𝟎𝟐𝟏 | 𝑢𝑛𝑒𝑥𝑝𝑒𝑐𝑡𝑒𝑑 𝑔𝑢𝑒𝑠𝑡

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Als würden meine Sinne von seiner Stimme angezogen werden, drehte ich mich wie selbstverständlich zu ihm um. Er war gerade dabei aus der Dusche zu steigen und griff im selben Atemzug beiläufig nach dem bereit gelegten Handtuch, um sich dieses um die Hüfte zu wickeln. Doch dass er quasi nackt war, registrierte ich erst in der Sekunde, in der alle wichtigen Stellen schon bedeckt waren, weil mein Blick immer zuerst seine Augen fand.

Es gab für mich keine größere Ablenkung. Selbst in einem Raum voller Menschen, würde mein Blick immer unbewusst seinen als erstes finden.

Stur verschränkte ich die Arme vor der Brust und musterte ihn argwöhnisch, während er mir langsam und mit dem Anschein eines kleines amüsierten Lächelns näher trat.

„Wo ist meine Unterwäsche, Killian?", fragte ich mit hörbarem Nachdruck in der Stimme und reckte das Kinn in die Höhe, als er direkt vor mir zum Stehen kam. Seine nassen Haare erschienen beinahe schwarz, als einzelne Tropfen von den Strähnen über sein Gesicht liefen, seinen Oberkörper hinab und sich letztlich in dem Handtuch verfingen.

Beim Klang seines vollen Namens legte er leicht den Kopf schief.

„Ich weiß nicht, Luciana. Ich bin nicht derjenige, der dich ausgezogen hat", entgegnete er daraufhin bewusst provokant.

Oh, er wollte also den Unschuldigen spielen?

Meine Augen verengten sich zu einem angriffslustigen Funkeln, ehe ich entrüstet meine Fäuste in die Hüfte stemmte. „Erst entführst du mich und jetzt klaust du auch noch meine Unterwäsche. Hast du nicht schon genügend Frauen, die dir zu Füßen liegen?"

Es war eigentlich nicht meine Intention, aber in meinem Ton schwang eindeutig ein Hauch von Eifersucht mit. Nicht, dass ich tatsächlich ein Recht darauf gehabt hätte, auf irgendwelche hypothetischen Frauen eifersüchtig zu sein, mit denen er womöglich etwas hatte. Er war nun schon seit einer langen Zeit nicht mehr mein Freund. Doch der Gedanke daran, dass ich mich in all diesen Jahren von niemandem berühren lassen konnte, während er vermutlich keine Probleme damit hatte, machte mich dennoch unwohl. Obwohl wir eigentlich noch nie auf einer gemeinsamen Ebene standen, was Intimitäten betraf.

Nichtsdestotrotz schienen meine Worten irgendetwas in ihm zu treffen, wenn ich die Veränderung in seiner Mimik richtig beurteilte. Ich konnte nicht zuordnen, was es war; Wut, Scham, eine Mischung aus beidem, die in einer trübsinnigen Welle über seinen Blick herfiel. Beinahe als würde er durch sein intensives Mustern direkt auf meine stillen Gedanken reagieren, die ohne Worte zu ihm sprachen und seine Augen letztlich auf meine Lippen lenkten.

Er war auch der Letzte, der mich geküsst hat. Ich fragte mich, ob er sich noch daran erinnerte, wie ich schmeckte oder ob inzwischen der Geschmack von anderen Frauen meinen vertrieben hatte. Ich erinnerte mich noch an seinen. Er klebte an meiner Zunge wie bittersüßer Honig. Genauso wie ich seine Hände stets auf meinem Körper spürte.

„Nicht die eine, die zählt", murmelte er schließlich mehr zu sich selbst mit einem kleinem, nahezu traurigen Lächeln auf den Lippen. Und verdammt, ich fühlte mich deswegen augenblicklich mies, weil ich das Gefühl hatte, tatsächlich etwas in ihm getroffen zu haben.

Unbewusst entspannten sich meine Muskeln und selbst meinen Ausdruck spürte ich weicher werden. In seine Augen zu sehen und einen tiefsitzenden Schmerz sich darin spiegeln zu sehen, war definitiv meine Schwäche. Es sollte nicht so sein, aber selbst ich konnte nicht verleugnen, dass ich für immer eine gewisse Zuneigung für ihn behalten würde. In meinem gesamten Leben konnte ich noch nie jemandem so innig vertrauen wie ihm. Es war schwer, das zu vergessen, geschweige denn diese intime Bindung zu ignorieren.

Als würde er sich sammeln wollen, schaute er für einen kurzen Augenblick von mir weg und räusperte sich letztlich, ehe seine Aufmerksamkeit wieder mir halt. „Ich habe meiner Haushälterin gesagt, dass sie dir etwas zum Anziehen besorgen soll, während du duschen warst. Ich werde nachsehen, ob sie inzwischen wieder da ist", erklärte er mir daraufhin und ließ ein letztes Mal seinen Blick über mein Gesicht huschen, bevor er sich abwendete.

𝐓𝐇𝐄 𝐃𝐄𝐕𝐈𝐋'𝐒 𝐃𝐄𝐀𝐋 | 𝐵𝑜𝑜𝑘 𝑡𝑤𝑜Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt