Kapitel 1- Sonne und Mond

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Sereia wollte schon immer ein 'gutes' Leben haben, doch an allererster Stelle brauchte sie dafür Geld. Viel Geld, und genau das hatte sie nicht einmal ansatzweise. Sie seufzte, als sie an die Wohnzimmertür klopfte.

,,Vater?" fragte sie, und öffnete die Tür einen Spalt, ,,Ich gehe zur Arbeit, Frühstück steht in der Küche." Keine Antwort. Sie seufzte, sie hatte nichts anderes erwartet.

Die Braunhaarige schloss die Tür wieder, ehe sie aus dem Haus trat.

Ihr Vater verhielt sich bereits seit einer Woche so, und Sereia machte sich ernsthafte Sorgen. Seitdem er gefeuert wurde, tat er nichts mehr außer schlafen und ab und zu etwas essen.

Das Mädchen warf einen Blick auf die alte Uhr, welche sich an ihrem Handgelenk befand. Ihre Mutter hatte sie ihr vor langer Zeit geschenkt, doch das war schon längst Vergangenheit.

Die Glocke, die über der Tür hing, klingelte leise, als Sereia die Tankstelle betrat.

Am Wochenende arbeitete sie immer hier, und unter der Woche in einem Friseursalon für Frauen. Die Schule hatte sie bereits geschmissen, als ihre Mutter starb, um sich und ihren Vater versorgen zu können.

,,Sereia!" hörte sie jemanden rufen, und sofort kam der Tankstellen-Besitzer auf sie zu. ,,Du bist viel zu früh, was machst du bereits hier?" Der alte Mann gab einen schmerzvollen Laut von sich und hielt sich den Rücken, als er sich streckte. Milan hatte seine besten Jahre eindeutig hinter sich, ging Sereia durch den Kopf, als sie seufzte, und ihre zweite Vaterfigur in strahlend blauen Augen blickte.

,,Ich habe mich erinnert, dass heute der Todestag Ihrer Schwester ist, also dachte ich mir, dass ich auch gleich früher kommen könnte, damit Sie den Tag mit Ihrer Familie verbringen." Milan lächelte mit wässrigen Augen, als er auf Sereia zukam und sie kurz an sich drückte. ,,Ich danke dir..."

.

,,Guten Tag", wie schon dutzende Male, heute begrüßte Sereia die neuen Kunden, doch sie merkte schnell, dass diese Jungs nichts Gutes im Sinne hatten. Schließlich kam nicht jeden Tag eine Gruppe Jungs mit Skimasken in die heruntergekommene Tankstelle.

,,Oh, du hattest nicht gesagt, dass hier so ein hübsches Mädchen arbeitet, Nevan", sagte einer von ihnen, doch irgendetwas an seiner Stimmlage klang gefährlich. Sereia musterte die Jungs vor ihr. Sie waren etwa in ihrem Alter und zu fünft. ,,Das war mir auch unbekannt." sagte ein anderer, wahrscheinlich war das dieser Nevan. Sereia musste zugeben, dass dieser Junge die schönsten Augen hatte, die sie je gesehen hatte. Sie waren braun, doch hatten sie etwas Goldenes in sich.

Sie räusperte sich. ,,Kann ich euch helfen?" Sie musste sich zusammenreißen, mahnte sie sich, und verschränkte ihre zitternden Hände ineinander.

Der erste grinste breit, griff unter sein Shirt und holte eine Pistole aus seinem Hosenbund.

,,Rück mit dem Geld raus, Hübsche." Sie biss sich auf ihre bebende Unterlippe. Wieso passierte immer nur ihr so etwas?

Nervös öffnete sie die Kassa und holte die Hälfte von ihrem heutigen Verdienst heraus. Er nickte, und streckte die Hand aus, damit sie das Geld reinlegen konnte, was sie auch tat. Er drehte sich um und lief aus dem Gebäude, seine Gang hinter ihm. ,,Nevan kümmere dich darum, dass sie uns nicht verpfeift." hörte sie ihn sagen, und Nevan erwiderte noch irgendetwas, was die Braunhaarige jedoch nicht verstehen konnte.

Erst als die anderen auf ihre Motorräder gestiegen waren und auch das Knurren des Motors verstummt war, kam Nevan auf sie zu. Langsam, und bedacht, fast wie ein Tier, welches sich an seine Beute anschleichen würde, fand sie.

,,Sereia, also hm?" fragte er und nickte auf ihr Namenskärtchen. ,,Nevan, also hm?" Sereia biss sich auf die Lippe und bereute ihre Worte augenblicklich, als sie sah, wie sich der Blick des Jungen verdunkelte. ,,Hör' mal zu kleine", er beugte sich über die Theke und stoppte erst kurz vor ihrem Gesicht.

Sereia spürte, wie ihr Herz anfing, heftig zu pochen, und biss sich auf die Lippe. ,,Du hast keine Ahnung, was jetzt gerade passiert ist, du wirst alles vergessen, hast du verstanden? Gnade dir Gott, wenn du irgendetwas ausplauderst." Seine Augen wirkten in dem Moment so dunkel und unnahbar. Sereia nickte, ihre Hand krallte sich in ihre Hose, um das Zittern wenigstens etwas zu unterbinden, doch es wurde nur schlimmer.

Ohne ein einziges Wort weiter zu sagen, verließ der Junge, mit einem letzten Blick zu der zitternden Sereia, die Tankstelle, und das Mädchen sackte, wie ein nasser Sack Kartoffeln in sich zusammen.

Doch keiner der beiden wusste, dass das hier nur der Anfang einer glorreichen Geschichte wäre.

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