Von todesmutigen Eulen und neuen Hoffnungen

181 15 0
                                    


Nach einer weiteren schweigsamen Mahlzeit, ging ich zu meinem Platz am See. Die letzten Wochen, nachdem alle Schüler in die Ferien gefahren waren, verbrachte ich häufig hier. Meist las ich oder dachte über meine Mum und Harry nach, wie es wohl mit ihnen gewesen wäre. Wie es gewesen wäre einen Bruder, eine Mum, eine richtige Familie zu haben. Hätte ich gewusst, dass mein Dad, auch mein Dad wäre oder wäre ich mit James als Vater aufgewachsen? Hätte ich jemals erfahren, wer mein echter Vater wäre? All diese Gedanken und noch viele andere, ließen mich nie ganz los. Ständig dachte ich darüber nach und es machte mich traurig, dass ich mit niemandem darüber redet konnte. Nicht mal mit Dad.

Und so stand ich mal wieder am Ufer des Sees, wo ich gedankenverloren ein paar Steine warf, die laut ins Wasser platschten. Als ich den letzten Stein ins Wasser warf, den ich in der Hand hatte, blickte ich mich um. Ich blinzelte in der Sonne, als ich etwas am Himmel ausmachte. Als es näher kam, erkannte ich, dass es eine Eule war. Eine sehr schnelle Eule. Erst dachte ich, dass sie über mich hinweg und zur Eulerei fliegen würde, weshalb ich ihr keine Aufmerksamkeit schenkte. Zu spät realisierte ich, dass sie geradewegs auf mich zusteuerte. Ich versuchte mich wegzuducken, aber das Tier flog mit voller Wucht in mich hinein und riss mich zu Boden. Unsanft landete ich auf den Steinen, die das Ufer des Sees bildeten.

»Au, was soll das denn? Hast du keine Augen im Kopf?«, stieß ich verärgert aus. Aus meiner Perspektive, das Tier lag auf mir und versuchte sich aufzurichten, sah es aus wie ein Wischmopp. Ich half ihr von mir runter und richtete mich anschließend selbst auf, als ein Brief von mir runter auf den Boden rutschte.

»Ist der für mich?«

Nachdem ich den Brief aufgehoben hatte, drehte ich ihn in der Hand. Und tatsächlich. Er war für mich. Die Eule musterte mich und wich mir nicht von der Seite, als ob sie darauf wartete, dass ich den Brief endlich lesen würde. Schnell löste ich das Band, rollte den Brief auf und fing an ihn zu lesen.

Marie,
ich hoffe dir geht es wieder gut. Du warst bei der Abschlussfeier so komisch und ich habe mir echt sorgen gemacht. Vor allem, als du am nächsten Tag nicht mit Hagrid in Hogsmeade am Bahnhof warst, so wie sonst immer.
Aber das Beste kommt jetzt! Mum hat JA gesagt. Du kannst in den letzten beiden Ferienwochen zu uns kommen! Also, wenn dein Dad es erlaubt. Ist das zu glauben? Dad würde dich in der Schule abholen und herbringen. Wir gehen auch immer am Ende der Ferien in die Winkelgasse. Ich soll dich fragen, ob du dann einfach direkt mitkommen möchtest? Mum sagt, dass du eventuell lieber mit deinem Dad gehst, weil es doch dein erstes Jahr sein wird.
Schick Errol einfach mit einer Antwort zurück.
In Liebe
Fred

Ey, was soll das? Du hast einfach einen Brief ohne mich geschrieben? Also hier ist George und auch ich hoffe, dass es dir gut geht und der alte Snape, dir nicht das Leben zur Hölle macht. Wir freuen uns auf dich!

P.S. Falls dein Dad es nicht erlaubt, dann holen wir dich eigenständig aus dem Schloss raus! Du kommst auf jeden Fall her und verbringst nicht die ganze Zeit alleine in Hogwarts.


Ich hatte ganz vergessen, dass mich Fred am Ende des Schuljahres zu sich eingeladen hatte. Aber jetzt freute ich mich um so mehr. Bald würde ich meine besten Freunde wiedersehen und zwar außerhalb dieses Schlosses, dass ich so selten verließ. Grinsend las ich den Brief noch ein mal durch und vergaß ganz, dass Errol noch neben mir auf dem Boden hockte.

»Oh, möchtest du etwas trinken?«

Er schuhute leise, während ich ihn auf meine Schulter setzte und zur Eulerei ging. Auf halbem Weg dort hin, wurde ich allerdings aufgehalten.

»Marie?«, ich drehte mich nicht zu der Stimme um, sondern ging einfach weiter.

»Marie, wohin gehst du? Was ist das für eine Eule?«, fragte mich mein Vater. Genervt blieb ich stehen und drehte mich langsam zu ihm um.

»Verfolgst du mich etwa?«

»Nein, ich muss einen Brief versenden« Er hielt mir ein Pergament unter die Nase.

»Schön, dann gehe ich zu Hagrid«, und ich setzte an, wieder in die Richtung zu gehen, aus der ich kam, aber er stellte sich mir in den Weg.

»Marie, so kann es nicht weitergehen« Darauf zuckte ich nur mit den Schultern und wollte an ihm vorbeigehen.

»Was hast du da?« Er deutete auf den Brief in meiner Hand.

»Eine Einladung«

»Von wem?«

»Fred und George.«

»Was wollen sie?«

»Schon mal was von Briefgeheimnis gehört?«, antwortete ich pampig, was er mit einem Schnauben erwiderte. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, ging er an mir vorbei. Ich blickte ihm nicht nach, aber als er an mir vorbeiging, versetzte mir sein Geruch einen Stich ins Herz, was mich dazu brachte mich doch noch umzudrehen.

»Ich werde die letzten beiden Wochen bei den Weasleys verbringen. Mr Weasyley will mich abholen kommen«, rief ich ihm hinterher. Kurz blieb er stehen, aber ohne ein Wort zu sagen, ging er weiter in Richtung Eulerei davon.

»Autsch«, Errol hatte mir ins Ohr gebissen. »Ist ja gut, du bekommst gleich was« Verärgert rieb ich mir mein Ohr, bevor ich mich auf den Weg zu Hagrid machte.

»Hagrid? Bist du da?«, rief ich, als ich angekommen war. Ohne an die Tür zu klopfen, stieß ich sie auf.

»Ja, komm rein«

»Hast du Eulenkekse und etwas zu Trinken für Errol?«

»Errol? Ist das nicht die Eule der Weasleys? Was macht der hier?«

»Ja, er hat mir einen Brief gebracht. Von Fred und George. Hagrid, wo bist du?«

»Na hier«, er trat aus einer Nische hervor, in den Hauptraum seiner Hütte, in dem ich irritiert stand. Er reichte mir ein paar Kekse für Errol und stellte eine Schale mit Wasser auf den Tisch. Errol hüpfte auf diesen, rutschte etwas weg und schubste die Schale vom Tisch, welche scheppernd auf dem Boden landete. Das Wasser verteilte sich überall in der Hütte. Hagrid stöhnte und kopfschüttelnd wischte er es wieder auf, bevor er die Schale erneut mit Wasser füllte und auf den Tisch stellte.

»Diesmal aber vorsichtig, ja?«

Langsam hüpfte Errol an die Schale heran, um daraus zu trinken. Die Kekse legte ich neben ihn und setzte mich selbst hin.

»Hagrid, hast du eine Feder und Tinte für mich?«

»Ja. Moment, ich müsste hier irgendwo etwas haben«, er kramte in einer Schublade herum. Freudig zog er eine kleine Feder und ein Tintenfass daraus hervor, die er mir reichte.

»Danke«, ich nahm beides entgegen, bevor ich meine Antwort auf die Rückseite des Briefes schrieb.

Forge,
es tut mir wirklich Leid, dass ich einfach weggelaufen bin. Ich wollte nicht, dass ihr euch sorgen macht, aber ich musste einfach weg. Mir geht es etwas besser, ich bin viel am See und bei Hagrid. Euer Brief kam total überraschend und was ist bitte mit dieser Eule los? Er ist einfach in mich reingeflogen, als ich gerade am See stand und hat mich umgestoßen. Er ist weich gelandet, aber ich musste mir kleine Kiesel aus dem Arm holen. Okay, das ist etwas übertrieben, aber euer Vogel muss echt mal untersucht werden. Kann er noch gucken? Das solltet ihr checken lassen.
Ich habe Dad vorhin gesagt, dass ich zu euch gehen will, aber er hat mir nicht geantwortet. Generell reden wir recht wenig, aber ich werde noch mal versuchen mit ihm darüber zu sprechen.
In Liebe
Marie
P.S.: Ihr fehlt mir!

