𝟎𝟕 | 𝑡𝑜𝑢𝑗𝑜𝑢𝑟𝑠, 𝑚𝑜𝑛 𝑝𝑒𝑡𝑖𝑡 𝑑𝑖𝑎𝑏𝑙𝑒

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K I L L I A N

Es bestand eine äußerst hohe Wahrscheinlichkeit, dass ich in den nächsten Sekunden meine Zunge verlieren könnte.

Dieses Risiko war mir bereits bewusst, bevor ich meine Lippen überhaupt gegen ihre drückte. Genauso wie mir bewusst war, dass es das Dümmste war, was ich im Augenblick tun konnte. Ich sollte sie nicht küssen. Sie verdiente Antworten.

Aber zum ersten Mal in meinem Leben handelte ich ohne Kopf, weil die Angst davor, sie für immer zu verlieren, all meine rationalen Gedanken verschlang. Ich würde diese Welt als glücklicher Mann verlassen, wenn das Letzte, was ich zu spüren bekam, ihre Lippen waren. Warm und weich an meinen, sowie ich langsam meine Zunge in ihren Mund schob.

Zunächst erstarrte sie, hatte ihre Hände bloß flach an meine Brust gelegt, als hielt sie sich die Option offen mich von sich zu stoßen. Und ehrlich gesagt verdiente ich es vermutlich auch. Wenn ich kein Arschloch wäre, dann hätte ich den Kuss selbst auf der Stelle beendet, weil ich sie niemals respektlos behandeln wollte. Ich sollte sie nicht küssen.

Lass die Hände von ihr und gib ihr das, was sie wirklich verdient.

Ich wollte es wirklich tun. Ich sammelte bereits all meine Willensstärke um mich von ihr zu lösen, doch dann wurde die Versuchung gänzlich unwiderstehlich, weil sie meinen Kuss plötzlich erwiderte. Nicht zart, sondern aggressiv und mit all der aufgestauten Wut, die sie für mich seit Jahren hegte. Es war nicht mal ansatzweise vergleichbar mit der Art, wie sie mich früher geküsst hat. Damals hatte sie eine Menge Gefühle für mich übrig. Heute war wahrhaftig nichts mehr übrig außer Hass.

Ich konnte mein Herz unter ihrem eisernen Griff brechen hören.

Ich habe nicht erwartet, dass sie mir sofort wieder in die Arme fallen würde, wenn ich hier aufkreuzte. Ich habe mit ihrer Wut und ihrer Enttäuschung gerechnet, habe mich selbst darauf vorbereitet, von ihr angeschrien zu werden. Womit ich nicht gerechnet habe, war die Tatsache, dass sie mir noch nicht mal mehr die Chance geben wollte mich selbst zu erklären.

Ich habe der einzigen Frau, die ich liebte, so sehr wehgetan nur um sie zu beschützen und ich dachte, ich hätte meinen Preis dafür bereits bezahlt. In Wahrheit bekam ich die Konsequenzen dessen allerdings erst jetzt zu spüren, weil sie verletzt zu sehen die grausamste aller Folter war.

Als wäre meine Gedanke geradewegs an sie gelangt, löste sie sich plötzlich keuchend von mir und nutzt ihre Hände an meiner Brust um mich leicht von sich zu schieben. Vermutlich damit ich nicht nochmal auf die Idee kam sie zu küssen. Widerwillig schüttelte sie den Kopf und funkelte mich schließlich wieder mit ihrem lodernden Hassfeuer an. "Nein", ihre Stimme war scharf und duldete keinen Widerspruch.

Wenigstens hat sie mir keine verpasst. Jedenfalls noch nicht.

Ich atmete tief durch um mich wieder zu fassen, um mich daran zu erinnern, dass diese paar Sekunden, in denen sie schwach geworden ist, nichts zu bedeuten hatten, weil sie mich stets hasste.

Sie hasst mich und glaubt mir kein Wort.

Ich habe mich in den letzten Jahren an ihr Versprechen geklammert, weil ich damit das Unausweichliche hinauszögern konnte. In den Jahren sind so viele grausame Dinge passiert, all die brutalen Bilder, die ich nicht mehr aus meinem Kopf bekam, dass ich nur allzu oft mit dem Gedanken gespielt habe mich entweder selbst zu begraben oder augenblicklich zu ihr zurück zu kriechen. Ich wollte meine Arme um sie schlingen und mich in ihrer Umarmung vergraben, bis meine Gedanken endlich still wurden. Ich sehnte mich so sehr nach Ruhe, aber ich habe es dennoch nicht getan, weil ich sie so sehr liebte, dass ich nichts riskieren wollte. Und dann erinnerte ich mich an unser Versprechen und hielt daran fest, weil es das Einzige war, was mich am Leben erhielt.

𝐓𝐇𝐄 𝐃𝐄𝐕𝐈𝐋'𝐒 𝐃𝐄𝐀𝐋 | 𝐵𝑜𝑜𝑘 𝑡𝑤𝑜Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt