<1.4> Protagonist, Antagonist und Nebenfiguren

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Heute soll es nun darum gehen, wie ihr das Ganze nun in die entscheidenden Personen verpacken könnt. Generell gesprochen gibt es ja den Protagonisten (also den "Helden"), meistens auch den Antagonisten (den Gegenspieler des Helden) und diverse Nebenfiguren, die eine untergeordnete Rolle spielen. Je komplexer und je umfangreicher die Erzählung werden soll, gibt es davon natürlich dementsprechend mehr.

Ich möchte mit den Nebenfiguren beginnen, da sie wohl die allgemeinste Rolle spielen. Mir fällt oft auf, dass ich Personen einführe, die ich in einer Szene benötige, die aber beim Leser schnell wieder in Vergessenheit geraten. Kritisch wird es, finde ich, wenn sogar der Autor vergisst, wer welche Person war, denn dann ist das ein Anzeichen dafür, dass sie keine greifbaren Individuen sind. Um dies zu umgehen, gibt es einen Trick: Es geht darum, einen Punkt, eine Eigenschaft der Person hervorzuheben, eventuell auch zu überspitzen, die dann dem Leser im Gedächtnis haften bleibt.

Wenn zum Beispiel die Protagonistin drei beste Freunde hat und die am Anfang beschrieben werden: Mark war blond, Tim und Jan hatten dunklere Haare, während Jans schon fast ins Schwarze übergingen. Ich würde die total durcheinander bringen (auch wenn es vielleicht nur am Anfang ist). Der Grund dafür ist, dass die Eigenschaft blonde Haare zu haben nichts wirklich Besonderes ist. Auch die Augenfarbe hilft da nicht viel weiter. Es geht darum herauszufinden, was die Figuren zu Individuen macht.

Denkt an eure eigenen Freunde. Einer ist vielleicht ständig mit den Fingern und Händen am rumtrommeln, weil er neue Schlagzeugtakte ausprobieren will. Ein anderer ist immer am Essen. Oder betrachtet sich bei jeder Gelegenheit in irgendeiner spiegelnden Oberfläche. Vielleicht habt ihr ja noch bessere Ideen? Solche Beschreibungen helfen, die Nebenfigur von den anderen abzuheben und einzigartig zu machen.

Nun zum Protagonisten. Sol Stein schreibt, der Autor soll sich vorstellen, wie er sich fühlen würde, wenn er mit seinem Hauptcharakter drei Wochen in Urlaub fährt. Wie würden wir dieser Zeit entgegen sehen? Würden wir uns darauf freuen? Würden wir uns irgendwann langweilen? Oder wäre es total spannend, weil unserer Figur ständig etwas Neues einfällt? Auch der Leser verbringt schließlich viel Zeit mit den Charakteren, die wir uns ausdenkt, bestenfalls vermisst er sie am Ende des "Urlaubs". Und wer möchte schon mit einem Langweiler in die Ferien fahren?

Deshalb rät Sol Stein dazu, starke und exzentrische Protagonisten zu entwerfen. Die Figur sollte wissen, was sie will, und sollte dies auch um jeden Preis erreichen wollen. Es hilft der Geschichte nicht, wenn unsere Hauptfigur das Ziel hat, beliebt zu werden/ein Buch zu schreiben/zu sterben (@HappyPaty ? ^^), und sie es in der Mitte der Erzählung einfach aufgibt. Dies ist auch nachher noch für den Konflikt wichtig.

Ich bin mir selbst allerdings noch nicht so sicher, ob ich Sol Stein in seiner Forderung nach exzentrischen Figuren zustimmen kann. Ich finde, sobald eine Figur so geschrieben ist, dass man ihre Handlungen ohne wenn und aber nachvollziehen kann, ist es egal, ob die Figur stark oder schwach, exzentrisch oder unauffällig ist. Mir fällt es manchmal schwer, mich in allzu ausgefallene Personen hineinzuversetzen, einfach weil ich so nicht bin. Was meint ihr dazu?

Im Gegensatz dazu ist der Antagonist der typische Gegenspieler des Protagonisten. Denkt man an die klassischen Bösewichte, so haben diese oft psychische Ticks. Man denke zum Beispiel an Barty Crouch jr. aus Harry Potter und der Feuerkelch, wie er mit seiner Zunge immer über die Lippen fährt. Ich glaube, dass solche Beschreibungen vor allem die Unruhe des Bösewichts auf den Leser übertragen sollen und so vielleicht eine gewisse Spannung erzeugen, da der Leser ahnt, dass mit diesem Charakter etwas nicht stimmt und dass er anders handelt, als es die meisten Menschen erwarten würden.

Meiner Meinung nach funktioniert dies zwar bei klassischen Antagonisten, es gibt aber auch solche, die nicht gleich als solche zu erkennen sind. Besonders toll finde ich es zum Beispiel, wenn man den Bösewicht vorher kennen lernt und selbst seine grausamsten Taten nachvollziehen kann. Mein Lieblingsbeispiel dazu ist Star Wars. In den drei neueren Teilen kämpft Anakin ja praktisch gegen sich selbst und seine Wünsche und selbst dann, wenn man weiß, dass er böse ist, können wir uns nicht davon abhalten mit ihm zu leiden.

Es geht also vor allem darum, bei den Personen, bei Personen, die später eine Form der Macht über andere ausüben, vorher Schwächen zu zeigen. Es gibt keinen Bösewicht, der einfach nur böse ist. Oft steht dahinter zum Beispiel eine Familie, die er beschützen will, oder eine nahestende Person, für die er sich rächen will. Wenn der Leser die Aktionen des Gegenspielers nachvollziehen kann, erhöht das die Spannung im ganzen Konflikt.

Dieser Konflikt entsteht vor allem dann, wenn Protagonist und Antagonist beide etwas wollen, das im Gegensatz zu einander steht. Beide sollten nach etwas streben, etwas mit allen Mitteln erreichen wollen, sich danach sehnen, denn dann ist der Konflikt, in dem sie aufeinander treffen, nicht zufällig, sondern geradezu unvermeidlich! Die Konstellation der beiden muss einfach eskalieren und der Leser weiß dies auch. Darauf lässt sich dann die Spannung aufbauen. Ich finde das allerding etwas... fragwürdig, da sich dieses Protagonist-Antagonist-Schema auf viele Geschichten nicht anwenden lässt, die ich sehr spannend und gut gelungen finde. Oftmals braucht es keinen Antagonisten, um einen Helden ins Verderben zu stürzen. Aber ich glaube, dass es Sol Stein darum geht, dass der Konflikt der Hauptperson kein Zufallsprodukt ist und er nicht einfach mal so passiert, sondern dass die Spannung auf längere Zeit hin aufgebaut werden kann.

Mehr zum Konflikt gibts allerdings im nächsten Kapitel, ich hoffe ich schaffe das vor Freitag, denn dann ist das Seminar ^.^

Nun zur Übung (Ich habe mich echt schwer getan, etwas zu finden, das in dieses Kapitel passt): Schreibt eine kurze Szene, wie ihr reagiert, wenn ihr von einem Kurztripp-Wochenende mit dem Protagonisten eurer Wahl zurückkommt. Seid ihr genervt? Entspannt? Plant ihr schon den nächsten Urlaub? Ich bin auf eure Kommentare echt gespannt ^^

Ok, ich kann mich nicht entscheiden -.- Alternativübung: Es ist klar, dass sich Figuren im Laufe der Erzählung verändern sollten. Es kann aber auch reizvoll sein, eine Figur zu entwerfen, bei der sich manche Eigenheiten aus der Kindheit nicht verändert haben, oder die im Vergleich zu ihrem Alter frühzeitig gealtert zu sein scheint. Stellt euch eine solche Figur vor, vielleicht habt ihr auch noch andere Ideen, wie sich eine Figur entwickeln (oder eben auch nicht entwickeln) kann?

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