Den Brief las ich noch einmal kurz durch, bevor ich ihn aufrollte und mit einem Band am Bein von Errol befestigte. Die Eule hatte in der Zwischenzeit alle Kekse gegessen, sowie das Wasser getrunken.

»Gute Reise, Errol«, verabschiedete ich mich von ihm in der geöffneten Tür, in der ich jetzt stand. Glücklich schaute ich ihm so lange hinterher, bis er am Horizont verschwand. Hagrid trat neben mich.

»Du lächelst ja«

Ich blickte zu ihm auf. Er musterte mich neugierig und grinste zu mir herunter.

»Vielleicht verbringe ich die letzten beiden Wochen der Ferien bei den Zwillingen und dann gehe ich auch mit ihnen in die Winkelgasse.«

»Verstehe. Das ist gut«, er legte mir seine riesige Hand auf die Schulter. Unter der Last knickte ich ein wenig ein, aber fand schnell meinen Stand wieder, bevor ich mit ihm zurück in die Hütte ging.

Eine paar Tage später.
Rums! Ein lautes scheppern am Fenster ließ mich aufschrecken. Ich saß gemeinsam mit meinem Vater im Wohnzimmer. Wie immer, lasen wir schweigend in unseren Büchern. Schnell stand ich auf, um zu sehen was es war. Auf dem Fensterbrett lag eine Eule. Errol. Sofort hatte ich die Hand am Fenstergriff, als Dad neben mir auftauchte.

»Was ist das? Sieht aus wie ein Wischmopp«, sagte er.

»Nein, das ist Errol«

Schnell öffnete ich das Fenster und das Tier flatterte hinein und plumpste zu Boden.

»Errol, du solltest echt keine weiten Strecken mehr fliegen«, sagte ich besorgt, während ich ihm den Brief abnahm.

»Von wem ist der?«

»Geht dich nichts an«, antwortete ich pampig. Daraufhin schüttelte er den Kopf und setzte sich laut ausatmend wieder hin. Bevor ich mich mit dem Brief auf meinen Sessel setzte, holte ich eine Schale mit Wasser aus der Küche, um sie vor Errol auf den Boden zu stellen.

»Nicht, dass er gleich den ganzen Boden flutet«

»Gott sei Dank haben wir ja einen Zauberer im Haus«, ich blickte ihn nicht an, sondern setzte mich hin. Schnell nahm ich das Band vom Brief und rollte ihn auseinander.

Marie,
wir sind froh, dass du Hagrid hast! Er ist echt der Beste. Wir hoffen, du erzählst uns mehr, wenn wir uns sehen. Wir haben Dad gesagt, dass dein Vater sich nicht äußer will und er will nicht einfach so nach Hogwarts kommen. Er sagte, er kann sich nicht über die Entscheidungen eines anderen Elternteils hinwegsetzen. Aber keine Sorge, wir holen dich auf jeden Fall zu uns! Egal wie!


Bei ihren Worten musste ich grinsen, aber was meinten sie mit „sie holen mich auf jeden Fall hier raus"? Der Gedanke machte mir schon ein bisschen Angst. Was habt ihr vor, Jungs?

Schreib uns so schnell wie möglich und halt die Ohren steif.
Bis bald
Fred und George


Den Brief in den Händen haltend, fing mein Herz an zu schlagen. Ich musste ihn fragen, egal wie, also atmete ich noch einmal tief durch und sah vom Brief zu ihm auf.

»Dad?«

»Ja?«, grummelte er in sich hinein, aber sah mich nicht an. Das sind ja wirklich wunderbare Voraussetzungen.

»Ähm, kann ich...also-«

»Marie, ich habe nicht den ganzen Abend Zeit. Was möchtest du?«, sagte er und ich konnte heraushören, dass er genervt war, was es für mich nicht einfacher machte.

»Also ich hab mich gefragt, ob ich die letzten beiden Wochen nicht bei den Weasleys verbringen könnte, anstatt hier?«, ratterte ich schnell meine Frage runter, bevor ich den Mut verlor. Ich starrte ihn an und endlich sah er von seinem Buch auf.

»Wieso?«

»Was?«

»Ich möchte wissen, wieso.« Was war das denn für eine Frage? War das nicht offensichtlich? Irritiert schaute ich ihn an.

»Weil sie mich gefragt haben und ich das gerne möchte«, sagte ich und mein Herz sprang mir fast aus der Brust, so doll schlug es.

»Von mir aus.«

»Echt?«, ein Grinsen konnte ich mir nicht verkneifen.

»Ja«

Bevor er es sich doch noch anders überlegte, ging ich schnell in mein Zimmer, um den Jungs eine Antwort zu schreiben.

Fred, George,
ihr werdet es nicht glauben, aber er hat JA gesagt. Ist das zu fassen? Unglaublich. Ich freue mich so! Wann holt euer Dad mich ab? Und wie?
Lasst schnell von euch hören, bevor mein Vater es sich doch noch anders überlegt.
Hab euch lieb
Marie

Glücklich, wie seit Wochen nicht mehr, rollte ich das kleine Pergament zusammen, verknotete es und ging wieder ins Wohnzimmer, wo Errol immer noch erschöpft auf dem Boden hockte. Ich setzte mich neben den Vogel.

»Errol, meinst du, du kannst nochmal die Strecke zurück fliegen? Das wäre wirklich sehr wichtig.« Das Tier blickte zu mir auf und schuhute leise, bevor es mir sein Bein entgegenstreckte.

»Danke, Errol«, bedankte ich mich bei ihm, während ich den Brief an seinem Bein festband. Anschließend trug ich ihn zum immer noch geöffneten Fenster, durch das er auch sofort davonflog.

»Bis bald, Errol. Komm gut an«, flüsterte ich ihm hinterher, bevor ich das Fenster wieder schloss.

»Setz dich!«, ertönte die Stimme meines Vater hinter mir. Sofort verschwand jegliche Euphorie, die ich eben noch gespürt hatte, restlos aus meinem Körper.

»Wieso?«, fragte ich genervt.

»Weil ich es sage.«

»Weil ich es sage«, äffte ich ihn leise nach.

»Marie!« Bei seinen Worten zuckte ich zusammen und setzte mich auf meinen Sessel, sah ihm aber in keiner Sekunde in die Augen.

»Sieh mich an.« Ich ignorierte ihn.

»Wie lange soll das noch so gehen?« Woraufhin ich nur mit den Schultern zuckte, den Blick weiterhin auf meine Füße gerichtet. Woher sollte ich es auch wissen?

»Marie Lily, das kann nicht ewig so weitergehen. Wir müssen reden!«, sagte er.

»Darf ich dich was fragen?«

»Natürlich.«

»Erzähl mir mehr von Mum« Meine Handflächen wurden schwitzig. Der Zeitraum bis er antwortete zog sich wie Kaugummi in die Länge.

»Das war keine Frage.«

»Kannst du mir bitte mehr von Mum erzählen?«

»Nein.«

»Dann können wir auch nicht reden.« Mit diesen Worten stand ich auf und ging zur Tür. Wenn er nicht bereit war mit mir über meine Mutter zu reden, dann war ich auch nicht bereit über irgendetwas anderes zu reden. Wie lange auch immer das noch so gehen sollte.

»Du sprichst also erst wieder mit mir, wenn ich über deine Mutter rede?« Mein Hand ruhte auf dem Türknauf, den ich im Begriff gewesen war zu drehen. Ich erwiderte nichts darauf.

»Reicht es nicht, dass ich dir gezeigt habe, woher du kommst? Wie du hierher gekommen bist? Wer du bist?« Tränen traten mir in die Augen und ich drehte mich langsam zu ihm um.

»Nein, Dad, das reicht nicht! Ich weiß nicht, wie sie war. Ich weiß nicht, ob ich ihr ähnlich bin. Mehr als nur das offensichtliche. Sie fehlt mir, jeden Tag. Du willst nicht über sie reden? Okay, aber dann rede ich auch nicht mit dir!«, mit jedem Wort wurde ich lauter, die Tränen liefen mir über die Wangen und tropften auf mein Shirt. Ich wartete keine Reaktion seinerseits ab, sondern öffnete die Tür und rannte hinaus.

Marie L. SnapeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt