Im weiten Reich, gegen Morgen,
ein Kindlein wohnt ohne Sorgen,
mit Vater, Mutter und Geschwist.
Doch dann, der alte König stirbt,
sein junger Sohn den Thron erwirbt,
wodurch des Friedens endet Frist.„Alte Sitten gibt's nicht mehr,
ich regieren werde schwer!
Wer mein heilig Reich befleckt,
wer nicht aussieht wie er soll,
gegen mich hegt einen Groll;
sorgt dafür, dass er verreckt!"Der junge König gibt Befehl
und setzt sich auf, das Kronjuwel.
Sich seines Fehlers unbewusst,
gibt den Gedanken freien Lauf,
lässt schenken ein in seinen Stauf,
nun ist erfüllt des Zornes Lust.„Vater, Mutter, kommt geschwind!"
ruft in hohem Ton das Kind,
als früh am Morgen kommen Ritter:
viele Dutzend an der Zahl,
fest umhüllt von starkem Stahl,
Hufen donnernd wie Gewitter.„Oh Götter, helfet uns, was nun?
Wir sterben wohl für's Heiligtum!"
„Verbirg dich Kind im Hause rasch,
komm ja nicht raus. Trotz' deinem Mut!
Der König wünschet uns kein Gut,
auch wenn wir taten gar nichts falsch."Das Kind gehorcht und läuft hinweg,
auch ohne zu versteh'n den Zweck.
Nun sitzt's schon da seit langer Zeit:
Es riecht nach Rauch, man hört Geschrei...
Erschaudernd wünscht's es wär vorbei,
vom Schrecken will es sein befreit.Nachts kommt's dann raus, es ist todstill.
Es sieht den Schreck und schreien will.
Felder verbrannt, Menschen sind tot.
Die liebsten Gesichter
verstreut, wie Himmelslichter.
Bitter, wünscht das Kind sich den Tod.Doch dann, die Trauer endet,
zu loderndem Hass sich wendet:
Wut lässt sein Gesicht erröten,
brennt heißer als tausend Felder,
verschlingen will Städte, Wälder...
Das Kind nun weiß: Es möcht' ihn töten.---
09.10.2023Bild: The hanged man - Victor Hugo
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Verloren
PoetryDie Geschichte eines Kindes das alles verlor, in Balladenform. ¡ᴛʀɪɢɢᴇʀᴡᴀʀɴᴜɴɢ! Neuveröffentlichungen finden alle paar Monate Statt. Autor: Edwin Bogomolov Cover: Ruines avec une obélisque dans le lointain - Hubert Robert ©All Rights Reserved