Chapitre 9

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Das Savon et Essence liegt auf der anderen Seite des alten Hafens. 

Henri und ich parken in der Nähe des Jardin de la Colline Puget und legen die letzten Meter zu Fuß zurück. Der feuchte Asphalt und die Pfützen am Straßenrand reflektieren die Lichter der Autos, Ampeln und Laternen, sodass ein buntes Farbgeflimmer entsteht, das mir in den Augen brennt. Noch dazu schlingert mein Magen äußerst unangenehm.

Um mich von meiner Nervosität abzulenken, denke ich an Pierre Puget, dessen Büste über den Park wacht. Ich weiß noch, wie ich als Teenager seine Werke im Louvre bewundert habe. Seine Arbeiten, vor allem die berühmten Plastiken von Perseus, Andromeda, Milon und Herkules, gehören für mich in eine Liga mit Michelangelo und Leonardo. Sie sind so unglaublich detailliert, dass man glauben könnte, es würde sich um zu Stein erstarrte Halbgötter handeln.

"Wusstest du, dass Seife und Benzin die Hauptbestandteile von Napalm sind?", fragt Henri auf einmal.

"Nein", antworte ich kopfschüttelnd. Die hohen Absätze meiner Sandalen klackern auf dem Straßenpflaster. "Woher weißt du sowas?"

"Ich bin eben gebildet."

"Eingebildet", korrigiere ich ihn spöttisch.

Henri lächelt, legt mir den Arm um die Schultern und zieht mich näher zu sich heran, sodass ich die Waffe spüre, deren Kanten sich unter seinem Sakko abzeichnen.

"Machst du dir Sorgen?", frage ich.

"Wegen Bernard?"

"Ja, das auch, aber ich meine ..." Ich verziehe angewidert das Gesicht. "Ein Nachtclub. Musik. Menschen."

Henri imitiert meine Grimasse und saugt scharf Luft ein. "Du hast Recht. Vielleicht sollte ich doch draußen auf dich warten." Er zögert einen Moment, als wollte er meine Reaktion sehen, und ergänzt dann: "Aber weißt du was?"

"Was?"

"Irgendwie macht mir das jetzt gar nicht so viel aus."

"Weil du Sylvester Stallone bist?"

"Vielleicht. Aber vor allem, weil ich nicht gekommen bin, um mit irgendwem zu reden. Ich muss nicht darauf achten, was ich sage, oder wem ich auf die Füße trete." Er nickt bekräftigend. "Und ich habe ein Ziel."

Ich würde gerne wissen, was er für sich selbst als das Ziel des heutigen Abends deklariert hat, aber ich traue mich nicht, ihn danach zu fragen.

Das Savon et Essence ist in einem festungsähnlichen Rennaissance-Gebäude mit einem grob behauenen Rustikamauerwerk und bogenförmigen Fensteröffnungen untergebracht, das von neonfarbenen Scheinwerfern bedrohlich angestrahlt wird. 

Vor dem Eingang hat sich bereits eine lange Schlange gebildet. Jede Menge gut aussehende Frauen in luftigen Kleidern, mit klimperndem Schmuck und glänzenden Highheels. Aber auch die Männer sind keine schwarz-weißen Pinguine mehr. Gerade die jüngeren Gäste scheinen einen farbenfrohen und teilweise recht ausgefallenen Stil für sich entdeckt zu haben. 

Die Türsteher stören sich nicht daran. 

Eigentlich gibt es im Savon et Essence auch nur ein einziges Zugangskriterium: teuer muss es sein. Dementsprechend feiern dort jedes Wochenende die Reichen und Schönen.

In Paris wäre ich sicher öfter dort gewesen, aber das Savon et Essence passt nicht zu dem armen Künstlerleben, das ich mir ausgemalt habe. Juliette sieht das genauso. Deswegen hat sie mir und Si-Woo auch lange verheimlicht, dass der Laden ihrem Vater gehört.

"Was jetzt?", fragt Henri, während sein Blick an den Wartenden entlang gleitet.

Ich schnuppere unauffällig, doch wegen des Hafens, der Abgase und der vielen Parfümdüfte verweigert meine Nase den Dienst.

Mon Loup: Kampf um ParisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt