiß auch gar nicht, ob sie mich jetzt nochmal darauf anspricht oder nicht. Vielleicht tut sie in Zukunft einfach so, als wäre das gar nicht passiert. Vielleicht ist das ja das Beste...
Ich denke wieder ans Selbstverletzen und da ich mich mental einfach nur erschöpft fühle, stehe ich auf und hole mein Messer. Ich setzte mich aufs Bett und denke dann an Frau Pierce. Nach einigen Minuten, in denen ich einfach nur rumsitze und mit dem Messer in meiner Hand rumspiele, fange ich an zu weinen. Ich weine so sehr wie schon lange nicht mehr. Ich weiß nicht wie lange ich geheult habe aber irgendwann bin ich noch kraftloser als vorher und habe Kopfschmerzen. Ich räume das Messer wieder auf und ich weiß nicht wie aber irgendwie habe ich es wieder geschafft, mich nicht selbst zu verletzten. Ich wische die verschmierte Wimperntusche weg und sehe wieder normal aus. Jetzt fühle ich mich wieder einfach taub. Als wären alle meine Emotionen versteckt worden. Ich setze mich an meinen Schreibtisch und mache meine Hausaufgaben. Da ich nicht sonderlich konzentriert bin brauche ich ewig bis ich endlich fertig bin. Als ich es dann endlich geschafft habe, packe ich meine Sachen wieder ein und dann kommt mein Vater schon in mein Zimmer um mich zum Essen zu holen. Eigentlich habe ich gar kein Hunger aber Ich setzte mich widerwillig an den Tisch. Ich esse auch nicht besonders viel und gehe dann wieder ins Zimmer.

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