Es ist abends, ich hatte mein Training beendet und gerade beschlossen, noch einen Abstecher in die Sauna zu machen, bevor ich nach Hause fahren würde. So kurz vor Schluss ist der Saunabereich meistens recht leer, jedenfalls auf der Dachterrasse dürfte nichts los sein. Außerdem ist Freitag und die meisten Leute haben irgendetwas vor. Ich packe also meine Sportsachen in den Spind, dusche mich ab, wickle mich in mein Saunatuch ein und schnappe mir meine Tasche mit Handtuch und Duschzeug. Nach dem Training fühlt es sich wie eine regelrechte Bergwanderung an, die eineinhalb Stockwerke zur Dachterrasse hochzusteigen. Meine Beine sind ziemlich hinüber. Doch die Mühe hatte sich gelohnt, ich bin tatsächlich die einzige hier draußen und auch die Sauna ist leer. Ich stelle meine Sachen ab, rücke nochmal mein Saunatuch zurecht und betrete die Sauna. Wie immer breite ich mein Handtuch der Länge nach auf der mittleren Stufe aus und lasse mich, mit dem Kopf zur Tür, rücklings darauf sinken. Ich schließe die Augen und genieße die Wärme. Ich spüre bereits, wie mein Körper sich entspannt. Träge lasse ich meine Gedanken schweifen.
Das Training heute war trotz allem gut. Es war die richtige Entscheidung gewesen, von meinem alten Fitnessstudio hierher zu wechseln. Nicht nur wegen der abgefahrenen, modernen elektronischen Geräte. Ich muss lächeln, als ich an den Trainer denke, der mich damals angeworben hatte. Er ist etwa einen halben Kopf größer als ich, hat dunkle, kurze Haare und schöne braune Augen. Sein Gesicht gefällt mir auch, er hat gerade, aber nicht allzu markante Gesichtszüge und vermutlich etwas, das ein Etwas-mehr-als-drei-Tage-Bart war, ohne dass er jedoch nennenswert lang gewesen wäre. Er ist schlank und auf eine angenehme Weise trainiert, nicht so breit, dass man direkt Komplexe bekommt, wenn man neben ihm steht. Alterstechnisch würde ich sagen ist zwischen 30 und 35 alles drin. Seine Haare und auch sein Bart fangen am Rand an, ein bisschen grau zu werden. Irgendwie niedlich. Von Anfang an schien er ein Auge auf mich geworfen zu haben. Er hat oft völlig aus dem Zusammenhang ein Gespräch mit mir angefangen oder mir ein Kompliment gemacht. Hin und wieder hat er auch einen dummen Spruch rausgehauen, aber das ist einfach seine Art. Könnte wohl auch an seinem Job liegen. Generell ist er sehr kommunikativ gegenüber den anderen Mitgliedern, aber zwischen uns fühlt sich das irgendwie anders an. Manchmal braucht man aber auch keine Worte, ich kann die Blicke deuten, mit denen er mich immer wieder ansieht. Oder die Art, wie er versucht, mir körperlich nahe zu sein und manchmal meine Hand nehmen oder mein Gesicht berühren will. Heute war es deutlicher als all die Male zuvor. Vor allem, wenn ich daran denke, was diesmal passiert ist, als ich das Studio betreten habe. Ich hatte mir, wie fast immer vor dem Training, an der Theke einen Riegel gekauft und davon gerade den ersten Bissen genommen, als ich an ihm vorbei gelaufen bin. Er saß mit seinem Laptop auf einem Hocker an dem breiten Stehtisch im Eingangsbereich. Als er mich gesehen hat, hat er gelächelt und gesagt:
„Na, meine Schöne?"
Ich habe mich dann neben ihn an den Tisch gelehnt und wir haben uns kurz über die Zugstrecken unterhalten, die er gerade wegen einer Kollegin auf seinem Laptop offen hatte. Irgendwas mit Wandern und Gebirge. Glaube ich jedenfalls. Das war ohnehin der langweilige Teil des Gesprächs. Der Rest hatte sich non-verbal zwischen uns beiden und ein wenig unter dem Tisch abgespielt. Bereits zu Anfang kam er mir sehr nahe und immer wieder suchte er meinen Blick. Irgendwann hat er meine Hand genommen, die neben seiner auf dem Tisch lag und mit meinen Fingern gespielt. Ich hatte ihn mit einem wissenden Lächeln angesehen und mein Gesicht dem seinen genähert. Die andere Hand hatte ich behutsam, verdeckt durch meinen Körper und den Tisch, auf sein Knie gelegt. Er trug wie immer nur eine kurze schwarze Sporthose und ich ließ meine Finger ein Stück seinen Oberschenkel hinaufwandern. Ich hatte ihn nur testen wollen, um zu sehen, wie weit er gehen würde. Doch sein Blick war intensiver geworden. Ich hatte keinen Zweifel daran, dass ihm diese Situation sehr gefiel. Und auch ich kann nicht leugnen, dass in diesem Moment etwas zwischen uns passiert war. Ich hatte es geschafft, mich von seinen Augen loszureißen und konnte mit einem schnellen Blick feststellen, dass zum Glück niemand diese zweifellos eindeutige Szene mitbekommen zu haben schien. Dann war ich gegangen, um mich umzuziehen und mein Training zu beginnen. Auf der Fläche sind wir uns ein paar Mal über den Weg gelaufen und unsere Blicke haben sich getroffen. Zwar immer nur für einen kurzen Moment, aber ein Teil der intensiven Spannung war geblieben, sodass es mich jedes Mal durchzuckte, wenn er mich ansah. Es war nicht leicht gewesen, mich ausschließlich auf meine Übungen zu konzentrieren. Immer wieder waren meine Gedanken abgeschweift zu dem, was vorhin hätte passieren können, wenn nur wir beide hier gewesen wären. Erschöpft vom Training und sogar von meinen Gedankenspielen wollte ich mir ein wenig Wärme und Entspannung gönnen. Da war ein Besuch in der Sauna genau das Richtige.
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