Kapitel 3 Sie weiß etwas

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Die Grillen zirpten am Waldweg und wir schlurften müde und kaputt eine uns bekannte Straße entlang. Irgendwie waren wir in die richtige Richtung gelaufen und befanden uns nun in einem Ortsteil, welchem unserem Wohnort nahe lag. Mona wohnte nur knappe 7 Minuten von mir entfernt und mein Haus lag am nächsten. Wir hatten uns dazu entschieden diese Nacht zusammen zu verbringen, zumal da uns noch verfolgte, was geschehen war und wir furchtbare Angst hatten. Monas Hand saß locker in meiner und drohte herauszurutschen und als ich das merkte, drückte ich fester zu, um ihr nicht die Möglichkeit zu geben. „Ich kann nicht mehr.", seufzte sie dann und stolperte fast über ihre eigenen Füße. „So weit ist es nicht mehr." Ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie erschöpft ich eigentlich war und ging zielstrebig weiter. „Nur noch so...ne halbe Stunde." Ich hatte das Gefühl mich selbst zu belügen, denn ich wusste genau, dass es noch eine Ewigkeit war, bis wir angekommen waren. Mona seufzte und ich drückte sie auf eine Bank an der Wiese, neben dem Bürgersteig. „Ruh dich was aus. Paar Minuten Pause.", sagte ich und schaute in Monas erleichtertes Gesicht, bevor ich mich zu ihr setzte. „Wir müssen zur Polizei gehen." Mona nickte zustimmend und sah mich durch dünne Augenschlitze an. Das würde dann meine Mutter für uns übernehmen. „Was war das bloß?" Ich schüttelte empört den Kopf. „Das arme Mädchen." „Boah.", machte sie plötzlich völlig entnervt und warf den Kopf zurück, "Ich hab keine Kraft emotional zu werden jetzt. ...Mmh.." Leise begann sie zu wimmern und drückte ihr Gesicht schließlich weinend in meine Brust. „Shhh..nicht weinen..", versuchte ich mich auch selber davon abzuhalten, als mir eine Träne auf meine Hand tropfte und ich legte meinen Kopf auf ihren, wobei ich beruhigend ihr Haar strechelte. »Was machen sie nur mit all den Menschen?« Nach diesem Gedanken merkte ich, wie schwer mein Kopf wurde und wie alles darin ausradiert wurde. Es dauerte nicht lange und ich versank in Dunkelheit.

Eine unglaubliche Wärme breitete sich in meinem Körper aus und ich spürte zunehmend ein weiches Gefühl auf meinen Lippen. Es begann zu kitzeln und ich blinzelte. „Hey du.", flüsterte mir Monas sanfte Stimme ins Ohr und ich schaute sie schwach an. Es war schon wieder etwas hell geworden und ich setzte mich gähnend auf. „Wie lang hab ich geschlafen?" „Nicht so lange." Sie lächelte mich an und legte ihre Finger an meine Wange. „Alles okay?" Ich nickte und streckte mich. Wie ein alter Mann erhob ich mich mühsam und streckte meine Hand nach ihrer aus. sie sagte nichts, stand einfach auf und ging mit mir weiter die Straße entlang und unter dem S-Bahn Tunnel hindurch. Meine Beine trugen mich wie durch Trance. Ich war schwach und Totmüde. Alles woran ich dachte war, Mona endlich in Sicherheit zu bringen, koste es was es wolle. Ich schaute mich in der Gegend um. Schon bevor ich eingeschlafen war hatte ich keinen einzigen Menschen gesehen, kein Auto oder sonst irgendwas. Die Straßen schienen wie leergefegt. Ob das an der Uhrzeit lag?
„Da vorne ist der McDonalds." Mein Finger streckte sich danach aus. „Dahinter müssen wir links über die Straße, dann den ganzen Weg gerade aus und dann sind wir schon fast auf der großen Wiese in Gremberg. Von da aus sind es ca 15 Minuten." Mona griff in ihre Hosentaschen und wühlte darin rum und zog dann die Stoffe heraus um zu symbolisieren, dass sie leer waren. „Hast du n Euro? Ich hab voll den Hunger.", sagte sie müde und hielt sich den Bauch, welcher schon leicht knurrte. „Ah..moment.." Meine Hände wanderten suchend in meine Jacken- und Hosentaschen. Schließlich fand ich zwischen Haarklammern und Überreste von Instantnudeln ein 2 Eurostück und reichte es ihr. „️Gottseidank! Ich bring dir auch was mit!" Sie wolle schon losrennen und ich rief noch hinterer: „Schon okay! Ess ruhig!" Die Tür fiel hinter ihr zu und ich trottete so langsam hinterher, bis ich vor den Fensterscheiben stand und in das leere Lokal blickte. Ich verzog mein Gesicht und runzelte die Stirn. Mona stand am Schalter und schaute sich um, als ich herein kam. „Hier ist niemand." Meine Augen schweiften durch das Fastfood Restaurant und sie fanden Becher und Ketschuptüten auf dem Boden vor. „Komm, wir gehen!", sagte ich und wollte schon wieder aus der Tür spatzieren. Mona folgte mir enttäuscht. »Ich bring dir was vom Chinesen mit. Fleischbällchen und Nudeln?« Ich hoffte nur, dass sie sich nicht allzu viele Sorgen machte.
An der großen Wiese angekommen setzten wir uns für eine kleine Pause ins feuchte Grass und Mona legte sich hin. „Wie lange noch?" Ich seufzte. Es war schlimm mit ihr, weil sie jede 5 Sekunden danach fragte und langsam begann es mich etwas zu nerven. „Es ist nicht mehr lange. Hinter der Wiese ist der chinesische Palast und von da sind es 5 Minuten. Wir sind schon quasi da."
„Schatz..?" Mir lief ein Schauer über den Rücken und ich blickte sie fragend an. Es war ein völlig neues Gefühl gewesen, so genannt zu werden und das nicht freundschaftlich gemeint. Sie war schließlich das erste Mädchen, mit dem ich zusammen war.
„Hm?" „Komm, lass uns weiter gehen. Ich kann zwar nicht mehr, aber ich will endlich da sein." Ich nickte. »Ja, was wenn wir nochmal in so eine Situation geraten würden. Unmöglich!« Die Tatsache, dass ich irgendwie versuchte mich selbst zu überreden bewegte mich auch dazu aufzustehen und den Marsch vortzusetzen. Hand in Hand ging es dann weiter und langsam schickte die Sonne ihre Strahlen auf uns und wir warfen unsere Schatten auf die Straße. „Da vorne um die Ecke!", prustete ich nach einer gefühlten Ewigkeit Fußweg und rannte schnell mit ihr auf die andere Straßenseite, um die Autos nicht am Verkehr zu hindern. Eigentlich hatte ich befürchtet, noch einmal eines dieser Fahrzeuge zu sehen, doch hier war alles normal gewesen. Fahrradfahrer, Fußgänger und volle Straßen. Wie sollte es auch sonst sein, das war ein Einzelfall und würde bestimmt spätestens morgen auf dem Titelblatt der Morgenzeitung zu lesen sein, möglichst unter: "Fall abgeschlossen".
„Mama?", rief ich in die Wohnung und das Klimpern des Schlüssels schallte noch durch den Hausflur. Mona stand dicht hinter mir und trat ein. „Zooey?! Oh mein Gott..." Mit dicken Augen kam sie um die Ecke und stürzte auf mich und nahm mich fest in den Arm. „Gott, wo warst du?! Ich hab mir solche Sorgen gemacht!!" Einen ganzen Tag und einen halben war ich ohne jede Spur verschwunden gewesen. Ich begann ihr alles zu erklären mit den Worten: olive- grüne Wagen, die ich noch nie gesehen hatte... Und ihr heil- frohes Gesicht versteinerte von einer Sekunde zur anderen. Wir saßen im Wohnzimmer, als ich zu Ende erzählt hatte und sie schaute für einen Moment schweigend und mit leerem Blick auf den Boden. Dann legt sie sich zwei Finger an die Schläfen, als würde sie stechende Kopfschmerzen weg massieren wollen und öffnete zögernd den Mund. „Du bleibst morgen zu Hause..", sagte sie schließlich wie in Trance und schaute mich dabei nicht an. „Du gehst nicht mehr vor die Tür." Ihr Blick wanderte zu Mona und sie musterte sie gründlich. „Du bist Mona?" Sie nickte schnell. „Du solltest das auch nicht tun.", fügte sie noch hinzu und schaute dann wieder runter. „Ich hab dir gestern was zu Essen mitgebracht. Geht doch in dein Zimmer und esst erstmal etwas. Ich kläre das morgen." Ich war verwirrt und sah diese Frau nur schweigend an, diese Frau, die plötzlich wie ausgewechselt war, diese Frau die immer fröhlich war und lachte und nun dieses völlig fahle Gesicht. Mona und ich verließen das Wohnzimmer und ließen meine abwesende Mutter auf der Couch sitzen. „Ich hätte nicht gedacht, dass sie so schnell kommen würden..", murmelte sie wie eine verrückte vor sich hin und versank in Gedanken.
»Jetzt sind sie also hier.«

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