<5.1> Der Anfang und das Ende

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Hallo, meine Lieben, nach einem spannenden gestrigen Fußball-Abend ist es mal wieder Zeit für ein kleines Kapitel. Es wird das erste von euch inspirierte Kapitel sein, deshalb passenderweise zum Anfang und zum Ende. Zwischendrin werde ich mich auch noch um Übergänge kümmern, sowie um die Einteilung in Szenen und Kapitel, die ich ja eigentlich schon viel früher geplant und immer wieder nach hinten verschoben hatte. Ich habe die Befürchtung, ich könnte Dinge aus den vorderen Kapiteln wiederholen, aber ich möchte hier ein inhaltlich geschlossenes Kapitel schreiben, zu dem einfach Aspekte gehören, die ich eventuell schon angesprochen habe.

Der Anfang

Ich habe mal gehört, dass "anfangen" und "beginnen" die einzigen richtig bedeutungsgleichen Synonyme der deutschen Sprache sein sollen. Keine Ahnung ob das stimmt :D Auf jeden Fall geht es jetzt erst mal dank @KaroomSmily um den Anfang/den Beginn/was auch immer.

Der Einstieg in eine Geschichte ist laut Sol Stein eines der wichtigsten Dinge, die man beim Schreiben beachten muss. Nehmen wir an, euer Buch steht im Regal einer Buchhandlung, ein Käufer geht daran vorbei, sieht es und nimmt es heraus. Er wird sich vielleicht das Cover anschauen, den Klappentext durchlesen und wenn er dann neugierig geworden ist, schlägt er euer Buch auf und liest die erste Seite. Spätestens jetzt entscheidet er sich, ob ihm das Buch gefällt, ob er es spannend findet, ob er es wirklich kaufen will. Selbst, wenn er es nicht gleich aufschlägt, sondern gleich mit nach Hause nimmt, ist die erste Seite logischerweise das erste, was er liest. Wenn das nicht verdammt gut ist, kann es schnell passieren, dass er euer Buch zur Seite legt. Das bedeutet für euch, dass der erste Satz, die erste Seite, das erste Kapitel den Leser sofort packen muss. Ich zitiere einmal mehr Sol Stein, besser kann man es einfach nicht sagen. Er arbeitete an einer Studie, die das Verhalten von Buchkäufern erforschte und schreibt dann weiter: "Seither muss ich jedem Autor, der mir erzählte, sein Roman komme auf Seite zehn oder zwanzig oder dreißig so richtig in Schwung, die traurige Nachricht verkünden, dass sein Buch höchstwahrscheinlich ein Flop werden würde - es sei denn, er schrieb es so um, dass es den Leser schon auf den ersten drei Seiten fesselte und so in seinen Bann zog, dass er für die Stunden der Lektüre alles andere vergaß."

Optimalerweise wird in diesem ersten Satz oder dem ersten Absatz schon das Hauptproblem sichtbar, um das es gehen wird. Zumindest sollte es keine beliebig zufällige Szene sein, denn sie sollte eigentlich die Grundlage für die weiteren Szenen und Kapitel bilden. Alles, was danach in der Geschichte passiert, sollte auf diese erste Szene aufbauen und durch sie begründet sein. Wie ich im Kapitel zum Fünf-Akt-Drama schon einmal erwähnt habe, bringt die erste Szene alles in Rollen und die anderen Szenen passieren, nur weil die erste Szene so passiert ist. Deshalb ist es auch unsinnig damit zu beginnen, dass ein Wecker klingelt oder jemand aufsteht. Diese Situation kennt nicht nur jeder (und ist damit nicht besonders außergewöhnlich oder interessant), sondern sie wird von den meisten Menschen mit negativen Gefühlen assoziiert. Meiner Meinung nach kein gebührender Einstieg in eure Geschichte!

Unabhängig davon, was in der ersten Situation passiert, sollte allein schon der erste Satz Interesse wecken. Außerdem ist es oft der erste Satz, der beim Leser für lange Zeit im Gedächtnis bleibt und der von Rezensionen zitiert wird. Wie ich schon @CaroCondrai geschrieben habe, tue ich mir extrem schwer darin, Tipps zu geben wie man einen perfekten ersten Satz hinbekommt. Ich kann nur raten, bei anderen erfolgreichen Autoren zu schauen, wie die ihre Kapitel beginnen. Hier gebe ich euch mal ein paar Beispiele, die mir persönlich in Erinnerung geblieben sind:

"Viele Jahre später sollte der Oberst Aureliano Buendía sich vor dem Erschießungskommando an jenen fernen Nachmittag erinnern, an dem sein Vater ihn mitnahm, um das Eis kennen zu lernen." Dieser Satz führt einerseits in die Person des Hauptcharakters ein, erwähnt seinen Beruf und seine Familie. Andererseits weckt es Neugierde, denn was ist daran so besonders, Eis kennen zu lernen? Und warum in aller Welt erinnert sich der Oberst ausgerechnet in diesem Augenblick daran? Fragen über Fragen, die zum Weiterlesen motivieren (Hundert Jahre Einsamkeit, Gabriel García Marquéz).

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