Kapitel 1

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                          Claire Clemonte

Habt ihr jemals den Gedanken gehabt, dass eure Familie euch gar nicht kennt?

Jemals darüber nachgedacht wie ironisch es eigentlich ist, da sie denken sie kennen und lieben den Menschen den ihr vorgibt zu sein?

Wenn dem nicht so ist dann ist alles richtig in eurem Leben gelaufen und ihr könnt euch glücklich schätzen.

Denn ihr müsst euer wahres Ich nicht vor eurer Familie verschleiern. Ihr wisst wie man liebe annimmt und sie auch zurück gibt. Dies ist eine Fähigkeit die viel zu wenig wertgeschätzt wird.

Ich wünschte ich hätte diese Fähigkeit.

Ich wünschte ich würde mich nicht komisch fühlen, wenn eine von meinen damaligen Freundinnen ihren Eltern ihre Liebe gezeigt hat.
Und deren Eltern ihnen.

Wie neidisch ich ja damals war war.
Wie sehr ich mich doch selbst bemitleidet habe.

Und es auch immer noch tue.

Ich schaue auf zu den glitzernden Lichtern vom
Eiffelturm.

Wie schön sie doch sind. Ich könnte den tanzenden Lichtern eine Ewigkeit zu sehen.

Mein Blick gleitet zu einem Paar, welches glücklich lachend auf einer Bank sitzt. Auch sie dürfen erfahren, wie sich wahre Liebe anfühlt.

Sie sind nicht aufgewachsen in einem Haus, in dem jeder nur gelitten hat, weil er den anderen nicht ausstehen konnte. In dem jeder von der Täuschung der gefälschten Liebe angesteckt wurde. Nur um von außen für die anderen Menschen glücklich zu wirken.

Nur weil jeder es nicht wahr haben wollte, dass wir nicht zusammen gehören. Und dass wir uns alle gegenseitig krank machen. So krank, dass wir uns schon wünschten diese gefälschte Liebe könnte weiter aufrechterhalten werden, damit wir zu uns selber sagen können, wir hätten Menschen die uns lieben. Die ihr Leben für unseres geben würden. Uns erfüllen und glücklich machen könnten.

Aber wenn eine Blume nun einmal verwelkt ist, kann man sie auch nicht mehr zurück zum Leben erwachen lassen. Jedoch kann man sie trocknen lassen, sich weiter über diese vertrocknete Blume erfreuen. Darüber nachdenken, wie sehr es einen erfüllt hat, als die Blume blühte.
Man möchte sie nicht loslassen. Auch wenn sie so vertrocknet nicht mehr so schön ist, wie sie einst mal war, möchte man ihren Geruch nicht vergessen. Wie sehr man ihren Geruch inhaliert hat, weil sie so bezaubernd roch. Man riecht immer noch an ihr, aber ihr Duft ist nicht mehr der selbe . Jedoch riechst du immer wieder erneut daran, in der Hoffnung du könntest dich wieder an ihrem Duft erfreuen. Jedoch scheiterst du. Innerlich weist du, sie wird nie mehr so wunderbar duften, wie sie es einst tat. Du willst diese Tatsache aber nicht zulassen und riechst immer erneut an ihr. Diese Hoffnung, dass alles wieder gut wird, verwandelt sich in eine Sucht.
In eine Sucht, die einen mit der puren Wahrheit immer wieder bestrafen wird. Trotzdem gibst du nicht auf und redest dir immer weiter ein, dass sie irgendwann mal wieder so riechen wird. Also lässt du etwas schon längst verlorenes nicht los.
Du wühlst immer weiter in der Hoffnung ihr wunderbarer Geruch käme zurück, dass du Gefallen daran empfindest und du denkst alles wäre wieder gut, da ja eh bald alles wieder so wie damals wird. Du zeigst allen, wie perfekt und toll diese Blume doch sei.

Ich merke wieder, wie diese tiefe Traurigkeit in mir erscheint. Ich sollte nicht über meine Vergangenheit traurig sein. Ich sollte im hier und jetzt leben, so wie ich es mir immer erträumt habe. Ich habe hart gekämpft, um hier in Paris, der Stadt der Liebe, wie man so schön sagt ein neues Leben anfangen zu können.

Und weil ich immer noch Hoffnung auf die Liebe habe, wie naiv es auch ist, hoffe ich das ich sie finden werde. Ich bin hier um heraus zu finden, ob der Name 'die Stadt der Liebe', begründet ist.

Ich stehe noch weitere Minuten einfach nur da und genieße die magische Schönheit des Eiffelturms.

Schließlich mache ich mich auf den Weg Nachhause. In der ruhigen Stille der Nacht laufe ich durch die verschiedensten Straßen und Gassen.

Nachdem ich schon eine Weile gelaufen bin, komme ich an den dunkleren und gefährlicheren Gassen vorbei. Das Zeichen, dass ich bald bei meinem neuem Zuhause angelangt bin. Ich wohne ich dem gefährlicheren Viertel von Paris, da ich mir nichts anderes leisten konnte. Nichts desto trotz bin ich froh und dankbar darüber, dass ich mir endlich meinen Traum erfüllen konnte.

Man könnte meinen, wenn man an einer Gasse vorbei kommt, dass keine andere ihre dunkle Traurigkeit übertrumpfen könnte. Doch wenn man weiter läuft schafft es wieder eine andere sie zu übertrumpfen. Diese sind dann noch verdreckter mit Abfall von allem möglichen.
Von einfachen Plastiktüten bis hin zu kaputten Glasflaschen, bis hin zu Spritzen.

Wie tief man doch bloß Fallen kann, diese Tiefe hat kein Ende. Immer wenn man denkt es geht nicht schlimmer, fällt man noch tiefer. Und wenn man eine Klippe hinunter fällt, ist es sehr schwer seine Flügel zu entfalten und wieder hinauf zu fliegen.

Von schreienden Stimmen werde ich aus meinen Gedanken gerissen. Ich halte inne und bleibe, wie eingefroren stehen.

„Aide! Aide!", schreit jemand, doch dann verstummt diese Stimme abrupt wieder. Jetzt höre ich nur noch ein leises trauriges Wimmern. Wenn ich mich nicht verhört habe, war es eine Frau die geschrien hat. 'Aide! Aide!', ertönt es wieder in meinen Gedanken. So weit ich weiß heißt aide Hilfe. Also war dies ein Hilfeschrei.
Oder? Mein Französisch ist auch nicht das beste muss ich zugeben. Schließlich wohne ich ja noch nicht lange hier in Frankreich. Um ehrlich zu sein erst zwei Tage.

„S'il vous plaît, quelqu'un aide!",
höre ich wieder eine brüchige leise Stimme. Also lag ich doch richtig, jemand fleht um Hilfe.

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