Kapitel Fünf

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Ich weiß nicht, wie lange ich nun in meinem Zimmer verharrt habe. Ich muss wohl eingeschlafen sein. Doch als ich aufwache, ist das laute Hämmern gegen meine Tür verstummt und es ist bereits viel zu spät am Nachmittag. Mein Gesicht sieht wahrscheinlich gerade aus wie ein zerknautschtes Kissen, deswegen fahre ich mir kurz mit dem handrücken darüber bis durch mein Haar. In meinem noch dunklen Zimmer kann ih mich kaum zurechtfinden, deswegen suche ich erste einmal den Weg zu meinen Gardinen, welche ich mit einem unachtsamen Schwung aufziehe. Das Licht blendet mich und kurz stoplere ich zurück, wobei ich mir den Fuß an meinem Bett stoße. Leise fluchend gehe ich zu Tür, drehe den Schlüssel im Schloss herum und als ich aus der Tür gehen will, sitzt Alex an die Wand gelegt, schläft und sabbert vermutlich auf den schönen Parkettboden. Ich komme Ashley's bitte nach, die sie laut in meinen Kopf hereinschreit. Langsam strecke ich meinen nackten Fuß aus, berühre damit seinen Kopf, hebe ihn hoch und lasse ihn auf den Parkettboden fallen. Mit einem dumpfen knall kommt er auf und meine Mundwinkel heben sich. Sofort ist das laute Stöhnen, natürlich vor Schmerzen, von Alex zu hören. "Guten Morgen, Sonnenschein." Ja, zugegeben, die Worte hätten mehr aus Ashley's Mund kommen können und das, obwohl sie nicht einmal die Überhand hatte. Aber ich bin noch immer sauer und Ash auch. Wir teilen nicht nur einen Körper, sondern auch die Gefühle. Wenn ich sauer bin, ist sie auch sauer. Und da sie immer etwas feuriger als ich ist, wird das bei mir immer ziemlich versärkt. Kompliziert. Aber inzwischen komme ich damit schon ziemlich gut zurecht und das, obwohl wir immer Neues über uns lernen. Wir sind speziell. Aber das ist halt unser Leben. Anders kann man es gar nicht beschreiben. Ich sehe auf die Uhr. Es ist 5 Uhr morgens. Was? Morgens? Das darf nicht wahr sein. "Happy Birthday to you, Nina."  Ich kann es einfach nicht glauben... Es ist mein Geburtstag. Ich habe aufgehört, mitzuzählen, weil ich seit meinem 16. Lebensjahr nicht mehr gealtert bin. Und Ashley auch nicht. Ein Teil des Verfahrens, wer wem zugeteilt wurde, war, dass die beiden Personen, die beiden Körper, am gleichen Tag gleich alt werden. Also war nicht nur mein Geburtstag, sondern auch Ashley's. "Alles Gute, Ash." Meine Worte durchdringen die Stille und ich spüre ein Lächeln, was mehr von Ashley kommt, als von mir. Danke, Nina.

Doch dann erlischt das Lächeln und meine Brust droht zu platzen. Ich ringe nach Luft und meine Hände fuchteln wild in der Luft umher, um nach etwas zu suchen, das mich vor dem Sturz rettet. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals und weiße und schwarze Lichtpunkte tanzen in meinem Sichtfeld Wiener Walzer. Und dann wird alles weiß, als wäre ich gerade kurz vor dem, wie Ash sagen würde, verrecken. "Hallo Jesus, komm mich holen!", schreit Ash in meinem Kopf und verstummt dann schalgartig. 

Ich weiß nicht, was hier gerade passiert. Aber Ich sehe mich. Oder jedenfalls eine Andere Art von mir. Und ich sehe Ashley. Also zweimal. Ich glaube, ich habe mir den Kopf etwas zu sehr angestoßen. Aber die eine Ashley winkt mir zu, während die Andere nur auf dem Boden liegt und vor Schmerzen zu stöhnen scheint. Die Ashley, die mir zugewunken hat, kommt auf mich zu, dreht sich einmal und fängt dann an zu sprechen. "Hey Nina", meint sie und das Grinsen in ihrem Gesicht wird immer breiter, "Ich glaube, wir träumen gerade. Oder wir sind tot. Ich hoffe mal nicht das Letztere. Das wäre ziemlich, also ziemlich, scheiße." Ich sehe, wie Ash das dunkle Haar über die Schultern fällt, als es sich dann der Umgebung, oder eher die Umgebung ihrem Haar, anpasst. Das helle, gleißende Licht erlischt und wir befinden und in einem Raum. Eine Wand trennt mich, also das zweite Ich, von Ashley's zweitem Sie. Ja, ziemlich verwirrend. Unsere zweiten Ich's scheinen uns nicht hören zu können. Doch ich höre, was sie leise zu sich flüstern. Beide stecken die Hände an den Seiten der Wand durch die Gitterstäbe. Das waren unsere letzten Tage zusammen, daran kann ich mich noch erinnern, als wäre es gestern gewesen. Das ist es aber nicht. Es ist schon einige Jahre her. "Ich weiß, dass wir das schaffen, Ash", murmelt mein Knast-Ich zu der Knast-Ashley, "Wir müssen nicht die besten Freundinnen sein, aber ich weiß, dass wir das schaffen können. Wir müssen nicht so enden, wie Nik und Eddy. Wir können überleben. Aber dafür müssen wir zusammenhalten." Die Erinnerung an Nik und Eddy lässt meinen Magen sich zusammen ziehen. Sie waren damals unsere besten Freunde. Es war schon irgonisch, Ash und Eddy waren ein Paar, und ich war bis über beide Ohren in Nik verknallt gewesen. Doch dann hat Nik versuch, Eddy aus seinem Kopf zu schneiden. Sie starben. Beide. Das Geflüster von Ashley, welches an den Wänden wiederhallt, dringt zu mir durch. "Ja, Nina, ich weiß. Aber ich will meinen Körper nicht verlieren. Morgen werde ich wahrscheinlich in deinem Kopf hocken. Und dann wirst du verrückt und rammst dir ein Messer in den Kopf. Ich will nicht sterben!" Der letzte Satz, den Ashley sagt, ist lauter als der Rest. Sie ist wütend. Doch trotzdem verstehe ich nicht, was dieses Theater hier soll? Ich weiß, dass wir danach eingeschlafen sind und am nächsten Tag, wurden Ashley und ich zu Seelen 2.0 gemacht. Nur, hey, in uns sitzen keine glitzernden Tintenfische. Wir machen Fortschritte. Doch anstatt, dass wir einschlafn, geht die Szene weiter. Ashley's Gesicht drückt genau das aus, was ich gerade fühle. Während ich Ashley einen verwirrten Blick zuwerfe, bricht mein Doppelgänger-Ich einen Stein aus der Wand. Man sieht einige eingeritzte Symbole an der Wand, und mein zweites Ich ritzt noch etwas dazu. Ich trete näher an sie heran, bemerke übrigens, dass ich ein Geist zu sein scheine, und lese die Zahlen. Altes Lagerhaus, Washington DC | 21 Greenway Street NW. Ich reiße die Augen auf und mein Herz macht einen Satz, nein einen Salto mit doppelter Schraube. Ich sehe mich nach der "echten" Ashley um, doch sie ist verschwunden. "Ashley? Ash, das ist nicht lustig!" Und, es klingt echt schlimmer als es ist, aber ich habe plötzlich das Gefühl, dass ich ertrinke. 

Mein Haar ist nass, ebenso wie meine Haut und ich huste angesträngt gegen das Gefühl der Ertrinkens an. Galle steigt meinen Hals hinauf und meine Lungen brennen wie Feuer. Gedämpfte Stimmen dringen zu mir, nein es ist nur eine. Die Stimme wird immer lauter. "Nina! Nina, wach auf!" Sofort beginnt meine Wange zu brennen und fühlt sich an wie eine Zwiebel. Erst dann hört das Husten und das Würgen auf und ich bin schlagartig still. Ich glaube, Alex hat mich geschlagen. Zwar ist das wirklich, wirklich mies und ich fühle mich jetzt richtig schäbig, aber es hilft. Das Brennen in meiner Wange hat mich in die Realität zurückgeholt. Ich bin nass. Die Wand, an die ich gelehnt bin, und der Boden sind mit Wasser durchtränkt.Ich sitze in einer Pfütze. Inständig hoffe ich, dass es kein Urin ist, was sich bestätigt, als ich den Eimer sehen, der auf dem Boden liegt. Hat Alex mich auch versucht mit Wasser wach zu bekommen? Wenn ja, hat es nicht wirklich gut funktioniert. Die Erleichterung steht ihm ins Gesicht geschrieben und er lässt sich gegen die Wand gegenüber von mir fallen. Er hält einen Zettel hoch. Darauf stehen etwas verlaufene Buchstaben und Zahlen. Mein Herz scheint stehen zu bleiben. Altes Lagerhaus, Washingon DC | 21 Greenway Street NW. "Wir haben einen Anhaltspunkt, Kätzchen. Was auch immer du, oder ihr, gesehen habt, hat uns weiter geholfen. Wahrscheinlich finden wir dort die Leute, die euch das angetan haben. Wir sind einen Schritt näher an Ashley's Körper und eurer Freiheit!" Ich kann seine Worte kaum glauben. Irgendwie trifft es mich, dieses Gefühl, Ahley nicht mehr in meinem Kopf zu haben. Wahrscheinlich werde ich diese Leere, diese unglaubliche Stille nicht ertragen können. Wenn Ashley nicht mehr in meinem Kopf sitzt, jeden Morgen meine Kontrolle übernimmt, und mich nicht mehr voll labert von wegen, wie toll die Jonas Brothers doch sind. Ich werde nicht mehr verrückt sein, jedenfalls nicht mehr dafür gehalten werden. "Ich glaube, wir müssen nach DC", murmle ich, meine Stimme klingt noch ganz rau, als hätte ich eben die ganze Zeit geschrien. Vielleicht habe ich da ja auch. Ich kann mich nicht erinnern. Aber Alex' besorgtem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, schien ich geschrien zu haben. Und geredet. Oder geschrieben. Was für ein Scheiß. Doch das einzige was zählt, ist, dass wir jetzt wissen, wo wir hin müssen. Ein Seufzer entfährt meinen Lippen und ich lasse mich gegen die Wand sinken. Ich bin alle. K.O. Aus allen Wolken gefallen. Die Kälte von meiner nassen Kleidung kriecht mir in alle Knochen und ich fange an zu zittern. "Zieh' dich um, du holst uns sonst noch eine Erkältung!", schnauzt Ashley mich an. Genervt rolle ich mit den Augen. Vermissen werde ich die bestimmt nicht. Doch es kommt mir schon komisch vor, meinen Kopf vollkommen für mich allein zu haben. Die Vorstellung, nur noch diese erdrückende Stille in meinem Kopf zu hören, jagt mir eine Höllenangst ein. Ich kann es nicht leugnen, aber ich glaube, diese Jahre haben Ashley und mich ziemlich zusammengeschweißt. Wortwörtlich. Ich werde sie auf jeden Fall vermissen, irgendwie. "Aww, wird da etwa jemand sentimental?", zwitschert sie mit einer engelsgleichen Stimme. "Halt die Klappe, Ash!"

Ich stehe auf, wobei ich berfürchte, dass meine Beine unter meinem Gewicht nachgeben könnten, also stütze ich mich an der Wand ab. Alex' Hilfe lehne ich ab. Als ich in mein Zimmer gehe, die Tür hinter mir verschließe und anfange, einige Klamotten aus dem Schrank zu zerren und wahllos in einen Koffer zu stopfen, höre ich lautstarken Protest von draußen. Ich ignoriere das. Es dauert nur wenige Minuten, dann habe ich meinen Koffer zusammengepackt, mit Büchern, Klamotten und alles weitere, was eine Lady so braucht, und stehe mit Schweißperlen auf der Stirn im Türrahmen. "Hast du gepackt?" "Natürlich hat er nicht, Sweety. Er war die ganze Zeit draußen und hat uns angeschrien." Ich zucke auf sein Kopfschüteln hin mit den Schultern und gehe an ihm vorbei. In seinem Zimmer angekommen, er schließt es nicht ab, reiße ich einfach seine Sachen aus dem Schrank und stopfe auch sie in einen Koffer. Unsere beiden Koffer ziehe ich hinter mir her und überreiche Alex Seinen. "Und jetzt fahr' mich nach DC. Sofort." Ich klinge härter, als ich eigentlich beabsichtigt habe, doch es fruchtet. Er beißt sich auf die Lippe, doch er nickt ledsendlich. Also verlassen wir die Luxuriöse Wohnung und steigen in seinen alten, vollkommen schwarzen Van, mit getönten Scheiben. Es ist heiß, weil die Sonne so steht, dass sie direkt auf das Dach des Wagens scheint und wahrscheinlich kann man auf der Windschutzscheibe bereits Spiegeleier braten. Das Kind in mir will das sofort ausprobieren, aber ich lasse es nicht zu. "Fahr los!", weise ich Alex and und sofort fädelt er sich in den Verkehr ein. Angestrengt versuche ich, wach zu bleiben, den Blick auf die Straße gerichtete, aber irgendwann ereilt mich einfach der Schlaf und ich versinke in das Land der Träume.

So, es ist wieder ein neues Kapitel von meinem Buch draußen und ich hoffe ihr liked fleißig? Nein, ist natürlich kein Muss, aber ich würde mich trotzdem über einige Likes freuen. Jedenfalls möchte ich diesen Teil hier Sarah widmen, weil sie so lieb war und ein bisschen für mich die Werbetrommel geschwungen hat. Der nächste Teil kommt auch bald raus, also bis dahin: Love you all! ♥

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 29, 2015 ⏰

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