Kapitel 9

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Am Morgen erzähle ich ihr, was sie alles angestellt hat, nicht um sie zu verspotten, sondern damit sie sich daran erinnert und daraus lernt. Das einzige, was ich ihr nicht erzähle, ist der Kuss. 

Sie hört mir Gedanken abwesend zu und reibt sich schmerzerfüllt die Schläfe.

"Oh du süße Verführung, ich sollte dich nie wieder zu Gesicht bekommen, denn du verfeinerst und versüßt mir mein Leben und ertränkt mich gleichzeitig in Bitterkeit." säuselt sie und läuft rückwärts, während wir in die Richtung des Krankenzimmers laufen, wo die Verbände liegen. Sie hat mir verboten, diesen hierher zu zaubern. Sie meint, es ist ihre Aufgabe, mich zu versorgen und umsorgen. Auch wenn sie dies nicht zugibt, sondern nur sagte, dass sie mir mit den Schattenkreaturen hilft, weil es ihre Schuld ist, dass meine Hand verletzt ist, weiß ich, dass sie sich um ihre Schwester sorgt. Bei dem Gedanken wird mir warm ums Herz. 

"Danke, Roy, dass du geduldig mit mir warst." Sie gibt mir ein Picks auf die Wange, wie ein Küken seiner Mutter und läuft vor. Ich versichere mir mit einem kurzen Blick, dass sie durch die Tür des Krankenzimmers gelaufen ist und außer Sichtweite ist, sodass sie mich nicht sieht. Ich fasse mit der Erinnerung an die vergangene Nacht an meine Lippen. Dadurch, dass ich daran denke, erwärmt sich mein Gesicht vor Schamesröte. Mit meiner Hand verdecke ich mein Gesicht. Ich wollte es in die hintere Ecke meines Bewusstseins schieben, doch schwirrt es mir noch mehr im Kopf. 

Mit Sorgfalt und Vorsicht schmierte sie mir die Sauermilch auf mein schmerzendes Handgelenk. Das linderte ein wenig meine Schmerzen und das Stechen, das ich spürte, wenn ich unbeabsichtigt meine Hand bewegte. 

Behutsam fasste sie mich an, als würde ich mit einer falschen Berührung in tausend Splitter zerspringen. Sie fokussierte sich auf ihre Aufgabe. Man sah an ihrer Mimik, dass sie alles um sie herum vergaß. Es gab nur sie und meine Hand. 

Als letztes umwickelte sie meine Hand mit einem Verband. Erst mal um mein Handgelenk, dann einmal um meinen Daumen herum, um meine Hand und dann wieder um mein Handgelenk. 

Während des Prozesses schaute ich wohlgemut zu.

Zum einen weil sie sich viel Mühe damit gab, sodass ich mich mit jedem Schritt besonders und umsorgt fühlte. Zum anderen bin ich stolz darauf, dass sie ihre Aufgabe mit Bravour gemeistert hat.

Ich selbst hätte es nicht besser machen können.

Dadurch, dass sie sich um meine Verletzung gekümmert hat, fühle ich, dass ich umso schneller wieder geheilt werde.

Mit einem Handkuss bedankte ich mich und musste sie auch damit etwas ärgern.

Theodora scheint noch nicht gewohnt zu sein, dass ich mehr als sonst meine Zuneigung zeige, dadurch spüre ich eine besondere Nähe zu ihr. Ich bin allerdings nicht anders, doch lasse es mir nicht anmerken.

Ich schaute Theodora an. Ich habe sie öfters von oben betrachtet, doch jetzt hat sich die Distanz zwischen uns verkürzt. Ich kann sogar ihre weiße Kopfhaut erkennen, die aus dem weißen Kopftuch hervorschaut und wie jedes einzelne rote Haar an ihrem Kopf steckt und rauswächst. Ich kann ihre Hautporen sehen und wie glatt sie sind. An einigen Stellen wachsen Herrchen, die man nicht sieht, wenn man vor ihr steht. Ihre Wimpern, die wie Flügel aussehen und mit jedem Wimpernschlag eine kühle Prise erzeugen könnte. Ihre Lippen mit ihren Falten waren trotzdem Perfekt und haben eine perfekte Röte, die die Jugend symbolisiert. 

Als sie von ihrer Aufgabe hochschaut und meinen Blick erwidert, lächel ich. Ich war erfreut, dass sie mein Geschenk trägt.

Wir sind in der Krankenstation fertig. Wir sitzen in der Bibliothek in einer ruhigen Ecke auf dem Boden, wo niemand uns stört. 

Hex - Everywhere in EveryoneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt